# taz.de -- Schwarze Musikerin über Musikmarkt: „Afropop hat die Welt übern… | |
> Die Kieler Musikerin Adi Amati tritt bei „21 Sunsets“ in Berlin auf. Hier | |
> spricht sie über ihren Umzug nach Accra und über den deutschen | |
> Musikmarkt. | |
Bild: „Als schwarze deutsche Person ist es schwierig, hier Musik zu machen“… | |
taz: Frau Amati, Ihr letztes Album haben Sie in Ghana produziert, jetzt | |
sind Sie auch gerade dort – zu Besuch? | |
Adi Amati: Nein. Ich bin vor drei Monaten aus Berlin nach Ghana gezogen. | |
Ich habe mich in Deutschland nie wohlgefühlt, Corona hat das noch | |
verstärkt. Es läuft hier besser als in Deutschland – ich fühle mich von | |
ganzem Herzen empfangen. | |
Aufgewachsen sind Sie in Kiel, dann sind Sie nach Berlin gezogen. Fühlen | |
Sie sich in Deutschland nicht mehr wohl? | |
Man wird hier einfach nicht als Deutsche gesehen, dementsprechend hatte ich | |
ein Leben am Rande, ich war kein Teil der Gesellschaft. Obwohl es gerade in | |
Berlin eine super Blase gibt. Aber ich wollte das nicht mehr, ich wollte | |
glücklicher sein und akzeptiert werden, ein normales Leben führen. Hier | |
kann ich das. | |
Das ist beschämend. Bedeutet das, dass man sich als PoC nie als Teil einer | |
mehrheitlich weißen Gesellschaft fühlen kann? | |
Ich habe lange gekämpft. Ich habe versucht, an einer Veränderung | |
mitzuwirken. Aber irgendwann habe ich erkannt, dass es nicht in meiner Hand | |
liegt. Die weiße Mehrheitsgesellschaft muss daran etwas ändern, ich kann | |
das nicht erzwingen. Für mich gab es keine andere Lösung, gesellschaftlich | |
– aber auch musikalisch: Als schwarze deutsche Person ist es schwierig, | |
hier Musik zu machen. Auch in der Vergangenheit sind viele schwarze | |
deutsche Künstlerinnen weggegangen, weil sie hier nicht anerkannt wurden – | |
Leute wie Ayo oder Nneka hatten woanders mehr Erfolg. Man hört von | |
Plattenlabels und Bookingagenturen, dass es in Deutschland keine Nachfrage | |
nach schwarzen Künstler:innen gibt. | |
Für Afrodeutsche ist es also schwerer als für internationale schwarze | |
Künstler:innen? Denn der Mainstream wird ja von PoC-Musikerinnen wie | |
Beyoncé oder Cardi B. dominiert. | |
Ja, das ist nur in Deutschland so. In England oder Frankreich, wo es eine | |
größere PoC-Community gibt, ist es anders. In Deutschland möchten Labels | |
lieber eine weiße Person sehen, die Black Music macht. Das macht mir | |
Sorgen. Man fühlt sich ein bisschen weggedrängt. Sogar eine Künstlerin wie | |
Joy Denalane hat nicht den Erfolg oder die Reichweite, die sie haben | |
sollte. | |
Nehmen Künstler wie Grönemeyer oder AnnenMayKantereit ihr einen Platz weg? | |
Es geht nicht ums Wegnehmen. Es geht darum, dass ihr gar kein Platz geboten | |
wird. | |
Würden Sie sagen, Sie haben es aufgegeben, die Gesellschaft zu verändern | |
und das Bewusstsein für strukturellen Rassismus zu erhöhen? | |
Man kann ja nicht sein ganzes Leben lang kämpfen. Ich habe das jahrelang | |
getan, aber irgendwann habe ich verstanden, dass mir mein Leben zu schade | |
dafür ist. Ich bin noch viel in Deutschland, ich mache ja deutsche Musik. | |
Aber irgendwann haben mir die Diskussionen einfach gereicht. | |
