# taz.de -- Klimapolitik und Mobilität: Mit dem Auto das Klima schützen | |
> Die Chance für eine bessere Klimapolitik ist da. Die konkreten | |
> Auswirkungen müssen den Menschen nur nachvollziehbar erklärt werden. | |
Bild: Stau auf der A40. Immer noch gilt: lieber mit dem Auto statt mit der Bahn | |
Wie konnte das so schiefgehen? Bei der Sonntagsfrage von Forsa hatten die | |
[1][CDU/CSU Anfang April Zustimmungswerte von 21 Prozent und die Grünen 28 | |
Prozent]. Drei Monate später lagen die CDU/CSU bei 30 Prozent und die | |
Grünen bei 19 Prozent. Sicher, ein Teil des Absturzes geht auf das Konto | |
des [2][gescheiterten Baerbock-Buchs]. Doch Buch und Lebenslauf erklären | |
nicht alles. | |
Dabei ist der politische Gegner Armin Laschet eher oberflächlich, verkündet | |
Pyrrhussiege und ändert seine Meinung öfters schon mal. Beispiel: Das | |
verunglückte WDR-Interview mit [3][Susanne Wieseler], der er am Tag der | |
Hochwasserkatastrophe sagte, dass man wegen eines Ereignisses an einem Tag | |
seine Politik doch nicht ändere. Sein Bundesland NRW steht weit schlechter | |
da, als er es anpreist. | |
Eine groß angekündigte Ruhrkonferenz sollte den Aufbruch für das Ruhrgebiet | |
auslösen und hat sich in kleinteilige Projektgrüppchen zerlegt. Die | |
[4][Olympia-Bewerbung von NRW] ist ein Scherbenhaufen. Das von ihm selbst | |
ausgerufene Elektromobilitätsland NRW läuft hinterher. Der Aachener | |
Hochschullehrer und Rotary-Freund [5][Günter Schuh] hatte mit viel Trara | |
und Landesgeldern erst den Streetscooter, dann den e.go und dann Pläne | |
einer Batteriezellenfabrik aus der Taufe gehoben. | |
Es waren die Vorzeigeprojekte für Laschet, auf die er mächtig stolz war. | |
Übrig geblieben ist davon so gut wie nichts. Immer wieder hatte die | |
Laschet-Mannschaft versucht, Batteriezellfabriken in NRW anzusiedeln, aber | |
weder Tesla, noch CATL, noch sVolt, noch Farasis, noch Northvolt oder | |
Stellantis bauen Zellen in NRW. Sie haben sich für Grünheide, Erfurt, das | |
Saarland, Bitterfeld, Salzgitter und Kaiserslautern entschieden. | |
## Elektroautoland NRW blieb Illusion | |
Die anderen waren erfolgreich, nur das von Armin Laschet ausgerufene | |
Elektroautoland NRW ist gescheitert. Zufall? Noch im Herbst 2019 war | |
[6][„Fridays for Future“] für Laschet eine Schülerbewegung. Wenig ehrlich | |
erklärte er bei der [7][Flutkatastrophe] NRW zum Klimaschutz-Vorreiterland. | |
Im Ländervergleich hat NRW im letzten Jahr 25 Millionen Tonnen weniger CO2 | |
ausgestoßen. Das entspricht einem Drittel des CO2-Rückgangs in Deutschland. | |
Was Laschet verschweigt: | |
NRW stößt dreimal so viel aus wie etwa Bayern oder Baden-Württemberg und | |
pro Einwohner das Doppelte von beiden Bundesländern. Ein Großteil der | |
Einsparung ist das Ergebnis der Abschaltung der Steinkohlekraftwerke. Damit | |
hat Laschet wirklich nichts zu tun. Die Verdienste gehen zurück bis auf den | |
früheren Bundeswirtschaftsminister Werner Müller und Ex-Kanzler Gerd | |
Schröder. Gern schmückt sich Laschet mit dem Kohleausstieg. Tatsächlich hat | |
NRW den schnelleren Ausstieg mit verhindert. | |
Oberflächlich, sprunghaft und fadenscheinig prangert Laschet [8][geplante | |
Benzinpreiserhöhungen der Grünen] an. Dabei weiß er genau, dass die | |
CO2-Besteuerung in Berlin beschlossen wurde. Immerhin erklärt er höhere | |
Treibstoffsteuern für notwendig, aber den Billigflug nach Mallorca | |
definiert er als eine Art Grundrecht. Jeder müsse sich schließlich den | |
jährlichen Mallorca-Flug leisten können. Warum also verlieren die Grünen im | |
Wettkampf mit Armin Laschet? | |
