# taz.de -- Rassismus und Trump-Fans in der Provinz: Unter Weißen | |
> Bridgette Craighead organisiert eine Black-Lives-Matter-Demo. Später wird | |
> klar: Die Polizisten, die sie einst schützten, stürmten auch das Kapitol. | |
Bild: Bleibt stehen: das Konföderiertendenkmal in Rocky Mount | |
Der Fund platzt mitten in die Vorbereitungen für den Nationalfeiertag in | |
der Kleinstadt [1][Rocky Mount] am Fuß der Blauen Berge in Virginia. Fünf | |
Tage vor dem 4. Juli entdecken Ermittler auf dem Grundstück von Thomas „TJ“ | |
Robertson ein mit dem Aufkleber „Sprengfalle“ beschriftetes Rohr, das mit | |
Zünder und Verschlüssen versehen ist, sowie getrennt gelagerten | |
Sprengstoff. Es ist nicht die einzige Waffe im Besitz des Polizisten. Da | |
sind außerdem ein M4-Sturmgewehr und große Mengen von Munition sowie 34 | |
weitere Schusswaffen, die er in den letzten Wochen online bestellt und bei | |
einem Waffenhändler deponiert hatte. | |
Und da sind Robertsons Kommentare in Diskussionsforen: „Ich habe gelernt, | |
dass man verhaftet, gefeuert und auf eine Flugverbotsliste gesetzt wird, | |
wenn man friedlich demonstriert“, schreibt er am 10. Juni, „man muss den | |
Rubikon überschreiten, wenn man seinen Zeh eintaucht. Man muss es hart und | |
gewalttätig tun.“ | |
Es ist nämlich so, dass dieser Thomas „TJ“ Robertson vor genau einem halben | |
Jahr, am 6. Januar, am [2][Sturm auf das US-Kapitol] teilgenommen hat und | |
ihm deshalb jeglicher Waffenbesitz gerichtlich verboten ist. | |
„Ich danke Gott für das FBI“, seufzt [3][Bridgette Craighead] als sie von | |
den Funden bei der Hausdurchsuchung erfährt. Die Friseurin hat im letzten | |
Jahr eine [4][Black-Lives-Matter]-Ortsgruppe in Rocky Mount gegründet. Es | |
ist die erste politische Aktivität ihres Lebens. Diese mündet in die erste | |
Bürgerrechtsdemonstration in der Kleinstadt seit den 1960er Jahren. | |
Die 30-jährige alleinerziehende Mutter sagt, sie habe es „für George“ get… | |
und meint damit [5][George Floyd], der von einem Polizisten in Minneapolis | |
getötet worden war. Binnen dreier Tagen organisiert Craighead eine | |
Versammlung auf dem überdachten Marktplatz der Kleinstadt. Sie erwartet | |
eine Handvoll Freunde. Es kommen Dutzende. Die junge Frau rückte | |
schlagartig ins Rampenlicht. | |
## Zwei Beamte in der Kleinstadt | |
Robertson und sein jüngerer Kollege Jacob Fracker, der zweite Polizist aus | |
der Kleinstadt, der bei dem bewaffneten Aufstand vom 6. Januar in | |
Washington dabei war, eskortierten damals Craigheads Demonstrationen durch | |
den Sommer 2020. Die beiden Polizisten posierten mit Transparenten, auf | |
denen in Craigheads Handschrift zu lesen war: „Schweigen ist Gewalt“ und | |
„Ohne Gerechtigkeit kein Frieden“. | |
Sie waren aber auch dabei, als Milizionäre mit Sturmgewehren bei einer | |
Demonstration von Craighead auftauchten. Und als Craighead eine Kampagne | |
begann, um schwarze Wähler im County in das Wählerregister einzutragen. | |
Bridgette Craighead vertraute den beiden Beamten. Sie glaubte, dass ihre | |
Stadt „bereit für Veränderung in den Beziehungen zwischen schwarz und weiß… | |
sei. Inzwischen fragt sie sich, ob ihr Name auf irgendeiner Liste steht. | |
Ihre Freunde flehen sie an, den Friseursalon abends auf keinen Fall alleine | |
zu verlassen. Sie haben Geld für eine Schusswaffe für Craighead gesammelt. | |
Sie besucht einen Schießkurs. | |
„Welcher Mensch braucht 34 Schusswaffen?“, fragt Joe Stanley. Der | |
50-jährige Weiße, der in der Nachbarstadt Roanoke einen Souvenirladen | |
betreibt, gehört zu der kleinen Gruppe von Menschen, die versuchen, die | |
Verhältnisse in Rocky Mount zu verändern. Stanley stellt immer neue | |
