# taz.de -- Hochwasser in West- und Süddeutschland: Streit um Katastrophenschu… | |
> Die Flutlage entspannt sich zusehends. Nun wird diskutiert, ob der Bund | |
> mehr Kompetenzen braucht – Horst Seehofer ist dagegen. Die Zahl der Toten | |
> steigt derweil weiter. | |
Bild: Überschwemmung in Passau: Hier bleibt die große Katastrophe aus | |
## Reul: Ein Todesopfer mehr in NRW | |
Die Zahl der im Hochwasser ums Leben gekommenen Menschen in | |
Nordrhein-Westfalen ist weiter gestiegen. „Wir haben ein Todesopfer mehr“, | |
sagt NRW-Innenminister Herbert Reul in Düsseldorf. Insgesamt seien damit 47 | |
Menschen in NRW in den Fluten umgekommen. | |
## Kritik an Katastrophenschutz „billige Wahlkampfrhetorik“ | |
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat nach der Unwetterkatastrophe | |
in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen den Katastrophenschutz | |
verteidigt. Manches an der derzeit geäußerten Kritik sei einer „ganz | |
billigen Wahlkampfrhetorik“ zuzuordnen, sagte Seehofer am Montag bei einem | |
Besuch an der Steinbachtalbrücke in Euskirchen. Dies sei fast schäbig. | |
Seehofer kündigte zugleich an, dass nach der Bewältigung der akuten | |
Krisenlage die Abläufe im Katastrophenschutz aufgearbeitet würden. Er | |
selbst habe „das größte Interesse“ daran. „Aber jetzt in diesen Tagen h… | |
die Bevölkerung ein Interesse an der Hilfe und der Solidarität.“ Seehofer | |
sagte, die Meldewege rund um die Unwetterkatastrophe hätten nach seiner | |
Information von Seiten des Bundes funktioniert. Auf der Ebene der | |
Bundesländer wolle er sich nicht dazu einmischen. (afp) | |
## Seehofer will Katastrophenschutz dezentral belassen | |
Bundesinnenminister Horst Seehofer will nicht an der föderalen Struktur des | |
Katastrophenschutzes rütteln. Diese sei richtig, und zwar seit | |
Jahrzehnten“, sagt Seehofer bei einem Besuch an der Steinbachtalsperre im | |
nordrhein-westfälischen Kreis Euskirchen. „Zentralismus verbessert hier gar | |
nichts.“ | |
NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, der Seehofer begleitet, sagt, es müsse | |
analysiert werden, wie Katastrophen-Meldungen besser gemacht werden | |
könnten. Nach der Hochwasser-Katastrophe hatte es Kritik gegeben, die | |
betroffenen Menschen seien unzureichend oder nicht früh genug gewarnt | |
worden. (dpa) | |
## Weitere Tote in Rheinland-Pfalz befürchtet | |
Der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz rechnet mit noch mehr | |
Toten durch die Überschwemmungen im Kreis Ahrweiler. Mit dem Ablaufen des | |
Wassers und dem Leerpumpen der Keller würden immer Tote aufgefunden, sagt | |
der SPD-Politiker dem Südwestrundfunk. „Und das werden auch noch mehr | |
werden.“ | |
Viele hundert Einsatzkräfte durchsuchten nun planmäßig Haus für Haus und | |
Uferbereich für Uferbereich. Laut Polizei in Koblenz liegt die Zahl der in | |
Rheinland-Pfalz geborgenen Toten mittlerweile bei 117. (rtr) | |
## Pegel an Steinbachtalsperre sinkt | |
Der Pegel der seit Tagen vom Hochwasser bedrohten Steinbachtalsperre hat | |
nach Angaben des Rhein-Sieg-Kreises einen „unkritischen Wasserstand | |
erreicht“. Damit bestehe akut keine Gefahr mehr, dass die Staumauer brechen | |
könnte, teilte der Kreis am Montag mit. „Somit können die | |
Evakuierungsmaßnahmen für Swisttal und Rheinbach aufgehoben werden.“ (dpa) | |
## Katastrophenschutz-Chef will Sirenen zurück | |
Sirenen spielen bei der Warnung vor Katastrophen nach Ansicht des | |
Präsidenten des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, | |
Armin Schuster, einen wichtige Rolle. Es brauche einen Warnmittel-Mix aus | |
verschiedenen Methoden, rein digitale Warnungen seien nicht der richtige | |
Weg, sagte er im Deutschlandfunk. „Und deswegen wollen wir auch die gute | |
alte Sirene zurückhaben.“ | |
