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# taz.de -- Schauspielerin Ishema über Vielfalt: „Der Raum ist weiter geword…
> Lorna Ishema spielt in der ZDF-Serie „Der Überfall“ eine Schwarze
> Polizistin. Ein Gespräch über Repräsentation und das Gefühl, politisiert
> zu werden.
Bild: Lorna Ishema als Polizistin Antonia Gebert in „Der Überfall“
taz: Frau Ishema, Ihre neue Serie „Der Überfall“ ist eindeutig eine
Ensemble-Geschichte, aber Ihre Figur ist darin so etwas wie das emotionale
Zentrum und der Anker für das Publikum. Welche Auswirkungen hat das auf
Ihre Arbeit als Schauspielerin?
Lorna Ishema: Das sind natürlich Aspekte, über die man sich Gedanken machen
muss und sollte. Aber ein Ansatzpunkt in meiner Arbeit ist das für mich
ehrlich gesagt nicht. Für mich ist es egal, wo in einer Geschichte sich
meine Figur befindet. Ich gehe immer davon aus, dass sie im Mittelpunkt
steht. Denn selbst wenn das nur eine Nebenrolle ist, will ich der Figur
trotzdem so viel mitgeben, dass der Zuschauer dranbleiben und mehr wissen
will.
Wo setzten Sie denn stattdessen an? Was reizte Sie an dieser Antonia
Gebert?
Als ich die Anfrage für die Serie bekam, war das kurz nach dem ersten
Lockdown 2020 und man wusste noch nicht genau, wo die Branche jetzt
eigentlich hingeht. Bei mir war damals beruflich gerade sehr viel im
Umbruch, während es gleichzeitig diesen Stillstand gab. Ich spürte eine
seltsame, unbestimmte Sehnsucht nach Chaos – und da kam dieses Drehbuch
gerade richtig. Denn die Geschichte ist vielschichtig, alle Figuren sind
irgendwie chaotisch. Darauf hatte ich große Lust.
Chaotisches Innenleben hin oder her, Antonia sorgt auch für Ordnung,
schließlich ist sie als Ermittlerin mit der Aufklärung des titelgebenden
Überfalls betraut. Für Sie ist das nicht die erste Polizistinnen-Rolle,
[1][obwohl da im deutschen Fernsehen ja häufig die Klischee-Falle] nicht
weit weg ist, oder?
Natürlich habe ich mich vorab gefragt, wie ich diese Kommissarin
porträtieren möchte und was es braucht, um ihr als dreidimensionaler Figur
gerecht zu werden. Und ich bin sehr dankbar, dass es dafür seitens der
Produktion und der Autor*innen eine Sensibilisierung und auch ein großes
Interesse an Austausch gab. Denn so sehr ich Autor*innen dabei
respektiere, ihre Geschichten zu erzählen, würde ich natürlich keinem
Projekt zusagen, wo ich das Gefühl habe, ungesunde Bilder zu reproduzieren.
Das war aber bei „Der Überfall“ nicht der Fall, und letztendlich habe ich
für mich auch entschieden, dass es wichtig ist, mich in dieser Rolle zu
zeigen. Dass jemand, der so aussieht wie ich, als Polizistin zu sehen ist.
Haben Sie sich in der Vorbereitung damit auseinandergesetzt, wie es
Schwarzen Frauen im deutschen Polizeidienst ergeht?
Ich habe in der Recherche in Deutschland nicht viele Frauen als Vorbild für
die Rolle gefunden, und keine, die so aussieht wie Antonia. Wir haben für
den Dreh dann aber mit echten Polizisten zusammengearbeitet, mit denen wir
trainiert haben. Denen habe ich auch kritische Fragen gestellt, allerdings
auch gemerkt, dass ich da an Grenzen stoße. Einfach weil die beiden
Kollegen, die uns zur Seite gestellt wurden, zwar wirklich toll, aber eben
auch weiß und männlich waren. Aber lustigerweise habe ich während der
Vorbereitung tatsächlich zwei Mal Schwarze Polizistinnen gesehen. Das hat
mir natürlich Mut gemacht. Einfach zu sehen: Es gibt sie und es lohnt sich,
das auch im Fernsehen zu zeigen.
Sie haben gerade Ihre Mitstreiter*innen bei „Der Überfall“ für ihre
Austauschbereitschaft gelobt. Ist allgemein in der deutschen Film- und
Fernsehbranche die Offenheit für Kritik gewachsen? Hört man zu, wenn
[2][People of Color auf Elemente in Drehbüchern hinweisen], die man so
nicht mehr erzählen kann?
