# taz.de -- Kunstausstellung über Tiere: Mit Kanonen auf Spatzen schießen | |
> Die Beziehung zwischen Mensch und Tier schwankt schon seit | |
> Menschengedenken zwischen Feind- und Freundschaft. Nun gibt es dazu eine | |
> Ausstellung. | |
Bild: Auch Teil der Geschichte: Mensch und Tier im Kampf gegeneinander | |
Es gab eine Zeit, in der es rentabel gewesen wäre, mit Kanonen auf Spatzen | |
zu schießen. Galt er doch als „bösartiger, geiler und listiger Vogel“, der | |
deshalb auszurotten sei. Aber nicht nur gegen Spatzen wurde damals | |
vorgegangen. Auch gegen „Geyer, Raben und Kroen (Krähen) und dergleichen | |
schädliche Vögel“ forderte die Hohenloher Jagdordnung 1579 von den | |
Jagdmeistern diese zu „verderben“, um die Ernte zu schützen. Später | |
beschäftigten die Herrschaften hierfür spezielle „Spatzenschützen“. Ab d… | |
17. Jahrhundert wurde sogar das „gemeine Volk“ zwangsverpflichtet, | |
Sperlinge und Krähen zu jagen, „zwey dutzend Spatzen“ zu fangen „oder f�… | |
jeden mangelnden einen Albus zu zahlen.“ | |
Kam man dieser Pflicht nicht nach, musste man einen Albus blechen, eine | |
seit dem Spätmittelalter in Teilen des deutschen Reiches verbreitete | |
Währung. Denn die Spatzen vermehrten sich derart und fraßen so viel Korn | |
oder Obst, dass Städte wie Rothenburg ein Kopfgeld auf erschlagene Spatzen | |
oder geplünderte Vogelnester aussetzten. Nachvollziehbar, wenn man bedenkt, | |
dass in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts viele Menschen in | |
Deutschland hungerten aufgrund [1][des Bevölkerungswachstums.] Die | |
Landwirtschaft und die aufkommende Industrie waren noch nicht in der Lage, | |
die hungrigen Mäuler zu stopfen, was Massenarmut zur Folge hatte. | |
Die Geschichte des Zusammenlebens oder auch der gegenseitigen Feind- und | |
Freundschaft zwischen Mensch und Tier greift [2][die Sonderausstellung des | |
Mittelalterlichen Kriminalmuseums Rothenburg ob der Tauber auf: „Hund und | |
Katz – Wolf und Spatz. Tiere in der Rechtsgeschichte.“] Begrüßt wird mens… | |
von einem präparierten übermannshohen Bären; als Gag trägt er eine | |
Schutzmaske. „Ausgestopfte Tiere gehen gar nicht“, äußerte sich eine | |
Besucherin auf Facebook unter einem Foto von dem Bären. Doch auch dem | |
Tierschutz widmet die Ausstellung einen eigenen, wenn auch kleinen Bereich. | |
Wer tiefer in die Thematik „Tiere in der Rechtsgeschichte“ einsteigen | |
möchte, kann auf den ausführlichen Begleitband zur Ausstellung | |
zurückgreifen. Darin steht, dass sich bereits im Codex Hammurabi (um 1750 | |
v. Chr.) Regeln zum Umgang mit Tieren finden. „Eine wissenschaftliche | |
Diskussion der Strafwürdigkeit und Strafbarkeit der Tierquälerei“ setzte | |
allerdings erst mit der Aufklärung ein. Leider sind die daraus entwickelten | |
Gesetze bis heute nicht ausreichend, wie die Qualen von Tieren in der | |
Agrarindustrie, aber auch auf bäuerlichen Höfen etwa mit der Anbindehaltung | |
zeigen. Und dabei ist der [3][klimaschädliche Aspekt der | |
„Fleischproduktion“] noch nicht einmal berücksichtigt. | |
## „Faktisch sind Tiere somit in der Regel weiterhin Sachen“ | |
Was vermutlich mitunter daran liegt, dass Tiere rechtlich betrachtet | |
Eigentum sind, wie einst Sklaven. Also nicht sich selbst gehören. Und nicht | |
nur das, gelten sie doch bis heute als Sachen. Da hilft es wenig, dass 1990 | |
in das Bürgerliche Gesetzbuch Paragraf 90a eingefügt wurde, der dem | |
scheinbar klar widerspricht: [4][„Tiere sind keine Sachen“.] Weiter aber | |
heißt es: „Auf sie sind die für Sachen geltenden Vorschriften entsprechend | |
anzuwenden, soweit nichts anderes bestimmt ist“. Der Begleitband stellt | |
dazu nüchtern fest: „Faktisch sind Tiere somit in der Regel weiterhin | |
Sachen“ und können deswegen verkauft oder vermietet werden. | |
Auch an anderer Stelle dockt das Kriminalmuseum an eine aktuelle Diskussion | |
an: Im Umgang mit Pandemien. So wurde zu Beginn der Pestpandemie vermutet, | |
dass die Überträger Katzen und Hunde seien, weshalb diese totgeschlagen | |
wurden. Was wiederum dazu führte, dass die Rattenpopulation in die Höhe | |
