# taz.de -- Musiktipps für Berlin: Charmantes auf Dächern | |
> Jens Friebe und Ozan Ata Canani eröffnen die Konzertreihe „21 Sunsets“. | |
> Und Nichtseattle lässt auf der KulturMarktHalle unaufgeregt die Luft | |
> raus. | |
Bild: Niemand textet so charmant doppelbödig wie Jens Friebe | |
Endlich wieder aufs Dach! Die wohl schönste Terrasse der Stadt, die des | |
[1][Haus der Kulturen der Welt lädt zu „Sunsets“-Saison]. Pandemiebedingt | |
bereits zum zweiten Mal gibt Konzerten, Filmen und Literatur, diesmal sogar | |
einen Abend mehr als im vergangenen Jahr, nämlich 21 Sunsets – anstelle des | |
Wassermusik-Festivals, das traditionell dort alljährlich im Sommer | |
stattfindet. | |
Eigentlich wäre ja schon letztes Jahr der Mississippi drangewesen. Schade, | |
dass das wieder verschoben werden muss, aber zugleich eindrucksvoll, welch | |
abwechslungsreiches Programm die Kurator*innen mit hiesigen | |
Künstler*innen auf die Beine stellen. | |
Den Konzertauftakt machen am Freitag (16. 7., 20 Uhr, Eintritt 10/erm. 8 | |
Euro) der Songwriter Jens Friebe – niemand textet so charmant doppelbödig – | |
und Ozan Ata Canani. Letzterer brachte bereits Ende der 1970er Jahre in | |
seinem Song „Deutsche Freunde“ anatolische Musik mit deutscher Sprache | |
zusammen und sang über die Lebenssituation von Arbeitsmigrante. | |
Auf die Idee war er gekommen, weil die deutschen Gäste auf den türkischen | |
Hochzeiten, auf denen er mit seiner Langhalslaute auftrat, wissen wollte, | |
worüber er denn sänge. Der Song sollte zum prägnanten Kommentar zum | |
Verhältnis zwischen der Mehrheitsgesellschaft und den seinerzeit so | |
genannten „Gastarbeitern“ werden. Gut vier Jahrzehnte später erschien | |
unlängst Cananis Albumdebüt [2][„Warte mein Land, warte“], anlässlich des | |
60. Jahrestags des Anwerbeabkommens mit der Türkei. | |
Am Samstag guckt man dann vom Dach aus Richtung Nordafrika: Momo Djender | |
vermittelt ebenso zwischen klassischer und zeitgenössischer algerischer | |
Musik, als auch der arabisch-andalusischen Tradition. | |
Auch der in Berlin lebende ägyptische Musiker Nasser Kilada flechtet | |
Unterschiedliches in seine Songs ein, von Afrobeat über Reggae bis zu | |
lateinamerikanischem Rhythmen (17. 7., 20 Uhr, Eintritt 10/erm. 8 Euro, | |
Tickets unter [3][www.hkw.de]). | |
Ebenfalls am Samstag kann man neben einem Auftritt der | |
Experimental-Popkünstlerin Jens Ausderwäsche erleben, wie Katharina Kollman | |
alias Nichtseattle auf so charmante wie lakonische Weise mit ihrem | |
rumpeligen Lo-Fi-Pop allerhand gemeinhin Be- und Überfrachtetem unaufgeregt | |
die Luft rauslässt. | |
2019 erschien ihr Debüt „Wendekid“. Das klingt wie der Soundtrack zu dem | |
vergilbten Fotoalbum, das dann aber doch eher vor allem ambivalente Gefühle | |
als Nostalgie auslöst: diese seltsame Mischung von Vertraut- und Fremdheit, | |
wie sie nur (die eigene) Familie triggern kann. | |
Für Anfang 2022 ist ein neues Album mit dem schönen Titel | |
„Kommunistenlibido“ angekündigt, vielleicht erfährt man an dem Abend schon | |
mal, was diese ausmacht (17.7., 18 Uhr, KulturMarktHalle, Eintritt 11,20 | |
Euro, Tickets unter [4][www.amstart.tv]). | |
Am Sonntag laden dann das queere Kammerpop-Projekt Nansea zusammen mit der | |
Elektronikkünstlerin JakoJako (die sich übrigens als Pflegekraft in | |
Nachschichten das theoretisches Vorwissen zum Musikmachen aneignete) und | |
Katya Kóv, Gründungsmitglied des russischen Queer-Musikprojekts SADO OPERA | |
(eine Art Haus-Band in der Wilden Renate und dem Ficken3000), zum | |
gemeinsamen Musikhören. | |
Picnic FM findet bis September [5][am jeweils dritten Sonntag des Monats] | |
in dem Park um den Moabiter Kulturort ZK/U herum statt. Die DJs und | |
Künstler*innen senden ihren Sound über einen Transmitter, die | |
Zuhörer*innen lümmeln auf Picknickdecken und hören mit (mitgebrachten | |
oder geliehenen) tragbaren Radios zu (18. 7., ab 13 Uhr, Siemensstr. 27, | |
kein Eintritt). | |
Auch im [6][Biergarten des Quasimodo] gibt es dieses Sommer wieder | |
Live-Musik. Ein Highlight wartet am nächsten Freitag (23. 7.) in Gestalt | |
des bemerkenswerten Schlagzeugers Craig Holiday Haynes – Sohn der | |
Jazz-Legende Roy Haynes, der Billie Holiday mit dem Mittelnamen seines Sohn | |
Tribut zollte. Unter anderem mit dem Sun Ra Orchestra spielte Craig Holiday | |
Haynes. | |
16 Jul 2021 | |
## LINKS | |
[1] http://www.hkw.de/de/programm/projekte/2021/21_sunsets/start.php | |
[2] /Erstes-Album-von-Ozan-Ata-Canani/!5770143 | |
[3] http://www.hkw.de | |
[4] https://amstart-vorverkauf.tickettoaster.de/produkte/34419-tickets-nichtsea… | |
[5] https://www.zku-berlin.org/de/timeline/picnic-fm-2021/ | |
[6] https://quasimodo.de/ | |
## AUTOREN | |
Stephanie Grimm | |
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