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# taz.de -- Sophia Kennedy in Berlin: Ekstatisch trotz Abstand
> Tanzen durfte nur eine – Sophia Kennedy selbst. Die
> Elektro-Pop-Künstlerin spielte ein hinreißendes Konzert im Berliner
> Festsaal Kreuzberg.
Bild: Sophia Kennedy im Festsaal Kreuzberg
„What a perfect day for us to spend outside“, singt Sophia Kennedy in
„Orange Tic Toc“, dem kleinen Hit ihres zweiten Albums „Monsters“. Nur
trifft das am Freitagabend leider nicht auf ihr Konzert im Festsaal
Kreuzberg zu. Das muss aufgrund des unbeständigen Juliwetters kurzfristig
in den Club verlegt werden. Angekündigt war eine Open-Air-Bühne mit Tanzen
ohne Abstand. Stattdessen muss der Abend in den Club verlegt werden, samt
Bestuhlung und FFP2-Maskenpflicht.
Bei anderen Künstler*innen wäre das sicherlich weniger tragisch als bei
[1][Sophia Kennedy]. Immerhin lädt ihr eingängiger Elektro-Pop explizit
dazu ein, das Tanzbein zu schwingen. Die in Amerika geborene, mittlerweile
in Hamburg lebende Künstlerin veröffentlichte 2017 ihr Debüt, im Mai
erschien der Zweitling „Monsters“ beim Berliner Label City Slang. Darauf
präsentiert sie ein frickeliges Klanggewebe aus Elektro, Pop- und
HipHop-Einflüssen mit teils bizarren Songtexten.
Sophia Kennedy bleibt an diesem Abend die Einzige, die dazu tanzen darf.
Auf den Plastikstühlen wie Sitzbänken nutzen die Besucher*innen die
Möglichkeit aus, die ein Sitztanz eben so bietet. Es wird zum Takt gewippt,
Arme fliegen nach oben, Hände und Knie werden zu Percussions, die Füße
scharren. Kennedy hat auf der Bühne deutlich mehr Spielraum. Sie wirft ihre
Arme beinahe ekstatisch in die Luft, setzt die Hüften in Bewegung, ihre zum
Bob geschnittenen Haare fliegen durch die Gegend.
Mit von der Partie ist natürlich ihr musikalischer Partner [2][Mense
Reents, besser bekannt als Klavierspieler der Goldenen Zitronen] und Teil
vom House-Duo Die Vögel. Er begleitet Kennedy auf der Bühne an Bass wie
Synthesizern. Die Sängerin wechselt derweil flink zwischen Piano und
Synths, zwischen Am-Klavier-sitzen und tanzen. Es ist diese Mischung, die
den chansonesken Weirdo-Elektronik-Pop der die beiden so einzigartig wie
charismatisch macht.
## Ach ja, das Rauchen
Ähnlich verschroben ist auch das Bühnenoutfit der Kennedy. Es besteht aus
weißem Hemd, weißer Hose und wahnsinnig unbequem aussehenden Sock-Boots,
mit denen sie trotzdem mühelos die Klavierpedale trifft. Den Auftakt macht
der Titel „Loop“, der beinahe die ganze Bandbreite ihres erheblichen
Repertoires zeigt. Es ist eine Mischung aus dynamischer
Klavierinstrumentation, Loops und verstörenden Soundeffekten.
Dabei ist das Highlight das soulige Timbre Kennedys. An diesem Abend klingt
es sogar noch ein bisschen tiefer, beinahe kratzig. Schuld daran ist ihre
Vorliebe fürs Rauchen, erklärt sie. Zudem habe sie nur wenig Wasser
getrunken. Ihre Stimme kommt besonders in den melancholischen Songs hervor,
die Kennedy lediglich mit Klavierbegleitung und Bass anstimmt. Viele der
Songs klingen deutlich zurückgenommener als die komplexeren Pendants des
Albums, was der Duo-Besetzung geschuldet ist.
Mit ihrem Programm aus elektronischen wie quasiakustischen Songs holt
Kennedy nichtsdestotrotz jeden der gut 250 Zuschauer*innen ab. Die
treibenden Bässe auf „I Can See You“ beschwören beinahe ein Clubfeeling
herauf, dazu pulsieren flackernde Lichtstrahler. Den elektronischen wie
akustischen Darbietungen ist eins gemein: die Freude der beiden Musiknerds
am Performen. „It’s good to be back. I would be happy to say stand up and
dance, but it’s still a tricky situation. We will enjoy this another way“,
sagt Kennedy in einer ihrer wenigen Ansprachen.
Vor „Cat on my tongue“ lipsynct sie intuitiv zum HipHop-inspirierten Intro
mit. Immer wieder schaut sie bei den beinahe gerappten Gesangseinlagen
betörend ins Publikum und geht sichtlich souverän mit der veränderten
Konzertsituation um. Tatsächlich wird auch das Publikum im Laufe des Abends
ekstatischer. Während die Zuschauer*innen in den vorderen Reihen immer
ausgelassener werden, wirkt die Stimmung auf der Empore des Festsaals etwas
verhaltener.
Am Ende der Show ertönt dann vom ersten bis letzten Platz des Festsaals
frenetischer Applaus. Kennedy und Reents kehren mit den Publikumslieblingen
„Seventeen“ und „Being Special“ als Zugaben zurück. Nach einem zweiten
Abgang stimmt Kennedy erneut „I Can See You“ an, diesmal als Pianoversion.
Spätestens damit beweist Kennedy, dass sie die Atmosphäre eines Club- wie
Chansonabends in nur knapp 60 Minuten heraufbeschwören kann. Dafür sorgt
nicht nur das musikalische Pingpong zwischen Kennedy und Reents, sondern
auch die einzigartige Bühnenpräsenz der Hamburgerin.
11 Jul 2021
## LINKS
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## AUTOREN
Louisa Zimmer
## TAGS
Musik
Elektropop
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Dub
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