# taz.de -- Teilnehmerin über lesbische Datingshow: „Wir haben Reality-TV re… | |
> Wiki war einer der 20 Teilnehmer:innen bei der lesbischen Dating-Show | |
> „Princess Charming“. Hier erzählt sie, wieso sie auch einen | |
> feministischen Bildungsauftrag erfüllte. | |
Bild: Wiki (l.) und Gea (r.) haben revolutionären Spaß | |
taz: Liebe Wiki, du warst eine der zwanzig Teilnehmer:innen von | |
[1][„Princess Charming“, der ersten lesbischen Datingshow weltweit.] Hast | |
du daran teilgenommen, weil du dachtest, dass du dich dort verlieben wirst? | |
Wiki: Nein, gar nicht. Als der Bewerbungszeitraum war, steckten wir gerade | |
mitten in der Pandemie und ich hatte einfach Lust auf ein bisschen Cash, | |
bisschen Urlaub und Alkohol. | |
Und hat es sich wie Urlaub angefühlt? | |
Ja, ich hatte eine richtig tolle Zeit auf Kreta. Die täglichen Interviews | |
waren zwar irgendwann ein bisschen ätzend, aber mein Urlaubsgefühl konnte | |
das nicht stören. Ganz genau wie Urlaub war es natürlich nicht, weil man | |
nicht frei entscheiden durfte, was man tut. Man konnte zum Beispiel nicht | |
einfach das Haus verlassen. | |
Fühlt man sich da nicht eingesperrt? | |
Es geht. Für uns war das Haus eine Art Safe Space, in dem wir uns frei | |
bewegen, machen und sagen konnten, was immer wir wollen. | |
Allerdings ständig beobachtet von Kameras. Vergisst man die irgendwann? | |
Ich auf jeden Fall. Ich kann mich noch an einen Moment erinnern, in dem ich | |
in der Küche war und mich an meiner Vulva gekratzt habe und dann gucke ich | |
nach oben und sehe, dass direkt über mir eine Kamera ist. Es wird wirklich | |
alles gefilmt, auch auf den Toiletten sind Kameras installiert. Aber am | |
Ende vergisst man es und hat einfach eine gute Zeit. | |
Du bist bis in die Top 9 gekommen, warst sechs Folgen dabei und hattest in | |
zwei Gruppendates. Was hast du denn die ganze Zeit gemacht? | |
Ich habe versucht, mich viel zu unterhalten über Themen, die mir wichtig | |
sind. Und ansonsten bin ich meinem Spieltrieb nachgegangen. Wir haben | |
gewrestlet, Wasserschlacht im Pool gemacht, Modeschauen veranstaltet und | |
viel gesungen. Uns wurden sämtliche Geräte abgenommen und auch im Haus gab | |
es keine Technik, das heißt, wenn wir Musik hören wollten, mussten wir | |
selbst welche machen. | |
Hört sich an, als hättest du viel Spaß gehabt. Wieso bist du freiwillig | |
ausgestiegen? | |
Das hatte ich mir im Vorhinein schon als Grenze gesetzt. Wenn ich so lange | |
weiterkomme, bis wir nur noch zehn Kandidat:innen sind und ich noch | |
keine Gefühle für irgendeine Person entwickelt habe, dann verlasse ich die | |
Show. Sonst wäre es unfair denjenigen gegenüber, die schon Emotionen haben. | |
Und so ist es dann auch gekommen. | |
Bei deinem Abschied hast du gesagt, dein Bildungsauftrag sei nun | |
abgeschlossen. Wie lautete der denn? | |
Vor allem wollte ich ich selbst sein und den Zuschauer:innen, also vor | |
allem weiblich gelesenen Menschen, vermitteln, dass sie tun und lassen | |
können, was immer sie wollen. Unabhängig von gesellschaftlichen Normen, die | |
uns vorschreiben wollen, dass wir nicht laut und wild sein dürfen oder dass | |
uns Haare an den Beinen oder unter den Achseln wachsen dürfen. Und das ist | |
mir relativ gut gelungen, denke ich. | |
Ist von deinen politischen Botschaften denn genug in der Sendung | |
dringeblieben? | |
Auf gar keinen Fall. Einerseits ist das verständlich, denn das ganze | |
Filmmaterial muss ja für eine Sendung auf 60 Minuten gekürzt werden. Aber | |
wir haben uns über viele wichtige Themen ausführlich unterhalten, die dann | |
gar nicht in der Sendung vorkommen. Zum Beispiel sexualisierte Gewalt. | |
Dabei wäre es wichtig gewesen, die Show dafür zu nutzen, um auf dieses | |
Thema aufmerksam zu machen. Aber wahrscheinlich war es dem Sender zu | |
unlustig. | |
Eine Szene, die mir sehr in Erinnerung geblieben ist, ist ein Gespräch | |
zwischen euch Kandidat:innen über Genitalpräferenzen und die Frage, ob | |
es transfeindlich ist, wenn Lesben keinen Sex mit einer Person mit Penis | |
haben möchten. | |
Ja, es hat mich sehr gefreut und auch überrascht, dass das Gespräch in der | |
Sendung ausgestrahlt wurde. Denn Transfeindlichkeit ist nicht nur in | |
Heterokreisen, sondern auch unter queeren Menschen leider noch stark | |
verbreitet. Und da kann „„Princess Charming““ dann eben auch Themen | |
aufbringen, mit denen sich viele Menschen vorher wahrscheinlich noch nie | |
auseinandergesetzt haben. | |
Eine Datingshow kann Debatten lostreten? | |
Auf jeden Fall. Obwohl ich es schon schade finde, dass der Fokus sich | |
