# taz.de -- Nachhaltige Mode: Tüll vor wolkenreichem Himmel | |
> Im Frankfurter Kunstverein Familie Montez kommen die Malerei Philipp | |
> Schweigers und Mode von Nina Hollein zusammen. Gehören Mode und Kunst | |
> zusammen? | |
Bild: Nina Hollein und ihre „Suit Up“-Kollektion mit großformatigen Malere… | |
Symbiosen aus Mode und Kunst sind gut belegt. Nur ist es derzeit meist eher | |
die Kunst, die in Mode-Sphären vordringt – in Form von Kollaborationen, was | |
offenbar für beide Seiten attraktiv ist, nicht zuletzt für den | |
Coolness-Gewinn vieler Modehäuser und -labels. | |
Doch hier gilt das umgekehrte Prinzip: Wo die gerade nach Frankfurt | |
verlegte Fashion Week pandemiebedingt [1][fast ausschließlich digital | |
stattfindet,] bietet der Kunstverein Familie Montez gerade eine der raren | |
Gelegenheiten, neue Mode im realen Raum anzusehen. Und Malerei obendrein. | |
„Palindrome“ heißt die Kunst- und Modenschau, die Nina Holleins „Suit | |
Up“-Kollektion mit großformatigen Leinwänden von Philipp Schweiger | |
zusammenbringt. | |
Vereinsmitbegründer Mirek Macke, der einst bei [2][Hermann Nitsch] an der | |
Städelschule studierte und inzwischen einen ähnlichen Rauschebart wie der | |
österreichische Orgien-Mysterien-Theatermacher trägt, hat die beiden | |
Zwillingsgeschwister in den Off-Space eingeladen, der nach dem erzwungenen | |
Auszug aus Abrissräumen nun dauerhaft unter der Honsellbrücke Quartier | |
bezogen hat. | |
Macke bewundert die Kreationen von Hollein, die er noch aus deren | |
Frankfurt-Zeit kennt, bevor sie vor fünf Jahren mit ihrer Familie in die | |
USA zog. Für die Facebookseite des Kunstvereins trägt er selbst Nina | |
Hollein, ein transparentes Kleid mit gigantisch schwingenden Säumen und | |
Trompetenärmeln. | |
## Aus Anzugjacken werden Röcke und Kleider | |
Der Ausstellungstitel ließe sich auch gut als Holleins Arbeitsprinzip | |
verstehen – ihre Mode ist drunter & drüber, durch Reißverschlüsse oder | |
Bindungen oft multifunktional und teils in einer gewissen Größenspanne | |
tragbar; männlich konnotierte Anzugjacken werden zu weiblich konnotierten | |
Röcken und Kleidern. | |
Verwertet, was übrig bleibt, hat die gebürtige Architektin früher schon. | |
Aus Tüllresten wurden transparente Oberteile, die sie in ihrem Frankfurter | |
Ladengeschäft verkaufte. Hinzu kamen grobe Karostoffe aus dem | |
österreichischen Mühlviertel, ursprünglich für Laken und andere | |
Gebrauchstextilien eingesetzt, die sie erst zu praktischer Kindermode und | |
später auch zu Kleidung für Erwachsene umgestaltete. | |
Für ihre Kollektion im Kunstverein hat Hollein nun unter anderem auch auf | |
den eigenen Familienfundus zurückgegriffen. Nichts, sagt die Designerin, | |
sei neu gekauft worden. Ein Meer aus weißen Hemdresten stellt die Bühne, | |
Utility- und Anzug-Stoffe samt Knöpfen und Kragen werden zum Material für | |
neue Entwürfe. | |
## Stücke erinnern an japanische Modeschöpfer | |
Selbst wetterfeste Steppdaunen schneidert sie zu zarten Röcken, mit | |
allerdings ziemlich skulpturalen Qualitäten. Stellenweise erinnert das ein | |
wenig an die großen japanischen Modeschöpfer, die mit einer ähnlichen | |
Noblesse Schnitte kreuz und quer verlegen und Nähte offen darbieten. | |
„Undercover“ beispielsweise zeigte 2006/2007 Stücke, die aus mehrfach um | |
ihre Trägerin gewickelten Anzugresten bestanden. Hinzu kommen, siehe Mackes | |
Facebook-Beitrag, ebenso wandelbare Chiffon-Kleider. | |
Apropos Tragbarkeit: Auch die Designerin selbst trägt gern Nina Hollein; | |
besonders extravagante Kreationen zum Beispiel zur Eröffnung der jährlichen | |
Met-Gala, an der Seite von Ehemann Max Hollein, der seit 2018 Direktor des | |
austragenden Metropolitan Museum of Art ist. | |
Wörtlich eingerahmt wird die Mode von Philipp Schweigers Malereien, die | |
entfernt an einen wolkenverhangenen Himmel oder an sich auflösende | |
Vergrößerungen grün-gräulicher Naturbilder erinnern. Sicher in die | |
abstrakte oder figürliche Schublade einsortieren lassen sich die Gemälde | |
des ausgebildeten Bildhauers, der [3][bei Tony Cragg in Düsseldorf] | |
studierte, nicht. | |
Ungleiches Doppel oder natürliche Symbiose? Um Hierarchien zwischen beiden | |
Medien muss man sich an diesem Präsentationsort glücklicherweise weniger | |
Gedanken machen. Sagt eine ältere Besucherin, offenbar Stammgast im Montez, | |
vom Seitenrand anerkennend zu ihrer Freundin: „Ach, ich betrachte das hier | |
eh alles als Kunst.“ | |
6 Jul 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Berlin-Fashion-Week-diesmal-nur-digital/!5741657 | |
[2] /Albertina-modern-bleibt-noch-zu/!5668522 | |
[3] /Neuer-Skulpturenpark-in-Brandenburg/!5692695 | |
## AUTOREN | |
Katharina J. Cichosch | |
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