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# taz.de -- Angela Merkel in den USA: Abschied unter Impf-Protest
> Joe Biden empfängt Merkel in Washington. Das Treffen wird überschattet
> von Demos gegen Deutschlands Beharren auf dem Patentschutz für
> Impfstoffe.
Bild: Fordern ein Umdenken Deutschlands und der EU: Demonstrierende am Mittwoch…
New York taz | „Merkels Verzögerung kann uns alle umbringen“, skandierten
rund hundert DemonstrantInnen am Mittwoch vor Merkels USA-Besuch vor dem
Deutschen Haus an den Vereinten Nationen in New York. Sie schwenkten
Transparente mit der Aufschrift „Das Patent tötet“. Und: „Wir alle sind …
Gefahr, solange das Virus irgendwo aktiv ist“.
Einige trugen Masken aus dem zurückliegenden Präsidentschaftswahlkampf mit
der Aufschrift „Biden/Harris“. Ein paar Straßen weiter, vor dem Hauptsitz
des Pharmariesen Pfizer, der seine Fassade mit dem Slogan „Die Wissenschaft
gewinnt“ dekoriert hat, riefen sie: „Pfizer profitiert vom Leiden der
Menschen“.
DemonstrantInnen blockierten auch eine zentrale Kreuzung, bis sie von der
Polizei geräumt wurden. Auch vor mehreren deutschen Konsulaten quer durch
die USA fanden Proteste statt. Am Weißen Haus stieg ein Banner auf, das die
Bundeskanzlerin aufforderte, den Patentschutz für Covid-19-Impfstoffe
aufzuheben, um Menschenleben zu retten. Für diesen Donnerstag ist ein
„Die-In“ auf dem Lafayette Square direkt vor Joe Bidens Amtssitz geplant.
Es kommt nicht alle Tage vor, dass eine europäische SpitzenpolitikerIn in
den USA mit Protest empfangen wird. Für Angela Merkel, die in den
zurückliegenden Jahren die Sympathie der Trump-GegnerInnen genoss, ist es
eine radikale Wende.
## EU und Deutschland stoppen
Die Kanzlerin traf am Mittwochabend (Ortszeit) zu ihrem voraussichtlich
letzten Besuch ihrer Amtszeit in Washington ein. Biden will ihr das
Amtsende verschönern: Auf dem Terminplan für ihren einzigen Besuchstag am
Donnerstag stehen ein Frühstück mit der Vizepräsidentin, die Verleihung der
Ehrendoktorwürde der Johns-Hopkins-Universität für Merkels Verdienste um
die internationalen Beziehungen, ein Vier-Augen-Gespräch mit Biden sowie
ein Abendessen mit EhepartnerInnen im Weißen Haus.
Das deutsche „Nein“ zur vorübergehenden Aufhebung des Patentschutzes für
Covid-Impfstoffe hat dem Treffen eine neue Richtung gegeben. Im vergangenen
Oktober haben Indien und Südafrika bei der Welthandelsorganisation (WTO)
beantragt, die Produktion und den Vertrieb der Impfstoffe durch die
Aussetzung der Patente zu beschleunigen. Seither ist ihre Resolution so
umgeschrieben worden, dass ihr mehr als 140 Länder in der WTO zustimmen.
Aber Deutschland, die EU, Großbritannien, die Schweiz und Südkorea
verhindern die Aussetzung des Patentschutzes.
Biden hatte im Wahlkampf versprochen, dass er sich als Präsident für die
weltweite Verteilung des Impfstoffes einsetzen werde. Doch einmal im Amt,
schien das keine Priorität mehr zu sein. Erst im Mai, nachdem AktivistInnen
und linke DemokratInnen monatelang Druck gemacht hatten, [1][erklärte sich
Biden bereit, den Patentschutz vorübergehend auszusetzen]. Neuseeland und
mehrere andere Länder schlossen sich an. Doch da die WTO einstimmig
entscheidet, genügte das nicht.
Die DemonstrantInnen sind nicht die einzigen in den USA, die versuchen,
Merkel umzustimmen. Am Dienstag hatten neun Abgeordnete des US-Kongresses
einen Brief an die deutsche Botschafterin in Washington, Emily Haber,
geschickt. Darin bitten die Abgeordneten vom linken Flügel der
Demokratischen Partei um ein Treffen mit der Kanzlerin.
Die neun sind dankbar für die „Rolle, die Deutschland, insbesondere
Kanzlerin Merkel, in den zurückliegenden vier Jahren bei der Verteidigung
der Demokratie gespielt hat“. Und sie hoffen, dass die Kanzlerin ihre
Blockade bei der Welthandelsorganisation aufgibt. „Die dritten
Covid-19-Wellen toben in vielen Teilen der Welt und die Varianten werden
bedrohlicher“, schreiben sie, „wir brauchen eine viel größere Produktion
von mRNA-Impfstoffen, um Millionen von Leben zu retten.“ Bislang stellen
nur deutsche und US-amerikanische Unternehmen mRNA-Impfstoffe her.
## „Episches moralisches Versagen“
„Vermutlich steckt die Macht der Pharmakonzerne in Deutschland hinter
Angela Merkels Position“, sagte Michael Galant von der Gruppe Global South
am Mittwoch in New York. Er hofft, dass Biden das Treffen mit Merkel nutzt,
um sie zu einer Umkehr zu bewegen.
„Dies ist Bidens Moment für globale Führung“, sagte der Jesuit [2][Charlie
Chilufya] von der katholischen Lobbygruppe Justice and Ecology bei einer
Podiumsdiskussion am Protesttag. Das Treffen des Präsidenten mit der
Kanzlerin nannte er schon vorab „ein episches moralisches Versagen“, sollte
Deutschland die Blockade bei der WTO nicht aufgeben – „um die Produktion
von mehr Covid-19-Impfstoffen und Behandlungen zu erleichtern, die benötigt
werden, um Millionen von Leben zu retten.“
15 Jul 2021
## LINKS
[1] /EU-Politikerin-zur-Patentfreigabe/!5770559
[2] https://twitter.com/ChilufyaCharlie
## AUTOREN
Dorothea Hahn
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