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# taz.de -- Streit um Berliner Wohnungsmarktpolitik: Halt wohnen, wohnen, wohnen
> Irgendwie muss die Wohnungsfrage doch in den Griff zu kriegen sein:
> Häuser werden gekauft, die Entscheidung zur Enteignung kommt.
Bild: Das liest sich doch wie eine Strategie
Die Mieten sind zu hoch und die Wohnungen zu knapp – darüber herrscht
parteiübergreifend Einigkeit. Für mehr Diskussionen sorgt bekanntlich die
Frage, wie die Mieten langfristig wieder gesenkt werden können. Dass die
wundersamen Kräfte des Marktes für steigende Mieten, nicht aber für mehr
Wohnraum sorgen, mussten viele Berliner Mieter:innen in den letzten
Jahren schmerzlich erfahren. Es braucht also mehr staatliche
Einflussmöglichkeiten, zumindest das scheint Konsens in der Koalition.
Ein Lösungsansatz, der sich in der in letzter Zeit wachsender Beliebtheit
erfreut, ist wieder mehr Wohnungen in den Landesbesitz zu überführen.
Mit der Parole „Wir kaufen uns die Stadt zurück“ rettete
Friedrichshain-Kreuzbergs Baustadtrat Florian Schmidt Hunderte
Mieter:innen vor Verdrängung, indem per Vorkaufsrecht zahlreiche Häuser
Spekulant:innen vor der Nase weggekauft wurden. Nun wurde diese Woche
das erste Mal das Vorkaufsrecht [1][zugunsten eines anderen privaten
Investors] angewandt. Der Grund: Der Senat stellt nicht mehr genug Geld für
den kostspieligen Ankauf zu Marktpreisen bereit.
Umso verwunderlicher ist es, dass die SPD über 2 Milliarden Euro für 20.000
Wohnungen des Wohnungsriesen Vonovia ausgeben will, zumindest wenn der Ende
Mai von Oberbürgermeister Michael Müller eingefädelte Deal aufgeht. [2][In
einem Beschluss am Donnerstag kritisierte die Linke] den Kaufpreis als zu
hoch und forderte, das Abgeordnetenhaus möge doch wenigstens über den Kauf
entscheiden.
Über die eigentlichen Beweggründe des Müller-Vonovia-Deals lässt sich
spekulieren, deutlich wird aber, dass der Senat keine Strategie hat, wie er
die Wohnraumversorgung langfristig politisch gestalten will: Ein bisschen
Vorkauf hier, ein bisschen Mietendeckel da, und am besten Neubau, egal ob
privat, kommunal oder genossenschaftlich. Man muss kein Hellseher sein, um
zu ahnen, dass dieses Herumgeeiere in den nächsten 10 bis 20 Jahren wenig
Früchte tragen wird. Im Gegenteil, wer garantiert, dass die heute teuer
angekauften Wohnungen nicht wieder verscherbelt werden, sobald Berlin
wieder mal pleite ist?
Weitsichtiger als die Landespolitik ist hingegen das Volksbegehren Deutsche
Wohnen & Co enteignen, dem am [3][Donnerstag offiziell bestätigt wurde],
dass die benötige Zahl an Unterschriften erreicht wurde. Denn neben der
Forderung nach Vergesellschaftung wird hier genau diese langfristige
Strategie geliefert. Es ist ein radikaler, aber gangbarer Weg, große Teile
des Wohnungsbestandes in die öffentliche Hand zu überführen, ohne sich als
Stadt bis zur Handlungsunfähigkeit zu verschulden. Garantieren soll das
kein landeseigenes Unternehmen, sondern eine Anstalt des öffentlichen
Rechts, die im Gegensatz zu den Landeseigenen nicht profitorientiert
arbeiten muss.
Ob Enteignung nun wirklich der Königsweg ist, das „Recht auf Wohnen“ in
Berlin langfristig zu gewährleisten, darüber ließe sich vortrefflich
diskutieren. Wird es aber leider viel zu wenig. Schade eigentlich, denn der
Volksentscheid wäre schon ein Erfolg, wenn die Gegner:innen anstatt
Ängste zu schüren, konstruktive Gegenkonzepte entwickeln würden.
3 Jul 2021
## LINKS
[1] /Vorkaufsrecht-in-Berlin/!5779324
[2] /Wohnungsdeal-der-SPD-in-Berlin/!5783746
[3] /Volksbegehren-Deutsche-Wohnen-Enteignen/!5783725
## AUTOREN
Jonas Wahmkow
## TAGS
Wohnungsbaugesellschaften
Wochenkommentar
Michael Müller
Deutsche Wohnen & Co enteignen
Die Linke Berlin
Schwerpunkt Wahlen in Berlin
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Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin
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Deutsche Wohnen & Co enteignen
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