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# taz.de -- Thelma Buabeng über deutsches TV: Keinen Diversity-Zirkus machen
> Das deutsche Fernsehen wird diverser. Für Schauspielerin Thelma Buabeng
> („Five Souls“) braucht es jedoch dringend einen Strukturwandel.
Bild: Thelma Buabeng
Thelma Buabeng ist müde. „Ich habe keine Lust mehr, nur über Rassismus zu
reden. Ich habe doch tausend andere Dinge zu erzählen. Warum lande ich
ständig bei diesem Thema und lasse mich von meiner eigentlichen Arbeit
ablenken?“ Gute Frage. Vielleicht hat es damit zu tun, dass Thelma Buabengs
eigentliche Arbeit aus Schauspielen und Moderieren besteht. Sie ist zu
sehen auf deutschen Theaterbühnen und im deutschen Fernsehen. Orten, an
denen Frauen wie Buabeng, Schwarzen Frauen, üblicherweise zwei Rollen
zuteilwerden: Entweder sie sollen die Betroffene spielen, die von ihren
traumatischen Erfahrungen erzählt.
Oder den Token, das Aushängeschild des Auftraggebers, welches symbolisieren
soll: Hallo, schaut mal, wie divers wir sind! Letzteres geschieht vor allem
seit letztem Sommer, meint Buabeng. „Es ist makaber, aber [1][seit George
Floyd ermordet wurde], hören unsere Telefone nicht mehr auf zu klingeln.
Plötzlich wollen alle mit uns arbeiten. Das geht auch vielen meiner
Freund_innen so. Ich kann mir natürlich denken, warum.
Weil sie gesehen haben, oh, da [2][gehen Tausende von Menschen auf die
Straße zur Black-Lives-Matter-Demo]. Das könnte doch unser Publikum sein!'
Und jetzt casten alle plötzlich Schwarze. Es ist so absurd, weil teilweise
andere Schauspieler_innen of Color einfach weggeschickt werden mit den
Worten: ‚Nein! Es muss auf jeden Fall eine Schwarze Frau sein!‘“
Ist es nicht ein Grund zur Freude, dass in TV-Produktionen und
Werbekampagnen nicht mehr nur weiße Gesichter gezeigt werden? Klar. Doch
was Buabeng kritisiert, ist, dass das eben nicht aus einem politischen
Bewusstsein heraus geschehe, sondern lediglich aus wirtschaftlichen
Interessen. Diversität ist profitabel geworden, sie bringt
Medienunternehmen neue Reichweite, Aufmerksamkeit und nicht zuletzt Geld.
In den Strukturen der privaten und öffentlich-rechtlichen Sender bleibt der
Wandel derweil aus.
## „Sie wollen dafür Applaus bekommen“
„Mir kann keiner erzählen, dass sich irgendwas grundlegend in den Köpfen
geändert hat“, sagt die 39-jährige Deutsch-Ghanaerin trocken. „Die
Entscheidungsträger sitzen ja nicht zu Hause, lesen ‚Exit Racism‘ und
überlegen, wie sie ihr Unternehmen umstrukturieren können. Nein, sie
erzählen ihren Kumpels stolz, dass sie jetzt auch mal mit einer Schwarzen
Person drehen, und wollen dafür Applaus bekommen. Für die sind wir ein
Trend, und das geht vorbei.“
Ein ganz grundlegendes Problem in der deutschen Unterhaltungsbranche bleibt
vor allem, dass, wenn marginalisierte Personen gezeigt werden, ihre Rolle
über stereotype Zuschreibungen kaum hinausgeht. Thelma Buabeng ist aktuell
in drei Formaten zu sehen, die in diese Falle glücklicherweise nicht
tappen. In der Rolle der Journalistin Marla Blum ist sie fester Teil des
[3][Ensembles der ZDF-Kindersendung „Löwenzahn“].
## Über Dinge spreche, über die nur Weiße im TV reden
Auf Arte moderiert sie „Open Stage Berlin“, eine hochwertig produzierte
Show mit Live-Konzerten, die in den Reinbeckhallen in
Berlin-Oberschöneweide gedreht wird. Und für den SWR hostet Buabeng
gemeinsam mit Hadnet Tesfai und Tasha Kimberly die Talkshow „Five Souls“.