Anfragen an die Stadtverwaltung und Posts im Internet, in denen er über die | |
hohe Personalfluktuation bei der Polizei und die Korruption im Rathaus | |
schreibt. | |
Doch statt der erhofften Aufklärung hat die State Police von Virginia auf | |
Antrag von Rocky Mount seine Facebookseite und seine Google-Präsenz | |
durchkämmt. Stanley zeige „Verachtung für die Verwaltung und die Polizei | |
von Rocky Mount“, heißt es in dem Durchsuchungsbeschluss vom 27. April. | |
Stanley hat jetzt stets eine Schusswaffe dabei. | |
## Das Denkmal für die Sklaverei | |
In dem knapp 5.000-Einwohner-Städtchen Rocky Mount, dem Hauptsitz von | |
Franklin County, scheint die Zeit stehengeblieben zu sein. Vor dem | |
Bürgerkrieg erledigten Sklaven die harte Arbeit auf den umliegenden | |
Tabakplantagen. Noch bis Mitte der 1960er Jahre mussten Schwarze über eine | |
Außentreppe zu den am weitesten von der Leinwand entfernten Plätzen im Kino | |
steigen. Die Essensausgabe für sie war an einem kleinen Fenster an der | |
Rückseite der Restaurants, während die Weißen im Inneren tafelten. | |
Heute ist das Vergangenheit. Aber die Macht in der Stadt ist weiterhin in | |
weißen Händen konzentriert – so wie die historische Erinnerung. Die Namen | |
von Südstaaten-Helden aus dem Bürgerkrieg schmücken Straßen und | |
Institutionen. Der Plantagenbesitzer und entschiedene Befürworter der | |
Sklaverei, [6][Jubal Early], ist der prominenteste von ihnen. Vor 160 | |
Jahren war er einer der Anführer des Aufstands gegen die Regierung in | |
Washington. | |
Als vor 14 Jahren bei einem Autounfall das alte Südstaaten-Denkmal in Rocky | |
Mount zu Bruch ging, sammelten die „Töchter der Konföderation“ 162.949 | |
Dollar, um Ersatz zu schaffen. Die mehr als sechs Meter hohe, strahlend | |
weiße Säule vor dem Gerichtsgebäude ist das neueste Denkmal von ganz | |
Virginia – in Erinnerung an die Abspaltung der US-Südstaaten zwischen 1861 | |
bis 1865. In Im Sockel der Säule sind konföderierte Fahnen und Ehrungen für | |
die gefallenen Kämpfer der Bürgerkriegsarmee eingemeißelt. Auf ihrer Spitze | |
steht ein lächelnder junger Aufständischer, der sich auf ein Gewehr stützt. | |
Bei der Einweihung des Denkmals im Jahr 2010 war in dem vier Autostunden | |
nördlich gelegenen Washington der erste schwarze Präsident der Vereinigten | |
Staaten im Amt. In Rocky Mount verstärkte das die Entschlossenheit der | |
„Konföderiertentöchter“ und der „Söhne der konföderierten Veteranen�… | |
war die Zeit, als die rechte Graswurzelbewegung Tea Party erstarkte – und | |
als sich in New York ein gewisser Donald Trump anschickte, seinen Weg ins | |
Weiße Haus vorzubereiten. | |
## Mit der US-Flagge immer um das Denkmal herum | |
„Sie haben Angst vor Veränderung“, sagt Henry Turnage über seine weißen | |
Landsleute in Rocky Mount. Der 40-jährige Schwarze versteht sich als „Teil | |
des neuen Amerikas“. Im Juni vergangenen Jahres, als Craighead gegen | |
Polizeigewalt demonstrierte, kam Turnage eine Woche lang jeden Tag ganz | |
allein mit einer US-Fahne zu der strahlend weißen Säule vor dem Gericht. | |
Stundenlang zog er kreisend um die Säule, um für die Verlagerung des | |
Denkmals in ein Museum zu demonstrieren. „Dieses Denkmal ist verletzend“, | |
sagt er „es bedeutet, dass meine Kinder hier keine Chance haben.“ Turnage | |
hat lange in Deutschland gelebt, wo seine Frau als GI stationiert war. Er | |
sagt: „In Deutschland müssen Juden nicht an Hakenkreuzen vorbeigehen, wenn | |
sie in ein Gericht wollen.“ | |
Während Craighead und Turnage protestierten, diskutierten weiße Männer in | |
Rocky Mount über eine stärkere Bewaffnung von Milizen, weil der neue | |
demokratische Gouverneur es auf ihre Schusswaffen abgesehen habe. Weil sie | |