Spüren Sie denn trotzdem eine Veränderung? | |
Total. Wir sind richtig krass im Wandel. Aber für mich gehört zum Wandel | |
dazu, dort zu sein, wo ich meine Kraft bekomme, und das ist für mich | |
Afrika. Trotzdem gibt es in Deutschland tolle Vereine, die sich mit diesen | |
Themen beschäftigen und die sehr viel bewirken. Dieser Wandel braucht eben | |
noch Zeit. Man wird sehen, wie langfristig die Gesellschaft mitmacht. | |
Unternehmen hauen gerade überall Plakate mit PoC-Menschen hin, aber auf den | |
Arbeitsplätzen sitzen diese Personen immer noch nicht. | |
Sie treten bald in Berlin bei einer Veranstaltung von Freak de l’Afrique | |
auf, die sich als Antwort auf erlebten Rassismus zum Beispiel im Clubleben | |
gründeten. Wie erreicht man mit solchen Veranstaltungen diejenigen, deren | |
Bewusstsein sich noch verändern muss? | |
Freak de l’Afrique haben mich schon zu sehr vielen Veranstaltungen | |
eingeladen – als Kollektiv von DJs aus der Diaspora machen sie Afropop- und | |
Kulturevents in Deutschland und unterstützen damit die Kultur. Und ich | |
glaube, dass Partys und Kulturveranstaltungen dabei helfen, eine Vielfalt | |
darzustellen. Quasi als Anlaufstelle – erstens wollen wir PoC-Menschen | |
zusammenkommen, aber zweitens wollen auch unsere Freunde und Verwandte | |
diese Vielfalt erleben. | |
Was ist für Sie als Musikerin das Besondere an Afropop? | |
Afropop hat die Welt übernommen! In relativ kurzer Zeit haben | |
Afrobeat-Künstler wie Burna Boy, Davido, Mr Eazi oder Stonebwoy mit ihren | |
Sounds die Massen erreicht. Mein letztes Album ist Afrobeat, aber ich setze | |
mir keine Grenzen, auch nicht sprachlich – ich singe hauptsächlich auf | |
Deutsch, habe aber auch schon Italienisch, Twi und Englisch gesungen – die | |
Hook in meinem Song „Odo Na Ehia“ ist auf Twi, das kam durch eine | |
Kollaboration mit dem ghanaischen Künstler Abochi. Meine Beats sind immer | |
klar, und ich packe Instrumente wie eine Talking Drum oder eine Djembé | |
dazu, um mehr Vibes reinzubekommen, mehr in Richtung Afrobeat zu gehen. | |
Wie gehen Sie bei solchen Kollaborationen mit den unterschiedlichen | |
persönlichen Hintergründen um? | |
Ich bin ein viel gereistes Weltenkind. Mein Vater kommt aus Ghana, meine | |
Mama ist Italienerin, und meine Eltern hatten die erste Jazzkneipe in Kiel, | |
mit vielen Veranstaltungen. Für mich war es nie ein Problem, mich mit | |
Menschen aus anderen Kulturen zu verbinden – und Musik verbindet eh die | |
Menschen. Man spricht die gleiche Sprache. | |
Wann ist für Sie „Cultural Appropriation“ legitim und wann nicht? | |
Man muss im Zusammenspiel etwas kreieren, die Community inkludieren, nicht | |
nur etwas wegnehmen. Der Reggae-Künstler Gentleman zum Beispiel hat immer | |
wieder Kollaborationen in Jamaika gemacht, dort etwas für die Community | |
getan. Und sogar ich als schwarze Person wollte mein Album nicht in | |
Deutschland mit weißen Menschen produzieren, ich wollte es mit den Menschen | |
machen, die es erfunden haben. Das war mir wichtig. | |
16 Jul 2021 | |
## AUTOREN | |
Jenni Zylka | |
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