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# taz.de -- Kunsthochschule Weißensee stellt aus: Wie Lockdown in schick
> In der „PLATTE“ zeigen Mode-Design-Studierende ihre Abschlussarbeiten.
> Eine davon setzt sich kreativ gegen weibliche Genitalverstümmelung ein.
Bild: Designer Damian Ohl arbeitet mit ehemaligen Beschneiderinnen aus Sierra L…
Knapp zwei Monaten ist es her, da eröffnete unweit des Alexanderplatzes
Berlins erstes interdisziplinäres Modehaus. Die „PLATTE“, wie sich der
Projektraum nach dem Plattenbau nennt, in dem er untergebracht ist, soll
ein Ort für Kooperationen und Begegnungen sein. Gefördert von den Bezirken
Mitte und Pankow, können lokale Modeschaffende hier ihre Ideen umsetzen und
die Räumlichkeiten für Events, Pop-ups oder Ausstellungen nutzen.
So auch „seefashion21“, die aktuelle Schau, die in der „PLATTE“ gastier…
In ihr zeigen Absolvierende des Fachgebiets Mode-Design der weissensee
kunsthochschule berlin Auszüge ihrer Abschlussarbeiten aus den Coronajahren
2020/21. Unter dem Gemeinschaftstitel „head over heels“ vereinen sich
modische Kreationen, die unter den besonderen Umständen der Pandemie
entstanden sind.
„Sehnsüchte nach Freiheit, Erneuerung und Veränderung in einer auf dem Kopf
stehenden Welt“ galten den Jungdesigner*innen als Inspiration, heißt
es in der Ankündigung. Und tatsächlich lassen sich diese Sehnsüchte schon
durch die Namen einzelner Kollektionen erahnen: „A Rather Complex
Situation“ (Greta Linkogel), „traveling alone“ (Laura Valentine), „SAFE
SOCIALIZING“ (Nicolas Mezes) oder „waiting for changes“ (Aleftina
Karasyova).
Eigentlich seien sie 22 Absolvent*innen des Bachelor- und
Masterstudiengangs, erzählt Damian Ohl, einer der angehenden
Modedesigner*innen. Da sie aber sehr kurzfristig angefragt wurden, hier
auszustellen, hätten nicht alle dabei sein können. „Ich bin erstaunt, dass
wir es überhaupt innerhalb von einer Woche geschafft haben, das hier auf
die Beine zu stellen“, sagt Ohl.
„Das hier“ sieht für eine derart kurzfristige Komposition erstaunlich
professionell aus: Kleidungsstücke hängen quer durch den schwarzverhängten
Raum an Strippen, Kleiderbügeln oder von innen leuchtenden Torsos. Ein
bisschen erinnert die Szenerie an ein Bild des Modefotografen Tim Walker,
der für „The Dress Lamp Tree“ beleuchtete Kleider in einen Baum hängte.
Weniger Tüll als auf Walkers Fotografie ist zu sehen, dafür mehr Seide,
Stickereien, Netzspitze und recyceltes Polyester.
## Pandemie hatte Auswirkungen auf Kleidungsstücke
Wie an den Kollektionsnamen ist auch an den Designs selbst zu erkennen,
welche Auswirkungen die Pandemie und das beständige Zuhausebleiben auf die
jungen Kreativen hatte. So sind viele der Kleidungsstücke großzügig
geschnitten und wirken trotz aufwendiger Materialien gemütlich.
Ihre Kollektion „IN CONSTANT FLUX“ inszeniert Ronja Stucke in einem kurzen
Video, das neben anderen auf einer Leinwand im Ausstellungsraum läuft. In
ihm trägt das androgyne Model mal einen Anzug in grellem Grün mit schwarzem
Spitzeneinsatz, mal Tweetjackets und -westen, kombiniert mit Teilen aus
Chiffon und Kordsamt.
Ein wenig erinnern Stuckes geschlechtsneutrale Designs [1][an David Bowies
Anfang der Siebziger kreierte Kunstfigur Ziggy Stardust.] Gefilmt wurde in
einem Apartment, wo sich das Model mal auf dem Sofa räkelt, auf einem
Sessel lümmelt oder die Welt da draußen vom Fenster aus beobachtet. All das
erinnert an die unzähligen Lockdowns, die konstant dahinfließenden Stunden
und Tage – nur in deutlich schickeren Klamotten.
Am wenigsten Spuren scheint die Pandemie bei Damian Ohls
Abschlusskollektion hinterlassen zu haben. Das mag auch daran liegen, dass
seine Entwürfe bereits 2019 bei einem Projekt in Sierra Leone entstanden.
Grelle Farben, auffällige Muster und asymmetrische Schnitte bestimmen Ohls
Kollektion „Bondo“. Auch der Name hat keinen pandemischen Bezug: Bondos
sind geheime Frauenbünde. Um in sie aufgenommen zu werden, [2][werden junge
Frauen und Mädchen von älteren Mitgliedern beschnitten.]
## Ehemalige Beschneiderinnen aus Sierra Leone beteiligt
Ohl arbeitete mit solchen ehemaligen Beschneiderinnen in einem
Aufbauprojekt zusammen, das den Frauen ermöglichte, eine Ausbildung in
einer Schneiderei zu absolvieren – vorausgesetzt, sie beteiligten sich
nicht mehr an den grauenvollen Ritualen der Genitalverstümmelung.
Auf der Webseite der Kunsthochschule heißt es zu Ohls Kollektion „[Sie]
erzählt die Geschichten der Frauen und versucht einem europäischen Publikum
mittels gestalterischer Zitate die Signifikanz von Bondo näher zu bringen.“
Hierfür hat Ohl westeuropäische und westafrikanische Textilien, Muster
sowie Techniken vermischt und seine Stücke vor Ort produziert.
Entstehung und Hintergründe der einzelnen Projekte werden zum Abschluss von
„seefashion21“ am 13. Juli zu sehen sein. Unweit der „PLATTE“ – im Ha…
Statistik – führen alle 22 Absolvent*innen dann ihre Abschlussarbeiten
vor, pandemiebedingt nicht in Form der üblichen Modeschau, sondern als
hybride Filmvorführung.
9 Jul 2021
## LINKS
[1] /Compilation-zur-Berlin-Zeit-von-Bowie-und-Pop/!5741652
[2] /Studie-ueber-Daemonisierung-von-Frauen/!5711214
## AUTOREN
Sophia Zessnik
## TAGS
Mode
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Weißensee
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Schwerpunkt Coronavirus
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