ihre Meinungsfreiheit in Gefahr sehen. Und weil sie verhindern wollen, dass | |
ihre Geschichte „ausradiert“ wird. | |
Am 3. November votieren in Franklin County 71 Prozent der Wähler für Donald | |
Trump. Am selben Tag findet ein lokales Referendum über die Zukunft des | |
Denkmals statt. 69 Prozent im County stimmen für den Verbleib der | |
Konföderiertensäule. Die Befürworter bezeichnen sie als Teil der lokalen | |
Identität. | |
Henry Turnage sieht Positives in dem Ausgang des Referendums. Er habe nicht | |
erwartet, dass fast ein Drittel der Wähler für eine Denkmalverlegung | |
stimmten, obwohl nur acht Prozent von ihnen Schwarze sind. Nach dem Ende | |
seiner Denkmalumrundungen will er die Eroberung der „Herzen und Köpfe“ | |
fortsetzen. Er sieht darin die einzige Möglichkeit, seinen Geburtsort zu | |
verändern. „Wir können sie nicht bei Wahlen schlagen. Und wir können es | |
schon gar nicht mit Gewehren tun“, sagt Turnage. | |
„Wer ein Denkmal anrührt, gehört erschossen“, sagt dagegen Donald Taylor. | |
Der 71-Jährige poltert laut heraus, was andere tuscheln. Er habe, sagt er, | |
„kein Problem mit Schwarzen“, aber er misstraue „Frauen zwischen 25 und 4… | |
die in der Universität eine Gehirnwäsche bekommen haben“. Den gegenwärtigen | |
Präsidenten will er „wegen Verrats aufhängen“. Und er sieht den Bürgerkr… | |
„als den einzigen Weg, um mit dem Übel aufzuräumen“. | |
Über die Idee, sich mit Demokraten, die er „Mitglieder der „islamistischen, | |
sozialistischen Partei“ nennt, an einen Tisch zu setzen, lacht Taylor | |
schallend. Sorgen über den Ausgang des Bürgerkriegs zwischen „Gut und Böse… | |
macht er sich nicht: „Wir sind es, die die Schusswaffen und die Munition | |
haben.“ | |
Ein paar Kilometer nördlich von Rocky Mount, in Boones Millan an einer | |
belebten Durchgangsstraße, hat Taylor eine Backsteinkirche gekauft und in | |
eine Art Trump-Tempel verwandelt. Die Wege zum Kircheneingang sind mit | |
Schildern gesäumt, die dazu auffordern, auf die demokratische Sprecherin | |
des Repräsentantenhauses Nancy Pelosi zu pissen, Biden zu ficken und für | |
Trump zu hupen. An der Stelle, wo früher der Altar stand, verkauft Taylor | |
Schnappmesser mit dem Konterfei Trumps. Alle paar Minuten kommen neue | |
Kunden in sein Geschäft. | |
Am 6. Januar 2021 sind Dutzende – vielleicht Hunderte – von Trump-Anhängern | |
aus Franklin County in Bussen und ihren Privatautos in die US-Hauptstadt | |
Washington gefahren. Sie folgen dem Ruf ihres Präsidenten. Sie beharren | |
darauf, dass die Präsidentschaft Donald Trump „gestohlen“ worden sei. | |
Auch Taylor ist an diesem Tag in Washington. „Wie üblich“ nimmt er eine | |
Schusswaffe mit, ohne die er nach eigenem Bekunden sein Haus nicht | |
verlässt. Er geht zu Trumps Kundgebung hinter dem Weißen Haus und zieht mit | |
der Menge zum Kapitol. Aber Taylor geht nicht hinein. Zu Thomas Robertson | |
und Jacob Fracker, den beiden Polizisten aus Rocky Mount, die beim Sturm | |
auf das Kapitol dabei sind, fällt ihm dieser Kommentar ein: „Traurig, dass | |
sie das Selfie gemacht und es verschickt haben.“ | |
Andere Trump-Anhänger in Rocky Mount gehen in ihrer Unterstützung für die | |
beiden Polizisten noch weiter. „Sie haben das Richtige getan“, befindet | |
Thomas McDeavitt vom Patriotic Network of Franklin County. Der 64-jährige | |
weiße Rentner will wissen, dass „Black Lives Matter und Antifa“ die Fenster | |
und Türen des Kapitols eingeschlagen hätten, während die Trump-Unterstützer | |
„von der Polizei hereingebeten und herumgeführt worden“ seien. | |
Das Rathaus von Rocky Mount drückt sich sechs Monate später immer noch vor | |
einer Stellungnahme zum Sturm aufs Kapitol. „Wir haben keine Position | |