Hm … Es hat sich schon einiges geändert, wenn ich daran denke, wie die
Situation noch vor einigen Jahren war. Und ich glaube, dass eine Serie wie
„Der Überfall“ vor fünf Jahren mit dieser Besetzung noch gar nicht mögli…
gewesen wäre. Der Raum, Dinge anzusprechen und abzuwägen, welche Worte man
benutzen kann, um bestimmte Probleme zu beschreiben, ist weiter geworden,
das merke ich schon. Nichtsdestotrotz ist das ein Prozess, in dem wir uns
alle gerade befinden und der durchaus unangenehm ist. Ich habe es mir zur
Aufgabe gemacht, es immer gleich anzusprechen, wenn ich das Gefühl habe,
bei meiner Figur Kompromisse zu machen. Diese Gespräche sind schwierig und
nicht immer erfreulich, aber das ist mir egal. Ich denke auch nicht mehr
darüber nach, wie weit wir schon sind oder was noch getan werden muss,
sondern ich mache das einfach. Selbst, wenn ich gegen eine Wand renne.
Als 2020 die Serie „Breaking Even“ abgesetzt wurde, in der Sie eine
Rechtsanwältin bei einem Automobilkonzern spielten, empfanden das viele als
Rückschlag in Sachen Vielfalt im deutschen Fernsehen. Es gab sogar
Petitionen für eine Fortsetzung. Wie haben Sie das Ende der Serie damals
erlebt?
Der Wunsch, dass es weitergeht, war vielerorts da, und woran es am Ende
genau gescheitert ist, müssten Sie die Produktion fragen. Ich bekam damals
einen sehr netten und respektvollen Anruf, in dem mir mitgeteilt wurde,
dass es keine weitere Staffel gibt. Und damit war die Sache für mich dann
auch abgeschlossen. Was ja auch nichts daran ändert, dass das für mich eine
sehr wichtige Arbeit war. Das war das erste Mal, dass ich als
Schauspielerin das Gefühl hatte, auf Augenhöhe arbeiten zu können und ernst
genommen zu werden. Ich habe da viel gelernt darüber, wie ich arbeiten und
mich in meinem Job einbringen will.
Als Sie im vergangenen Herbst für „Ivie wie Ivie“ mit dem Deutschen
Filmpreis ausgezeichnet wurden, sagten Sie in Ihrer Rede, dass Sie dort
nicht nur für sich alleine stehen. Und in der Tat sind Sie als Schwarze
Schauspielerin in Deutschland heute für andere das Vorbild, das Sie selbst
nie hatten. Wie sehr beschäftigt Sie diese Funktion?
Ich kann es mir nicht aussuchen, politisiert zu werden, deswegen muss ich
mich mit dieser Position, die mir da zugeschrieben wird, zwangsläufig
auseinandersetzen. Aber für mich ist das Wichtigste einfach, dass ich
meinen Job gut und leidenschaftlich mache. Dass das darüber hinaus noch
eine andere Strahlkraft hat, passiert zwangsläufig. Doch ich würde meiner
Arbeit und meinen Figuren nicht gerecht werden, wenn ich zuallererst
darüber nachdenken würde. Denn ich als Privatperson gucke ja auch nicht
jeden Morgen in den Spiegel und denke: huch, oh mein Gott! Schwarz zu sein
ist meine Realität, ich liebe es, würde aber fast behaupten, dass dies das
Uninteressanteste an meiner Person ist. Mir geht es um einen
selbstverständlichen Umgang damit. Da muss ich bei mir selbst anfangen.
Letzte Frage noch, mit Blick auf Vielfalt und Repräsentation auch hinter
der Kamera. In den USA wird auch diskutiert, dass etwa Beleuchter*innen
oder Maskenbildner*innen sich nur mit weißen Schauspieler*innen
auskennen. Ist das inzwischen auch hierzulande Thema?
Angekommen ist die Diskussion bei uns definitiv, auch wenn da noch
Normalität und ein Selbstverständnis reinmüssen. Sind wir an einem Punkt,
der für 2022 angemessen wäre? Sicherlich nicht. Aber ich merke, dass wir
uns auf einem Weg befinden und es eine Bereitschaft zur Veränderung gibt.
Das stimmt mich positiv. Ohnehin gucke ich lieber dorthin, wo sich etwas
tut und ich meine Energie sinnvoll einsetzen kann, als auf Dinge, die nicht
funktionieren. Denn ich sehe mich nicht in der Verantwortung, aufzuräumen.
4 Mar 2022
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## AUTOREN
Patrick Heidmann
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