# taz.de -- Indiepop-Band Japanese Breakfast: Stöhnen mit Tiefgang | |
> Japanese Breakfast ist das intellektuelle Postergirl des US-Indiepop. Das | |
> beweisen die smarten Texte und Hitsongs ihres neuen Albums „Jubilee“. | |
Bild: Eine Blumenwiese ist nichts dagegen: Michelle Zauner | |
Partylampion-artige Kakipflaumen zieren das Albumcover von Japanese | |
Breakfast. Früchte, denen man Heilkräfte nachsagt. Sie passen auch zum | |
bedeutungsschwangeren Albumtitel „Jubilee“: Jubiläum ist dieses Album von | |
Michelle Zauner alias Japanese Breakfast trotz jauchzender | |
Bläserarrangements nicht. Japanese Breakfast stammt auch nicht aus Japan: | |
Michelle Zauner wurde 1989 in Südkorea geboren, wuchs aber in Eugene, | |
Oregon, auf, an der [1][US-Westküste]. | |
Auf ihrem Tumblr-Account hat sie Fotos von Anime-Frühstück gepostet. „Mir | |
gefällt, wie japanisches Essen aussieht“, sagt sie im Videochat. „Es macht | |
Spaß, Erwartungen der Leute zu durchkreuzen.“ Gewissermaßen ist „Jubilee�… | |
aber doch eine Feier – ihre Musik jubiliert auf bombastische Weise: Während | |
die ersten beiden Alben, „Psychopomp“ (2016) und „Soft Sounds From Another | |
Planet“ (2017), geprägt waren von Trauer um ihre Mutter, entsagt Japanese | |
Breakfast auf „Jubilee“ dem düsteren Emo-[2][Shoegaze] ihrer Anfangsjahre. | |
„Be Sweet“ ist eine waschechte Dance-Hüpfburg mit glatten | |
Synthesizer-Läufen. Erinnerungen an die hüpfenden Bässe der funky | |
koreanischen 70er-Jahre-Girlgroup Bunny Girls werden wach. Der kecke Vibe | |
des Tracks hat was von Whitney Houston, Cyndi Lauper und der frühen | |
Madonna. Und stöhnen wie einst Donna Summer kann sie auch. | |
## Intellektuelle Dancing Queen | |
Eigentlich wollte Michelle Zauner „Be Sweet“ als Hitsingle für jemand | |
anderes komponieren – dann gefiel ihr die Musik so gut, dass sie diese | |
selbst einspielte. Zauner ist eine Dancing Queen von der intellektuellen | |
Sorte: Im April erschien ihr Memoir „Crying in H Mart“ und stieg auf Platz | |
2 der New-York-Times-Non-Fiction-Bestsellerliste. Ihr Buch basiert auf dem | |
gleichnamigen Essay, den sie 2018 im Magazin The New Yorker veröffentlicht | |
hatte. | |
Er handelt vom Coming-of-Age als junge Frau mit asiatischen Wurzeln. „H | |
Mart“, eine Asia-Supermarktkette, wird dabei zum Mikrokosmos, in dem sich | |
ihre bikulturellen Gefühle maximal verdichten. Essen ist eine intime | |
Angelegenheit – und weckt, wir wissen es seit Prousts Madeleine in der | |
„Recherche“ –, intensive Erinnerungen. | |
Zauners Text erinnert in der Hinwendung zur Biografie der Mutter und der | |
US-asiatischen Identität an [3][Ocean Vuong] – und in der Trauer an die | |
Essayistin Joan Didion. Zauner macht sich viele Gedanken um Sprache: „Dass | |
Trump und einige konservative Senatoren Corona als ‚chinesisches Virus‘ | |
bezeichnet haben“, sagt sie, „zeigt doch, wie sehr man ‚das Andere‘ als | |
‚das Gefährliche‘ brandmarkt. Diese Art von Sprachgebrauch hat | |
Konsequenzen.“ | |
## Sprachliche Begabung | |
Ihre sprachliche und literarische Begabung spielt Michelle Zauner auch in | |