danach total verschoben hat. Auf einmal wurde nur noch darüber gesprochen, | |
wen und was man nun alles als transfeindlich bezeichnen darf. Cis Menschen | |
fühlen sich auf den Schlips getreten und sagen: Ich bin auf keinen Fall | |
transfeindlich. Dabei ist das doch gar nicht die Frage. Natürlich sind wir | |
alle in einer Gesellschaft aufgewachsen, die trans Menschen feindlich | |
gegenübersteht, und das haben wir verinnerlicht. Wichtig ist doch, dass wir | |
als Gesellschaft diesen Menschen Raum geben, damit sie von sich und ihren | |
Erfahrungen erzählen können. Deswegen wäre es auch wichtig, trans und | |
nicht-binären Personen mehr Sichtbarkeit im Fernsehen zu geben. | |
Reality-TV ist in Deutschland ja als Trash-TV verschrien. Ist das bei | |
„„Princess Charming““ anders? | |
Auf jeden Fall. Ich würde sagen: Wir haben Reality-TV revolutioniert. Wir | |
haben so viel Leidenschaft und Arbeit in diese Sendung gesteckt, damit es | |
zu dem wird, was es geworden ist. Und das Schöne ist, dass es den | |
Zuschauer:innen gefällt. Viele erzählen mir, dass sie beim Zuschauen | |
geweint haben, weil sie so emotional berührt waren. Und ich will mich jetzt | |
nicht damit brüsten, aber wann hat zum letzten Mal jemand ein Gedicht über | |
Coming-outs im Fernsehen vorgetragen und die Zuschauer:innen damit zum | |
Weinen gebracht? „Princess Charming“ hat gezeigt, wie Reality-TV auch sein | |
kann. Dass es auch ohne großes Drama funktioniert. | |
Dass „Princess Charming“ anders sein will, zeigt sich schon in der ersten | |
Folge. Es kommt zu einem gewalttätigen Zusammenstoß, die Szene wird nicht | |
gezeigt, sondern lediglich auf einer eingeblendeten Texttafel erwähnt. Die | |
beiden Kandidatinnen müssen die Show daraufhin sofort verlassen. Danach | |
wirkt alles immer total harmonisch zwischen euch. War es wirklich so? | |
Es war sogar noch harmonischer, als es auf dem Bildschirm aussieht. Denn | |
dieses Konkurrenzdenken, was in der Sendung gezeigt wird, haben wir im Haus | |
gar nicht gespürt. Wir wussten auch nie, dass es irgendwelche Favoritinnen | |
gibt, weil du die ganzen Küsse, die auf den Dates fallen, ja gar nicht | |
siehst. Deswegen war es zwischen uns immer sehr ausgeglichen. | |
Die Sendung ist nun schon eine Zeit lang abgedreht. Wie war es für dich, | |
die Sendung anzuschauen? Du musstest ja doch die Kontrolle abgeben und hast | |
erst jetzt gesehen, wie die Produktion das Material von dir | |
zusammengeschnitten hat. Bist du mit dem Ergebnis zufrieden? | |
Ich stell es mir schon beschissen vor, wenn man dann bei der Ausstrahlung | |
merkt, dass man in eine bestimmte Rolle gepresst wurde, ohne es zu merken. | |
Meine Freundin Kati hat schon eher die Arschkarte gezogen. Was sehr schade | |
ist, denn Kati ist wirklich ’ne Coole, aber es gab dann eben genug | |
negatives Material, um sie nicht so positiv in der Sendung darzustellen. | |
Aber in meinem Fall muss ich sagen, dass ich natürlich nicht mit all meinen | |
Facetten dargestellt wurde, aber das, was von mir gezeigt wurde, das bin | |
schon sehr ich. Ich bin da aber auch von Anfang an entspannt an die Sache | |
rangegangen. Weil ich dachte, je mehr ich mir Gedanken darüber mache, desto | |
unauthentischer wird es dann auch. | |
Das heißt, du bist zufrieden mit deiner ersten Erfahrung im Reality-TV? | |
Auf jeden Fall, es war eine krass gute Erfahrung. Ich habe nicht nur | |
emotional total viel mitnehmen können, sondern habe auch so viele tolle | |
neue Menschen, die jetzt in meinem Leben sind. Ich habe ein bisschen | |
unterschätzt, wie viele Menschen so eine Sendung angucken, und dass ich | |
jetzt halt auch angesprochen werde auf der Straße, im Supermarkt oder in | |
der Bahn. Aber das freut mich natürlich auch. Ich könnte mir gut | |
vorstellen, noch mal bei so einem Format mitzumachen, denn durch „Princess | |
Charming“ bin ich auch an mir selbst gewachsen, und meine | |
Follower:innenzahl bei Instagram ist natürlich auch ziemlich | |
gewachsen. | |
Und was machst du jetzt mit dieser Reichweite? | |
Ich will sie auch weiter für Bildungsarbeit nutzen, das habe ich schon vor | |
der Sendung getan, um auf feministische Themen aufmerksam zu machen und sei | |
zu erklären. Mir ist es wichtig, viele Menschen zu erreichen und ihnen in | |
einfacher Sprache zu erklären, was mir am Herzen liegt. Und je mehr | |
Menschen jetzt Content mitbekommen, der nicht nur daraus besteht, welche | |
Creme man nun morgens, mittags und abends aufträgt, desto besser. | |
19 Jul 2021 | |
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## AUTOREN | |
Carolina Schwarz | |
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