# taz.de -- Queere Filmreihe im Haus der Statistik: Filmkunst als Waffe der Ver… | |
> Das Sinema Transtopia, liebevoll vom bi'bak Projektraum im Haus der | |
> Statistik eingerichtet, öffnet wieder. Los geht es mit „Imagining Queer | |
> Bandung“. | |
Bild: Filmstill aus „My Name is Untac „ (Vana Hem, Kambodscha 2012, 13 Mi… | |
Filme nicht nur einfach wegkonsumieren, sondern sich mit ihnen intensiv | |
beschäftigen, sie als Lehrmittel zu begreifen, das hat das [1][Kollektiv | |
bi’bak], was auf Türkisch so viel heißt wie “Schau mal“, im Sinn. Seit | |
September letzten Jahres zeigt es am [2][Haus der Stastik] im Rahmen von | |
“Sinema Transtopia“ Filme, die anschließend als Teil der Vorstellung auch | |
diskutiert werden. Nach der langen Kinopause durch die Pandemie ist “Sinema | |
Transtopia“ jetzt wieder da als Open-Air-Kino und wird bis Ende August | |
verschiedene Filmreihen präsentieren. | |
“Sinema Transtopia“ versteht sich als “transnationaler Raum für Filmkult… | |
Wissen und Nachbarschaft“, heißt es in einer Selbstbeschreibung, und man | |
wolle “marginalisiertes Wissen“ vermitteln. Dafür hat man vor allem People | |
of color gewinnen können, die Reihen zu kuratieren. Der Anspruch ist, von | |
Unterdrückung, negativen kapitalistischen Auswüchsen, intersektionalem | |
Rassismus und Sexismus, aber auch von Freiheitskämpfen aus den diversesten | |
Perspektiven erzählen zu lassen. | |
Dafür sind Kurz- genauso recht wie Langfilme. Es werden Dokumentationen | |
gezeigt, aber auch Filme, die für die Kunstgalerie gemacht wurden. Ein | |
politisch engagierteres Filmprogramm als bei “Sinema Transtopia“ wird man | |
in Berlin jedenfalls nirgendwo finden. | |
## Neustart mit Queer Cinema | |
Los geht der Neustart mit der Reihe “Imagining Queer Bandung“, kuratiert | |
von Sarnt Utamachote, Popo Fan und Ragil Huda, in der queere Standpunkte | |
mit Fragen rund um “Race“ verknüft werden. Wie etwa in dem | |
kambodschanischen Kurzfilm “My Name’s Untac“ von Vana Hem aus dem Jahr | |
2012. In der Doku wird Ladyboy Untac portraitiert, der davon erzählt, wie | |
er als trans Person diskriminiert wurde. Aber was für ihn noch schlimmer | |
war: eine andere Hautfarbe als die anderen zu haben. Denn Untac ist | |
Afro-Kambodschaner:in, der Vater kommt aus Ghana. | |
Man sieht Untac beim Wäsche aufhängen, in seinem ganz normalen Alltag, und | |
wie er davon berichtet, sich lange aufgrund von internalisiertem Rassismus | |
selbst gehasst zu haben. Man erlebt aber gleichzeitig einen Menschen, der | |
es geschafft hat, sich aus dem Geflecht an Diskriminierungen weitestgehend | |
selbst zu befreien. Untac tritt inzwischen auf bei Drag-Shows, bei denen er | |
es genießt, noch einmal ein Stück weit anders auszusehen als die anderen. | |
Ja, Untac findet sich inzwischen genauso ansehnlich wie die die anderen | |
auch. | |
## Klassiker von Marlon T. Riggs | |
In eine ähnliche Stroßrichtung geht der eindrucksvoll kunstvolle, nach | |
Edith Piafs Selbstbehauptungshymne benannte Aidsaktivismus-Klassiker “Non, | |
je ne regrette rien (no regret)“ von Marlon T. Riggs aus dem Jahr 1992. | |
Auch hier wird viel von Scham und Diskriminierung berichtet. Davon, was man | |
als queerer Mensch oft zu erdulden hat, erst recht, wenn man HIV-positiv | |
ist, aber auch als PoC. Doch am Ende steht auch hier Stolz und die klare | |
Aussage, sich nicht unterkriegen zu lassen. | |
Die Dokumentation, die raffiniert Gospelmusik und Poetry in die Erzählungen | |
fünf Schwarzer Männer verwebt, die allesamt HIV-positiv sind, führt zurück | |
in eine Zeit, in der in den USA noch ein weit stigmatisierender Umgang mit | |
der Krankheit vorherrschte. Aids war noch weit tödlicher als heute, Aids | |
galt als die „Schwulenseuche“ und die Portraitierten berichten davon, wie | |
sie mit den Schamgefühlen zu kämpfen hatten, die ihnen von der Gesellschaft | |
eingetrichtert wurden. Einfach nur, weil sie sich unglücklicherweise mit | |
dem Virus infiziert hatten. Sie werden gemieden als Schwule, Kranke und | |
dann auch noch als Schwarze. | |
Die eingestreute Gospelmusik, in der die Unterdrückungt der Afroamerikaner | |
in den USA besungen wird, sorgt in besonderem Maße dafür, intersektionale | |
Diskriminierung spürbar werden zu lassen. Doch am Ende des Films sagt dann | |
einer der Männer: Ja, er ist krank. Aber er habe den feinsten Sex gehabt, | |
überall, und er habe jede Sekunde davon genossen. Deswegen ein stolzes: | |
“Non, je ne regrette rien“. | |
“Imagining Queer Bandung“ soll gesellschaftliche Diskurse neu anstoßen oder | |
fortführen und will Filmkunst als Waffe im Kampf für Veränderungen | |
einsetzen. Man kann dieser sehr besonderen Reihe nur ein großes Publikum | |
wünschen. | |
25 Jun 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://bi-bak.de/ | |
[2] https://hausderstatistik.org/ | |
## AUTOREN | |
Andreas Hartmann | |
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