dazu“, schreibt Stadtmanager Robert Wood. Er will sich auch nicht dazu | |
äußern, wie der Entscheidungsprozess verlief, bevor die beiden Polizisten | |
entlassen wurden. Das sei „eine persönliche Angelegenheit“. Für ein | |
Interview haben er und der Bürgermeister keine Zeit. Auch die beiden | |
Polizisten geben – mit Hinweis auf die Ermittlungen – keine Interviews | |
mehr. | |
## Ein Selfie aus dem Kapitol | |
Am 6. Januar waren die beiden kommunikativer. Thomas Robertson und Jacob | |
Fracker informieren ihre Kollegen in Rocky Mount live aus dem Kapitol über | |
ihre Leistungen. Ein Selfie zeigt sie triumphierend vor einer Statue von | |
John Stark, General im Unabhängigkeitskrieg, der den Satz geprägt hat: | |
„Frei leben oder sterben“. Fracker hat den Mittelfinger erhoben. „Die | |
Linken sind nur sauer, weil wir tatsächlich die Regierung angegriffen | |
haben“, schreibt Robertson auf seiner Facebook-Seite, „die Rechten haben | |
das fucking Kapitol an nur EINEM TAG eingenommen.“ | |
Einem Freund sagt er: „Ich gehe in den Krieg.“ Fracker beschreibt | |
genüsslich die „Blitzknallerei, CS-Gas, Gummigeschosse“ im Kongress, | |
prahlt, dass er „ungefähr die achte Person“ im Gebäude war und vergleicht | |
sein Hochgefühl im Kapitol mit seinem Einsatz als Marine in Afghanistan. | |
Wie viele Polizisten sind beide Männer Kriegsveteranen. | |
In Rocky Mount machen die Nachrichten der beiden schnell die Runde. Aber an | |
den Tagen nach dem Kapitolssturm verrichten Robertson und Fracker ihren | |
Dienst zur Verteidigung von Recht und Ordnung in der Kleinstadt, als wäre | |
nichts geschehen. Ab 9. Januar ist das nicht mehr möglich. Da erfährt Joe | |
Stanley von dem Vorfall. Er verständigt die Friseurin Bridgette Craighead: | |
„Ich habe beunruhigende Nachrichten.“ | |
Craighead ist Optimistin. Mitten in der Pandemie hat sie ihren Friseursalon | |
im Zentrum von Rocky Mount übernommen und türkis, lila und pink | |
angestrichen. Sie nennt ihre Kundinnen „Queen“. Und jedes Mal wenn ihr bei | |
den Demonstrationen im letzten Jahr jemand rassistische Unflätigkeiten | |
zuruft oder die Fahrt verlangsamt, um obszöne Gesten zu machen, läuft sie | |
auf die Person zu und ruft: „I love you.“ | |
Aber beim Anblick des Selfies aus dem Kapitol, überkommt sie ein Gefühl von | |
Verrat. „Ich liebe meine Polizei und mein Militär“, sagt sie „und ich ha… | |
kein Problem damit, wenn jemand Trump wählt, oder für ihn demonstriert. | |
Aber ein Sturm auf das Kapitol, mit fünf Toten – das geht einfach nicht.“ | |
Wenige Minuten nachdem sie das Foto der beiden Polizisten erhält, stellt | |
Craighead es auf ihre Facebook-Seite. „Ich kann nicht glauben, dass sich | |
Leute, denen ich vertraut habe, im Kapitol so animalisch benommen haben“, | |
schreibt sie. | |
Ein paar Tage später schickt die Stadt die beiden Beamten in den | |
Zwangsurlaub. Ihren Lohn zahlt sie weiterhin. Craighead und ihre Freunde | |
verlangen, dass die Polizisten entlassen werden. Vor dem Rathaus stoßen sie | |
auf bewaffnete Milizionäre, die Trump-Slogans skandieren und die beiden | |
Beamten hochleben lassen. Gegenüber von Craigheads Salon hisst ein | |
Autohändler ein Batterie von Konföderierten-, Polizei- und Trump-Fahnen. | |
Craighead „ist ein Störenfried“, sagt Jeff Bailey. Er fügt hinzu: „Wenn | |
Leute wie sie aufhören, über Rassismus zu reden, gäbe es keinen Rassismus.“ | |
Als ihnen die Ermittler näher rücken, wollen die beiden Kapitolsstürmer aus | |
der Polizeiwache „nichts Verbotenes“ getan und keine Gewalt im Kapitol | |
gesehen haben. Am 13. Januar werden sie angeklagt. Wegen „wissentlichen | |
Betretens eines gesperrten Gebäudes ohne Befugnis“ und wegen einem | |