ihren Songtexten auf „Jubilee“ aus: Die unaufgeregte Folkballade „Kokomo, | |
IN“ erzählt, auf einem Bouquet aus dramatischen Streichern, aus der Sicht | |
eines Teenagers, der seinem Girlfriend Goodbye sagt. Da ist die | |
selbstbewusst bisexuelle Michelle Zauner um keinen Gender-Trubel verlegen. | |
Im Weirdo-Art-Rock von „Savage Good Boy“ schlüpft sie, über Klavierbässe… | |
in die Rolle eines hyperkapitalistischen Mannes, der die Welt in der | |
Apokalypse versinken sieht – und sich folglich im Luxusbunker verschanzt. | |
„Es geht mir dabei um Gier“, sagt Michelle Zauner der taz. „Wohlstand auf | |
einem perversen Level. Ich hatte einen Artikel gelesen über Milliardäre, | |
die sich Bunker kaufen – und private Feuerwehrleute anheuern, um ihre | |
kalifornischen Villen vor dem Niederbrennen zu bewahren, während die Häuser | |
der Ärmeren nebenan abfackeln.“ | |
Zauner ist eben auch an sogenannten Bösewichten interessiert – allerdings | |
nicht, um sie als Karikatur durch den Kakao zu ziehen, sondern um allzu | |
menschliche Abgründe zu erkunden. Das muss nicht abgehoben-verkopft sein. | |
Sie schwört auf populäre Hits wie die Mafia-TV-Serie „Sopranos“: „Kaum | |
denkt man dort, jemand ist der Gute“, sagt sie, „sieht man einen hässlichen | |
Teil seiner Psyche. Das finde ich realistisch.“ | |
Und so trifft man auf der mit Khaki-Lampions dekorierten „Jubilee“-Party | |
von Japanese Breakfast allerlei illustre Gestalten, die etwas Unerwartetes | |
tun – aber dadurch menschlich werden. Zauner ist damit ein prima Popalbum | |
mit Psycho-Tiefgang gelungen. | |
17 Jun 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Album-von-Thao--The-Get-Down-Stay-Down/!5690676 | |
[2] /US-Garagepunk-Ty-Segall/!5440384 | |
[3] /Ocean-Vuong-ueber-den-American-Dream/!5625041 | |
## AUTOREN | |
Stefan Hochgesand | |
## TAGS | |
Indiepop | |
USA | |
Neues Album | |
Oregon | |
Britpop | |
Musik | |
Musik | |
Sophia Kennedy | |
Punk | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Britische Indieband The Go! Team: Wumms zum Tanzen | |
„Get Up Sequences Part One“ ist das neue Album von The Go! Team. Darauf | |
mischt das Sextett Northern Soul, HipHop und japanisch anmutenden | |
Popkitsch. | |
Neues Album von H.E.R.: Talent an der Gitarre | |
Auf ihrem dritten Album „Back of My Mind“ veröffentlicht Gabriella Wilson | |
aka H.E.R. 21 neue Songs. Auf den besten steht die E-Gitarre im Fokus. | |
Neues Album von St. Vincent: Outlaw im Blut | |
„Daddy’s Home“ heißt das neue Album der US-Künstlerin St. Vincent. Sie | |
nimmt Familiengeschichten zum Anlass für einen geschichtsträchtigen | |
Popsound. | |
Neues Album von Sophia Kennedy: Diese Frau kann Blut sehen | |
„Monsters“ heißt das mit Spannung erwartete zweite Album der Hamburger | |
Künstlerin Sophia Kennedy. Es bietet ultra- eingängigen Pop und morbide | |
Texte. | |
Der Jungbrunnen des Punk: Es gibt kein Morgen | |
Stürmisch, aber nicht grob: Kalifornische Künstler wie Ty Segall, Dum Dum | |
Girls oder Thee Oh Sees befeuern die Energie des Punk. |