# taz.de -- Wurm von Künsterlin Anne Duk Hee Jordan: Der Wurm in uns – und w… | |
> Bei der Künstlerin Anne Duk Hee Jordan in der Urania erkunden | |
> Besucher:innen das Innere eines Wurms. Der ist deutlich farbenfroher | |
> als gedacht. | |
Bild: Anne Duk Hee Jordan, Clam Extravaganza | |
Man hat sich das Innere eines Wurms eigentlich anders vorgestellt; nasser, | |
enger und auf jeden Fall weniger bunt. In [1][Anne Duk Hee Jordan]s | |
Ausstellung „Der Wurm. Terrestrisch, fantastisch und nass“ in der Urania | |
Berlin läuft die Besucherin auf jeden Fall direkt hinein in den Wurm’schen | |
Verdauungstrakt. | |
Der präsentiert sich als visuelles und auditives Erfahrungsfeld: Mit | |
Taschenlampen erkundet man den dunklen Raum, strahlt neonfarbene Objekte | |
an, die ihre volle Farbpracht erst dann offenbaren. Minutenlang kann man so | |
etwa vor der „Clam Extravaganza“ stehen, die aus Schaum und Gips gefertigt | |
wirklich vom Meeresboden zu sprechen scheint und wie eine Koralle aussieht, | |
auf der verschiedene Organismen gedeihen. | |
Überall sind kleine Fäden aus Schwarzlicht verarbeitet, das Innere der | |
„Clam“ leuchtet in Textmarkerfarben, orange, grün und gelb. Das Meer | |
scheint für die in Berlin lebende Künstlerin ohnehin von Bedeutung zu sein, | |
denn Anne Duk Hee Jordan war vor ihrer Künstlerinnenlaufbahn als | |
Tiefseetaucherin aktiv. | |
Neben den Schaumobjekten hängen ballonartige Bakterien von der Decke, die | |
Pili, die kleinen Beinchen, ragen fingernagelgleich in den Raum. Man kann | |
sich nicht ganz entscheiden, ob „Der Wurm“ dadurch eher an [2][Jeff Koons] | |
oder an eine Schwarzlichtminigolfhalle erinnert, auf jeden Fall ist Anne | |
Duk Hee Jordans Ausstellung sicherlich (auch) für Kinder interessant. | |
Erklärt wird der Besucherin hier allerdings nichts; man muss es schon | |
wissen, dass der bunte Vorhang, auf den eine fleischfarbene Öffnung | |
gestickt ist, den Eingang zum Wurminnersten darstellt. Das ist schade, denn | |
die beeindruckende Welt der Würmer, die Anne Duk Hee Jordan ja immerhin zu | |
dieser Ausstellung inspiriert hat, bleibt so im Dunkeln. | |
## Alleskönner ohne Gliedmaßen | |
Der Wurm, so liest man schließlich im Begleitheft, [3][ist vor allem | |
spannend wegen all dem, was er nicht hat:] Augen, Nase, Ohren, Gliedmaßen | |
und Zähne. Trotzdem ist er ein einzigartiger Resonanzkörper, kann | |
Schwingungen wahrnehmen, weite Strecken kriechen und Geschmäcker durch | |
Sinnesknospen in der Mundhöhle und auf der Haut wahrnehmen. | |
Zudem sind Würmer Zwitter; sie besitzen sowohl Hoden als auch Eierstöcke. | |
„Ihr habt den Weg vom Wurme zum Menschen gemacht, und vieles ist in euch | |
noch Wurm“, lässt Friedrich Nietzsche seinen Zarathustra sagen und hat | |
damit auf zwei Weisen recht. Würmer können immerhin höchst verschiedene | |
Wirte haben, leben im Boden, in Tieren und eben auch in uns. | |
Der zweite Raum in Anne Duk Hee Jordans Ausstellung sieht so auch eher nach | |
einem Wurm-Lebensraum aus. Der Rindenmulch auf dem Boden riecht nach | |
Kompostierung, auf Vorhänge aus Fäden werden neonfarbene Videoschnipsel | |
projiziert. Fraglich, warum hier die großen Lautsprecher, aus denen die | |
Soundlandschaft der Berliner Künstlerin Perera Elsewhere klingt, so | |
dominant im Raum stehen müssen und so jegliche Illusion eines organischen | |
Umfelds zerstören. | |
Dabei machen gerade die Klänge auf ein weiteres Lebensumfeld der Würmer | |
aufmerksam. Wasserplätschern deutet an, dass die kleinen Lebewesen auch | |
fernab von Land und Erde gedeihen. Um dorthin zu gelangen, bedienen sie | |
sich einer besonderen Art der Gehirnwäsche. | |
Im Larvenstadium leben etwa Saitenwürmerarten in Grillen. Sind sie genügend | |
gewachsen, reizen sie das Gehirn ihrer Wirte, sodass diese ins Wasser | |
springen. Dabei können Grillen gar nicht schwimmen, ertrinken daher oder | |
werden von Fischen gefressen. Der Wurmparasit ist da schon längst | |
entwischt. Sobald sein Wirt im Wasser zappelt, verlässt er das sterbende | |
Insekt und schlängelt davon. Eier legt er nämlich im Wasser. | |
22 Jul 2021 | |
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## AUTOREN | |
Julia Hubernagel | |
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