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# taz.de -- Kinotipp der Woche: Bilder, die Grenzen sprengen
> Kino total: die zusammen mit dem Arsenal kuratierte Reihe „21 Archives“
> auf der Dachterrasse des HKW präsentiert Filme jenseits von Arthouse.
Bild: 100 Minuten Himmel: „Ten Skies“ (2004, Regie: James Benning)
Blauer Himmel, kaum Wolken. Dann: richtig viele Wolken am nicht mehr ganz
so blauen Himmel. Bedrohlich wirkende Wolken vielleicht sogar (könnte da
etwa ein Gewitter aufziehen?). Später noch: Schäfchenwolken am Firmament,
Quellwolken, alle erdenklichen Formationen in der Atmosphäre sind mit
dabei. Und all diese Wolken hängen ja nicht einfach nur am Himmel. Sie
bewegen und verändern sich permanent.
Wer also glaubt, in [1][James Bennings Film “Ten Skies“], der 100 Minuten
lang wirklich nichts anderes zeigt als den Himmel über dem Garten des
Regisseurs in Südkalifornien, passiert ja wirklich rein gar nichts, der
irrt sich gewaltig. In gewisser Weise ist dieser pure und reine Naturfilm
ein echter Action-Streifen. Hier ist ständig was los und alles im Fluss.
Man muss halt nur genau hinschauen. Und spannend ist er streckenweise
außerdem: kommt dieses verdammte Gewitter nun endlich oder kommt es nicht?
James Bennings Minimalismus- und Konzeptfilm-Klassiker aus dem Jahr 2004
lässt sich natürlich imaginär auch leicht selbst nachdrehen. Der Himmel
über Berlin mag nicht ganz so spektakulär erscheinen wie der auf dem Land
in Kalifornien (obwohl: gerade wirkt er auch ganz schön bedrohlich).
Trotzdem: ein Blick raus aus dem Fenster, nach oben gerichtet, zehn Minuten
lang, und man hat bereits ein okayes Reenactment einer Episode aus “Ten
Skies“. Dann am nächsten Tag noch einmal und nach einer guten Woche hat man
den ganzen Film vor seinem geistigen Auge nachgekurbelt.
## Ein klein wenig aufregend
Und dieser New-Age-Touch des Films, diese Handlungsempfehlung, einfach mal
wieder nur den Himmel zu betrachten, ist wirklich auch ganz schön und, nun
ja, erweitert den Horizont. Etwas vermeintlich komplett Langweiliges kann
auch zumindest ein klein wenig aufregend sein.
Oder man versucht, sich in die Gallier aus den “Asterix“-Comics
hineinzuversetzen. Die haben bekanntlich Angst davor, dass ihnen der Himmel
auf den Kopf fallen könnte. Aus Gallier-Perspektive könnte die
Wolken-Betrachtung wirken wie eine Art Horrorfilm.
“Ten Skies“ ist einer der Filme, [2][die im Rahmen des Kunst- und
Kultur-Festivals “21 Sunsets“] auf der Dachterasse des HKW gezeigt werden.
Einen Monat lang bis Mitte August [3][wird es dort Lesungen, Konzerte und
eben Kino] geben. Das Filmprogramm firmiert unter dem Namen “21 Archives“
und wurde zusammen mit dem Arsenal kuratiert.
Geboten werden Lang- aber auch sehr viele Kurzfilme. Ihr gemeinsames
Merkmal ist, dass sie weit über das hinausgehen, was man landläufig unter
Arthouse-Kino versteht. Den hervorragenden Indiefilm, der seine Premiere
beim Sundance-Filmfestival feierte, kann man auch woanders sehen.
## Sperrig und oft seltsam
Hier werden ausschließlich sperrige, unzugängliche und seltsame
Filmkunstwerke gezeigt, die einen gerne auch mal völlig ratlos zurücklassen
dürfen. Die man sich ansieht und vielleicht auch mal komplett nicht
versteht. Die die Grenzen zwischen Dokumentation, Kunst und Filmessay
sprengen. Die Bilder anbieten, zu denen man selbst etwas assoziieren muss,
weil sie aus sich selbst heraus eigentlich nichts erklären.
Guy Maddins Film “[4][The Forbidden Room]“ etwa ist auch so ein Werk, an
dem man schier verzweifeln kann. Eine Story ist nicht auch nur ansatzweise
erkennbar. Stattdessen flackern hier Bilder auf, die so aussehen, als würde
der Filmprojektor gerade seinen Geist aufgeben. Sie verschwimmen, fließen
ineinander, wirken löchrig.
Aber gleichzeitig passiert hier wirklich jede Sekunde etwas Überraschendes.
Im nicht vorhandenen Plot gibt es absurderweise Plot-Twists im Minutentakt.
Wie es Maddin außerdem gelungen ist, internationale Filmstars wie Charlotte
Rampling oder Geraldine Chaplin für seinen genialischen Schabernack zu
gewinnen, das wird sein Geheimnis bleiben. Dass Udo Kier mit von der Partie
ist, wirkt dagegen fast schon logisch.
## Die Kraft der reinen Bilder
Es erwarten einen Seltsamkeiten und kuriose Filmmeditationen, wohin man
auch blickt bei “21 Archives“. In gewisser Weise wird hier Kino total
gezeigt, die Kraft der reinen Bilder, für die es sich wirklich lohnt, nach
all den Lockdowns und dem Streaming-Elend mal wieder ins Kino zu gehen,
auch wenn in diesem Fall das Filmtheater durch eine Terasse im Freien
ersetzt wurde.
“Godzilla vs. Kong“ muss man natürlich auch im Lichtspielhaus sehen. Nur
hier überträgt sich der Kampf der Monster samt Gebrüll wirklich auf den
Zuschauer. “Ten Skies“ sollte man unbedingt aber auch auf der großen
Leinwand betrachten. Weil so ein Himmel en miniature und sei er gerade noch
so wolkig, fährt einfach nicht so gut rein wie in Groß.
10 Jul 2021
## LINKS
[1] https://www.hkw.de/de/programm/projekte/veranstaltung/p_183021.php
[2] https://www.hkw.de/de/programm/projekte/2021/21_sunsets/filme_21_sunsets/te…
[3] https://www.hkw.de/de/programm/projekte/2021/21_sunsets/start.php
[4] https://www.hkw.de/de/programm/projekte/veranstaltung/p_183024.php
## AUTOREN
Andreas Hartmann
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