„Verhalten, das die Regierungsgeschäfte stört“ droht beiden ein Jahr | |
Gefängnis. Sie kommen gegen Kautionen von jeweils 15.000 Dollar frei. Weil | |
sie Veteranen sind, bleiben ihnen Fußfesseln erspart. | |
Aber der Richter beschränkt ihren Bewegungsradius. Er entzieht ihnen | |
vorübergehend das Versammlungsrecht und verbietet ihnen zudem den | |
Waffenbesitz. Nach den explosiven Funden bei Robertson beantragt die | |
Staatsanwaltschaft, dass er bis zum Prozess in Untersuchungshaft kommt. | |
Am 14. Juni kommt der Stadtrat von Rocky Mont zu seiner ersten öffentlichen | |
Sitzung seit dem Beginn der Coronapandemie zusammen. Joe Stanley tritt ans | |
Mikrofon. Er berichtet, dass Expolizist Fracker neuerdings Privatgeschäfte | |
mit Dorka macht, dem Drogenspürhund der Polizei von Rocky Mount: „Für 350 | |
Dollar bar auf die Hand durchsucht er Häuser nach Drogen und verspricht | |
Kunden, dass er niemanden – auch nicht die Polizei – verständigen wird, | |
falls er etwas findet.“ | |
Stanley hat schon vor Monaten beim Rat angefragt, ob die Stadt dem | |
gefeuerten Polizisten den 5.000 Dollar teuren Spürhund geschenkt habe. Die | |
sieben Ratsherren – im Stadtrat von Rocky Mount gibt es keine Frauen – | |
schweigen. Nach 45 Minuten beenden sie die Sitzung. Zwei Tage später erhält | |
Stacey seinen zweiten Durchsuchungsbescheid. Und die Stadtverwaltung | |
verschickt eine Quittung, wonach der Spürhund schon im März an einen | |
ehemaligen Polizisten verkauft worden sei. Der Käufer soll ihn anschließend | |
an Fracker weitergegeben haben. | |
Während der Sitzung geht Polizeichef Ken Criner im Foyer des Rathauses vor | |
den geöffneten Glastüren auf und ab. Im letzten Jahr wurde er nach | |
Beschwerden von mehreren Mitarbeitern wegen Belästigungen für zwei Wochen | |
in den unbezahlten Zwangsurlaub geschickt – und erhielt die Auflage, ein | |
Seminar über Aggressionsbewältigung zu besuchen. Bislang hat der | |
Polizeichef das nicht getan. Zu den beiden Kapitolsstürmern aus seiner | |
Truppe will er sich nicht äußern: „Weil das FBI ermittelt.“ Aber er warnt | |
vor Stanley: „Die State Police ermittelt gegen diesen Mann.“ | |
Im Frühsommer hat Bridgette Craighead sich dazu entschlossen, für das | |
Parlament in Virginia zu kandidieren. Sie weiß, dass ihr in dem | |
konservativen und weißen ländlichen Wahlkreis ein schwerer Kampf | |
bevorsteht. Ihr republikanischer Gegenspieler heißt Wren Williams, ein | |
weißer junger Anwalt, der Ende letzten Jahres dabei geholfen hat, in | |
Wisconsin das Ergebnis der Präsidentschaftswahlen anzufechten. „Sein | |
einziges Programm ist Trump“, sagt Craighead. „Sie ist zu radikal für das | |
ländliche Virginia“, antwortet Williams. | |
In Craigheads Ohren klingt das wie ein Satz, mit dem sie und ihre Vorfahren | |
in Franklin County seit Generationen konfrontiert werden: „Du gehörst hier | |
nicht hin.“ In ihrer Schulzeit hat sie gelernt mit weißen Klassenkameraden | |
umzugehen, die sie mit Tiervergleichen und N-Worten traktieren und die | |
gelegentlich Schlingen an die Decke des Klassenzimmers hängten. Wenn es zu | |
heftig wurde, schlug Craighead zurück. Das führte zu insgesamt 33 | |
Suspendierungen. Sie hat sich nicht einschüchtern lassen. | |
6 Jul 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://www.rockymountva.org/ | |
[2] /Die-USA-nach-dem-Sturm-aufs-Kapitol/!5742615 | |
[3] https://www.bridgettefordelegate.com/ | |
[4] /Ein-Jahr-nach-Tod-von-George-Floyd/!5769848 | |
[5] /Urteil-im-Mordfall-George-Floyd/!5783164 | |
[6] https://encyclopediavirginia.org/entries/early-jubal-a-1816-1894/ | |
## AUTOREN | |
Dorothea Hahn | |
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