Mit wechselnden Gästen wird dort über Dating, Freund_innenschaft, Familie
und Popkultur diskutiert.
Besonders an „Five Souls“ ist nicht etwa, dass alle drei Moderatorinnen
Schwarz und alle Gäst_innen of Color sind. Das Besondere ist vielmehr, dass
sie eben nicht über traumatische Rassismuserfahrungen und strukturelle
Gewalt sprechen müssen. „Das Konzept ist großartig. Ich wollte schon immer
mal eine Show machen, in der ich über Dinge sprechen kann, über die im
Fernsehen normalerweise nur weiße Leute sprechen. Dating, Beziehungen,
Lifestyle. Einfach lockere Themen, bei denen man auch Spaß haben und lachen
kann. Und natürlich ist es toll, auf ein Set zu kommen, und mit einem Team
zu arbeiten, das so divers ist, auch hinter der Kamera. Das ist ein ganz
anderer Vibe. So ungewohnt, es fühlt sich für mich fast nicht nach Arbeit
an.“
Diese Stimmung überträgt sich auch auf die fertige Sendung, von der es
jeden Donnerstag eine neue Folge gibt. Die Gespräche sind lebhaft, die
Witze on point, die Sprache ist so ehrlich und zeitgemäß, dass man sich
kaum vorstellen kann, dass so etwas auf SWR laufen soll. Der Knackpunkt:
Das tut es auch nicht. „Five Souls“ wird zwar im Auftrag des SWR
produziert, läuft jedoch auf einem eigenen Youtube-Kanal. Da die jüngere
Zielgruppe der Sendung sich sowieso eher auf Onlineplattformen herumtreibt,
mag das sinnvoll sein.
Dennoch fragt man sich, warum die liebevoll gemachte Show nicht parallel
auch im linearen Programm laufen kann. Ist das Prestigeprojekt dann doch zu
jung und zu flippig für das traditionelle TV-Publikum, sodass es vor ihm
versteckt werden muss? Oder gibt es das, was die Sender sich unter
„traditionellem Publikum“ vorstellen, überhaupt nicht mehr?
## Abseits von gängigen Mustern erzählt
Jedenfalls wünscht man sich ein bisschen mehr Mut von den Sendern, wenn sie
solche Formate schon an Land ziehen können. Erst kürzlich demonstrierte das
ZDF mit der Serie „Breaking Even“, dass ein diverser Cast nicht gleich zum
Diversity-Zirkus werden muss. Marginalisierte Figuren werden hier abseits
von gängigen Mustern erzählt, die Geschichte ist vielschichtig und
spannend.
Doch noch bevor irgendwer davon mitbekommen hat, wurde die Serie wieder
abgesetzt. Für eine angemessene Werbetrommel für das Projekt oder gar eine
zweite Staffel hat der Sender anscheinend nicht genug daran geglaubt. Und
so machen Fans nun gut ein halbes Jahr nach dem Start der Serie in den
sozialen Netzwerken Druck mit dem Hashtag #SaveBreakingEven, um eine
zweite Staffel einzufordern.
Thelma Buabeng ist jedenfalls überzeugt davon, dass das Problem in den
meisten Fällen nicht das Fernsehpublikum sei, sondern der Blick der
Programmmacher_innen auf das Publikum. „Ich habe jahrelang zu hören
bekommen, dass es das Publikum irritieren würde, wenn ich eine Rolle
spiele, bei der mein Schwarzsein nicht thematisiert wird.“ Als sie 2017 in
dem ZDF-Film „Am Ruder“ für die Rolle der Staatsanwältin besetzt wurde,
habe sich Buabeng plötzlich selbst Sorgen gemacht, wie Presse und Publikum
wohl darauf reagieren würden. „Das Ergebnis war: keine Reaktion. Es hat
einfach niemanden interessiert. [4][So, wie es sein soll].“
15 Mar 2021
## LINKS
[1] /Nach-dem-Tod-von-George-Floyd/!5690839
[2] /Black-Lives-Matter-Proteste-in-den-USA/!5703846
[3] /40-Jahre-Loewenzahn/!5682393
[4] /Black-Lives-Matter-Debatte/!5693764
## AUTOREN
Fatma Aydemir
## TAGS
Diversität
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