Das grüne Wahlprogramm ist ehrgeizig. Aber was bedeutet es für Otto | |
Mustermann, wenn seine Lebenshaltungskosten mit erhöhten CO2-Preisen | |
beängstigend steigen? Das Schlagwort Energiegeld soll es richten. Aber was | |
konkret erhält Mustermann? Allgemeine Aussagen wirken bei staatlichen | |
Abgaben wenig glaubhaft. Dazu kamen die unglücklich verkürzten Interviews, | |
bei denen die Steuer hängen blieb, das Energiegeld aber unter den Tisch | |
fiel. Ähnlich zum Verbot der Inlandsflüge. | |
## Gegen 48 Millionen Autobesitzer ist nicht zu gewinnen | |
Es macht Sinn, nicht die ganze Welt in einem Satz zu erklären, sondern eine | |
Sache in den konkreten Auswirkungen für den Einzelnen nachvollziehbar zu | |
machen. Was erwartet die Autobesitzer von einer grünen Kanzlerin? Es ist | |
unmöglich, eine Wahl gegen 48 Millionen Autobesitzer gewinnen. Sicher macht | |
es Sinn, Radwege auszubauen. Das unterstützen alle. Sicher muss man die | |
Bahn verbessern. Aber jetzt alles auf die Bahn setzen? Das Klimaproblem | |
wird dadurch nicht gelöst. | |
Bisher sind Autofahrer von der Bahn wenig begeistert. Wer im Ruhrgebiet | |
Bahn fährt, braucht gute Nerven und ein gefülltes Portemonnaie. Nicht ohne | |
Grund stehen die Menschen lieber im Stau auf der A40. Und die | |
Bahnversprechen sind so alt wie die Republik. Die Hochwasser haben gezeigt, | |
dass es beim Klimawandel fünf nach zwölf statt fünf vor zwölf ist. Alle | |
sind überzeugt, dass wir deutlich mehr tun müssen. | |
Alle, außer dem Kanzlerkandidaten der CDU/CSU, der in TV-Interviews | |
verkündet, dass NRW schon viel macht und wir an die Arbeitsplätze denken | |
müssen. Die Chance für eine bessere Klimapolitik ist da. Wir müssen es den | |
Menschen nur sauber erklären und nicht 48 Millionen Dinge wegnehmen, die | |
ihnen wertvoll sind. Mit dem vollelektrischen Auto haben wir die Technik. | |
Mittlerweile ist das Angebot groß, die Fahrzeuge sind alltagstauglich, die | |
Preise mit den Förderungen fast auf Verbrennerniveau. Sämtliche Risiken, | |
wie Einbußen beim Wiederverkauf oder nicht geplante Reparaturen, lassen | |
sich mit dem Auto-Abo ausschließen. Alle Voraussetzungen sind erfüllt, um | |
ausschließlich abgasfreie Neuwagen zu verkaufen. Was würde passieren, wenn | |
wir den Preis für Benzin und Diesel einfach verdoppeln, also auf 3 Euro | |
statt 1,50 pro Liter Super erhöhen? | |
Drohte dann eine [9][Gelbwestenrevolte wie in Frankreich]? Nein, dieses | |
Drohpotenzial kann neutralisiert werden. Die Lösung: Wer heute ein Auto mit | |
Verbrennungsmotor besitzt, bekommt die zusätzliche Treibstoffsteuer | |
zurückerstattet, genießt also Bestandsschutz. Wer sich aber ein neues | |
Benzin- oder Dieselauto kauft, bezahlt den vollen Spritpreis. Als beste | |
Wahl bliebe dann nur das Elektroauto – und zwar ohne komplizierte | |
Bonus-Malus-Rechenspielchen bei der Kfz-Steuer. Die Chancen für die Grünen | |
sind da. Sie müssen sie nur nutzen. | |
25 Jul 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://www.zeit.de/politik/deutschland/2021-04/forsa-umfrage-gruene-ueberh… | |
[2] /Plagiatsvorwuerfe-gegen-Baerbock/!5779329 | |
[3] https://www.youtube.com/watch?v=SdpCoM9Eyi8 | |
[4] /Olympiabewerbung-von-NRW-2032/!5749538 | |
[5] https://www.rwth-aachen.de/cms/root/Die-RWTH/Kontakt-Anreise/Kontakt/~bdfr/… | |
[6] /Schwerpunkt-Fridays-For-Future/!t5571786 | |
[7] /PolitikerInnen-im-Fluteinsatz/!5781625 | |
[8] /Polemik-in-Benzinpreis-Debatte/!5773283 | |
[9] /Proteste-in-Frankreich/!5713810 | |
## AUTOREN | |
Ferdinand Dudenhöffer | |
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