Mit einem Förderprogramm in Höhe von 90 Millionen Euro sollen gemeinsam mit | |
den Bundesländern „an den richtigen Stellen“ wieder Sirenen installiert | |
werden. „Die 90 Millionen werden dafür aber nicht reichen. Wir werden mehr | |
Geld brauchen“, sagte Schuster. Schnell werde es nicht gehen. „Das ist ein | |
Projekt für mehrere Jahre.“ Zur Kritik, die Warnung der Bevölkerung habe | |
nicht gut funktioniert, sagte Schuster: Derzeit sei man in der Phase | |
„Retten, Bergen, Obdachbieten etcetera. Ich habe meinen Mitarbeitern sogar | |
quasi untersagt, Manöverkritik zu machen. Wir helfen jetzt.“ (dpa) | |
## Todeszahl in Ahrweiler steigt auf 117 | |
Die Zahl der Todesopfer nach den verheerenden Überschwemmungen im Kreis | |
Ahrweiler (Rheinland-Pfalz) ist auf 117 gestiegen. Zudem seien mindestens | |
749 Menschen verletzt worden, teilte eine Polizeisprecherin in Koblenz am | |
Montag mit. Wie viele Menschen noch vermisst werden, ist weiterhin unklar. | |
Am Sonntag war die Zahl der Flut-Toten in Rheinland-Pfalz mit 110 angegeben | |
worden. | |
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) besucht im Verlauf des Montags in | |
Ahrweiler ein Krankenhaus. Nach Angaben des Technischen Hilfswerks (THW) | |
will er sich vor Ort einen Eindruck von den Arbeiten in den besonders von | |
der Hochwasserkatastrophe betroffenen Gebieten verschaffen. Zuvor besucht | |
er in Nordrhein-Westfalen Einsatzkräfte an der seit Tagen bedrohten | |
Steinbachtalsperre. (dpa) | |
## Lage in Bayern weniger dramatisch als befürchtet | |
Die Lage in den Hochwassergebieten im Süden und Osten Bayerns hat sich | |
etwas entspannt. In Passau lag der Pegel der Donau am frühen Montagmorgen | |
bei 8,18 Metern und damit unterhalb der höchsten Hochwasserwarnstufe von | |
8,50 Metern. Von [1][katastrophalen Zuständen] sei man zum Glück noch | |
entfernt, sagte ein Sprecher der Polizei in Passau am Montag. | |
Auch im besonders stark von Unwettern getroffenen Berchtesgadener Land | |
konnten die Menschen etwas aufatmen. „Die Nacht verlief ruhig“, hieß es bei | |
der Feuerwehr. Die Helfer seien jetzt mit Aufräumarbeiten beschäftigt. | |
Anlass zur Hoffnung geben auch die Wetteraussichten. Bis auf einzelne kurze | |
Schauer soll es in den kommenden Tagen trocken bleiben. Unwetter seien | |
derzeit nicht in Sicht, sagte ein Meteorologe des Deutschen Wetterdienstes | |
(DWD). | |
Völlige Entwarnung gibt es gerade in Städten wie Passau aber noch nicht. | |
Uferpromenaden und Parkplätze waren bereits überflutet worden, Bewohner | |
schützen ihre Häuser mit Sandsäcken und Barrieren. Der Scheitel der | |
Hochwasserwelle wurde gegen 9.00 Uhr erwartet. Auch andernorts stiegen die | |
Pegel, etwa in Neuburg an der Donau, wo die Hochwassermeldestufe drei | |
erreicht wurde. (dpa/rtr) | |
## Polizei erreicht Vermisste | |
Im zuvor stark betroffenen Nordrhein-Westfalen hat die Polizei derweil mehr | |
als 700 Vermisste telefonisch erreicht. Damit sei eine Vielzahl der | |
Vermisstenmeldungen, die bei der Polizei Köln eingegangen waren, aufgeklärt | |
worden, teilte die Polizei am Sonntag mit. In Rheinbach bargen die | |
Einsatzkräfte am Mittag eine weitere Leiche, damit steigt die Zahl der | |
Todesopfer im betroffenen Rhein-Sieg-Kreis auf neun. | |
Rund 250 Einsatzkräfte der Polizei, Feuerwehr, Bundeswehr und des | |
Technischen Hilfswerks waren am Sonntag im Rhein-Sieg-Kreis und im Kreis | |
Euskirchen im Einsatz, um nach weiteren Vermissten zu suchen. Derzeit | |
werden laut Polizei in der Region noch etwa 150 Menschen vermisst. | |
Die Überflutungen kamen nach Angaben des nordrhein-westfälischen | |
Innenministeriums [2][nicht überraschend]. Amtliche Warnungen vor extremem | |
Unwetter hätten sich am vergangenen Montag um 10.28 Uhr konkretisiert, | |