schnellte und mehr Menschen an Pest erkrankten oder starben. Denn wie wir | |
heute wissen, sind Flöhe auf Ratten die Überträger des Pestvirus und nicht | |
Katzen oder Hunde. | |
Die Ausstellung greift weitere Irrungen und Wirrungen auf, dies | |
glücklicherweise niemals aufmerksamkeitsheischend. So suchten die Menschen | |
vor der Pest Schutz im Glauben oder Aberglauben. Sie trugen eine | |
Maulwurfspfote in der Hosentasche oder den Penisknochen eines Marders. Was | |
dem Marder nun an Potenz verwehrt war, sollte beim Amulett-Tragenden | |
wieder gedeihen. Warum es genau ein Marder-Penisknochen sein sollte, darauf | |
geht auch der Begleitband leider nicht ein. Ist es von den | |
Größenverhältnissen her doch weniger eingängig als ein Fuchsschwanz an | |
einem SUV. | |
Skurril wird es im ersten Stock. Da wird die Gerichtsverhandlung gegen ein | |
Schwein geschildert, das 1386 im französischen Falaise in der Normandie | |
einen Säugling verstümmelt haben soll. Daraufhin wurde das Schwein nach dem | |
ius talionis (Auge um Auge bzw. Spiegelstrafe) genauso verstümmelt, wie es | |
das Tier an dem Kind getan hatte. In Menschenkleidern wurde es öffentlich | |
in der Nähe des Rathauses aufgehängt. Verewigt wurde die Hinrichtung später | |
in der Kirche durch ein Wandgemälde, das aber 1820 wieder übertüncht wurde. | |
## Prozesse gegen Tiere | |
Ab dem 15. Jahrhundert fanden sich immer wieder Prozesse und Strafen gegen | |
Schweine wegen Kindsmordes. Unter anderem festgehalten in der Wickiana von | |
1560, einer vom protestantischen Geistlichen Johann Jakob Wick | |
illustrierten handschriftlichen Sammlung zum Zeitgeschehen. Darin stand das | |
Kind in einer Schale oder einem Korb auf dem Boden. Das Schwein verletzte | |
das Kind, was wir heute rechtlich wohl eher als Vernachlässigung der | |
Aufsichtspflicht der Tierhalter*innen bzw. der Eltern einordnen | |
würden.Oder auch der Fall, in dem die Kirche Holzwürmer exkommunizierte, | |
nachdem sie den Stuhl des Bischofs durchlöchert und ihn dadurch zu Fall | |
gebracht hatten. Tiere mussten im Mittelalter häufig für Ehrenstrafen, zur | |
Zurechtweisung herhalten, sei es durch Holzesel in der Schule, auf denen | |
unartige Schüler*innen „reiten“ mussten, oder indem Straftäter*innen | |
in Säcke gesteckt wurden, gemeinsam mit ausgehungerten Tieren. | |
Übrigens eine Foltermethode, die der von den Deutschen sowohl bejubelte als | |
auch gehasste Schah von Persien noch in den späten Siebzigern von seinem | |
berüchtigtem Geheimdienst SAVAK in den Folterkellern von Isfahan anwenden | |
ließ. Dort wurden Verdächtige oder politische Gegner*innen in Säcke mit | |
nach Nahrung lechzenden Schlangen, Katzen oder Hunden gesteckt. Sie | |
richteten die Verdächtigen übelst zu, die dann nicht selten gestanden, was | |
sie getan oder auch nicht getan hatten, nur um der Folter zu entgehen. | |
Bewusst verzichtet das Museum auf nicht verifizierte Fälle wie dem vom im | |
Anzug gehängten Schwein, das der Vergewaltigung einer Frau zugesehen und | |
nicht eingegriffen hatte. Im sogenannten Schwabenspiegel ist dargestellt | |
und geschildert, wie die „Wüstung“ (Zerstörung) eines Hauses stattfand, b… | |
der Mensch und Tier getötet wurde, nach „vorangegangener Notzucht an einer | |
Frau“. Hier schreibt der Schwabenspiegel bei Notzucht nicht nur vor, alle | |
zu köpfen, die nicht auf den Hilferuf der Frau reagierten, sondern auch, | |
man solle: „allez daz toeten, daz in dem huse ist, rinder unde ros, katzen | |
und hunde, huenre und gense und enten unde swin und liute, junc und alt, | |
und alez daz lebende drinne ist, daz sol man allez toeten.“ „Weitere | |
Details zu diesem Verfahren sind mir leider nicht bekannt“, so der Leiter | |
des Kriminalmuseums, Markus Hirte. | |
12 Aug 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Bevoelkerung/!t5010544 | |
[2] https://www.kriminalmuseum.eu/ausstellungen/aktuelle-ausstellungen/ | |
[3] /UNO-Studie-zum-Fleischkonsum/!5749280 | |
[4] /Tierrechte/!t5022317 | |
## AUTOREN | |
Leonhard F. Seidl | |
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