zitiert die Bild das Ministerium. Alle amtlichen Warnungen seien der | |
Leitstelle der Kreise und der kreisfreien Städte zugestellt worden. | |
Die konkreten Vorbereitungen, die ein Kreis oder eine kreisfreie Stadt auf | |
Grundlage der amtlichen Wetterwarnungen treffe, lägen aber in deren eigenem | |
Ermessen. Da ein solches Ereignis abzusehen gewesen sei, sei am Dienstag | |
eine „Landeslage“ eingerichtet worden, um frühzeitig zu erkennen, ob in | |
einem Kreis oder einer kreisfreien Stadt überörtliche Hilfe benötigt werde. | |
(dpa/afp) | |
## Reul: „Keine großen grundsätzlichen Probleme“ | |
Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) hat | |
Verbesserungsbedarf beim Katastrophenschutz eingeräumt, sieht aber keine | |
schwerwiegenden Probleme in seinem Bundesland. „Es kann nicht alles | |
100-prozentig funktioniert haben. Denn dann dürfte es keinen Toten gegeben | |
haben“, sagt Reul im Politik-Talk der Zeitung Bild. | |
Nach seinem heutigen Erkenntnisstand habe es aber „keine großen | |
grundsätzlichen Probleme“ gegeben. Der Minister lehnt eine Zentralisierung | |
des Katastrophenschutzes in Berlin aber ab. (dpa) | |
## Streit um Zentralisierung von Katastrophenschutz | |
Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet geht davon aus, | |
dass sich der Wiederaufbau nach der Flutkatastrophe lange hinziehen wird. | |
„Der Wiederaufbau wird Monate, ja Jahre dauern“, sagte der Kanzlerkandidat | |
der Union am Sonntag. Laschet sagte den Flutopfern erneut schnelle Hilfe | |
zu. Eine Katastrophe von nationaler Tragweite brauche auch eine schnelle | |
nationale Antwort. Daran arbeiteten Land und Bund mit Hochdruck. | |
Mit Vertretern betroffener Städte und Gemeinden wolle er in dieser Woche | |
zusammenkommen, um über die Ausgestaltung von Finanzhilfen zu beraten. „Wir | |
müssen akut und in der Not helfen“, sagte Laschet. „Das tun wir. Mit allem, | |
was wir können, so schnell es geht.“ | |
Die Kanzlerkandidatin der Grünen, Annalena Baerbock, hat nach einem Besuch | |
im Hochwasser-Katastrophengebiet eine bessere Vorbereitung für kommende | |
Extremwetterereignisse gefordert. „Die Lage ist nach wie vor | |
hochdramatisch. Menschen haben alles verloren, noch immer werden einige | |
vermisst“, sagte Baerbock in einem am Montagmorgen veröffentlichten | |
Spiegel-Interview. „Mir haben Helfer in Rheinland-Pfalz von Familien | |
erzählt, die tagelang auf dem Dach ausharrten, bis endlich die Retter | |
kamen. Da zieht sich einem das Herz zusammen. Wir müssen uns besser gegen | |
solche Extremwetterereignisse wappnen, um Menschen zu schützen.“ | |
Baerbock forderte zudem eine Neuformation des Katastrophenschutzes mit mehr | |
Verantwortung für den Bund. Diese Notwendigkeit zeichne sich seit längerem | |
ab. „Notsituationen wie diese Flut oder auch Waldbrände häufen sich und | |
brechen oft an vielen Orten zur selben Zeit aus. Hilfe funktioniert nur, | |
wenn alles ineinander greift. Dafür braucht es eine Instanz, die alle | |
Kräfte bündelt, die schnellstmöglich aus ganz Deutschland oder | |
EU-Nachbarstaaten Hubschrauber oder Spezialgeräte zusammenzieht.“ | |
Die Kanzlerkandidatin sprach von einer schnelleren Koordinierung der | |
verschiedenen Ebenen und Akteure. Das gelte insbesondere für Ereignisse, | |
die mehrere Bundesländer betreffen oder nicht mehr durch die regionalen | |
Einsatzkräfte bewältigt werden könnten. „Dazu muss das Bundesamt für | |
Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe mit einer Zentralstellenfunktion | |
ausgestattet werden, wie wir sie in der Polizeiarbeit vom Bundeskriminalamt | |
kennen.“ | |
Baerbock sprach sich zudem für ein striktes Bauverbot in | |
Hochwasserrisikogebieten aus. „Die CDU müsste nur ihren Widerstand dagegen | |
aufgeben.“ (dpa) | |
19 Jul 2021 | |
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