Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- KI-Filme zur Öffnung der Kinos: Die Grenze von Mensch und Maschine
> Mit der Wiederöffnung der Kinos gibt es wieder mehr Begegnungen mit
> echten Menschen. Einige der anlaufenden Filme stellen diese Echtheit
> infrage.
Bild: Darf das Roboter sein? Elli (Lena Watson) als Androide in „The Trouble …
Streamen ist praktisch, kann aber vereinsamen. Zoom-Konferenzen sind auch
praktisch, haben jedoch den Nachteil, dass die Simulation des Gegenübers
nie völlig zur Deckung kommt mit der Person, die ganz real die Daten für
die Projektion am eigenen Bildschirm liefert. Es braucht bloß kurz das Bild
einzufrieren, um die Differenz zu veranschaulichen. Andererseits scheint
es, dass nach einem guten Jahr dieses der Not geschuldeten Umgangs auf
Abstand der eine oder die andere jetzt fremdelt mit Begegnungen da draußen
in Räumen, die lange außen vor blieben: Kinos etwa. Man hat sich etwas
entwöhnt.
Dass unter den vielen wichtigen Kinostarts, die sich in dieser Woche
drängeln, gleich mehrere Filme anlaufen, in denen die Grenze von Mensch und
Maschine, dem „Echten“ und der Simulation ins Visier genommen wird, passt
fast schon zu gut. Wobei solche Fragen längst keine Angelegenheit der
Science-Fiction mehr sind, sie bestimmen zunehmend den Alltag. Seien es die
Sprachassistenten, um einem das Tippen auf dem Smartphone abzunehmen,
Robo-Advisor, die man in Fragen der Vermögensverwaltung konsultieren kann,
oder die verschiedenen Pflegeroboter, wie sie in japanischen Altersheimen
zum Einsatz kommen: Die Roboter sind da. Und sie werden mehr.
Völlig konsequent stellt [1][Maria Schraders vor Kurzem im Wettbewerb der
Berlinale gezeigte Komödie „Ich bin dein Mensch“] die bisher noch
hypothetische Frage, wie geeignet Roboter als Partner sind. Und geht damit
einen guten Schritt weiter als bei den genannten bisher eher funktional
verwendeten Maschinen.
In Schraders Film soll eine Wissenschaftlerin am Pergamonmuseum, von Haus
aus mit Altertumsforschung beschäftigt, den Prototyp eines solchen
elektrischen Freunds testen. Nicht aus Neigung willigt Alma (Maren Eggert)
in das Experiment ein, sondern weil im Gegenzug zusätzliche
Forschungsmittel für ihre Projekte winken, ein
wissenschaftsbetriebsinternes Tauschgeschäft.
Die ersten Tage mit „Tom“ (Dan Stevens), der eigens dazu programmiert
wurde, Alma glücklich zu machen, laufen entsprechend rumpelig an, Alma
möchte die Sache hinter sich bringen und erledigt wissen, wie sie Tom
barsch wissen lässt. Dessen anfängliche Versuche, nach statistischer
Wahrscheinlichkeit auf Verführungserfolg zu setzen und zum Beispiel Almas
Badewanne mit Kerzen zu dekorieren, schlagen ausnahmslos fehl.
## Das „Programm“ Liebe
Tom erweist sich allerdings als lernfähig, passt sich einerseits an Almas
Art und Erwartungen an, andererseits entzieht er sich auch schon mal oder
antizipiert gar Almas Verhalten.
Die Entwicklungsstufen, die Alma derweil durchläuft, ähneln denen, mit
denen Konsumenten häufig auf neu eingeführte Technologien reagieren: Auf
anfängliche Ablehnung folgt skeptische Neugier und schließlich Akzeptanz,
spätere Abhängigkeit nicht ausgeschlossen. Was bedeuten könnte, dass es bei
Alma in ihrer Zuneigung zu Tom womöglich auch bestimmte „Programme“ gibt,
die sie steuern und die den Algorithmen Toms nicht völlig unähnlich sind.
Und was, wenn eine Maschine, die selbst gar nichts will, sich am Ende als
kooperationsfähiger und friedfertiger erwiese als Menschen aus Fleisch und
Blut?
## Ein ungesundes Paar
Weniger optimistisch ist der Blick, den die [2][österreichische Regisseurin
Sandra Wollner in ihrem zweiten Spielfilm, „The Trouble With Being Born“],
auf die Beziehung von Mensch und Maschine wirft. Als Kammerspiel legt sie
die Geschichte von Elli (Lena Watson) und Georg (Dominik Warta) an. Die
beiden wohnen zusammen in einem großzügigen Haus, es ist Sommer, Elli
verbringt viel Zeit am und im Pool, Georg sitzt in der Nähe, arbeitet an
seinem Tablet. Elli nennt Georg Papa, ihr Umgang ist der eines Paars.
Elli ist ein Roboter, zu erkennen an der dezent wächsernen Maske. Das
Gruselige daran: Sie ist Georgs seit Jahren vermisster Tochter Elli
nachempfunden. Wollner führt das nicht groß aus, packt es in eine
Nachrichtenmeldung, die am Rande mal läuft. Überhaupt wirkt ihr Film im
Vergleich zu Schraders schnörkellos erzählter Komödie fragmentarischer,
assoziativer.
Wollner lässt Elli oft mantraartig wiederholte Sätze aus dem Off sprechen,
Erinnerungen, bei denen nie ganz klar ist, ob es Erinnerungen der
Roboter-Elli oder von Georgs Tochter Elli sind. Die Sache wird weiter
kompliziert, als Elli von Georg aus eines Nachts aufbricht, um der echten
Elli nachzuspüren.
Wollner interessiert dabei vor allem die Frage nach Identität und wie diese
durch das Gedächtnis zusammengehalten wird. Nicht zuletzt fragt sie ebenso,
ohne das Thema direkt auszubuchstabieren, ob sich vertreten ließe, Roboter
als Partner so zu konstruieren, dass sie auch pädophile Neigungen
befriedigen.
## Ausbeutung von Menschenkörpern
Und was, wenn Menschen andere Menschen wie Maschinen einsetzen, sie als
„lebende Drohnen“ missbrauchen? Brandon Cronenberg, der Sohn von
[3][Regisseur David Cronenberg], geht dieser Idee in seinem zweiten
Spielfilm, „Possessor“, nach.
Andrea Riseborough spielt darin die Auftragsmörderin Tasya, die durch
Hirnimplantate die Körper anderer Personen „übernimmt“, um ihre Arbeit so
aus der Distanz und ohne eigenes Risiko zu erledigen. Ausbeutung und
skrupellose Effizienz herrschen in diesem blutigen
Science-Fiction-Body-Horror.
Was Riseborough in einer der stärksten Szenen, in der sie sich auf ein
Wiedersehen mit ihrer Familie vorbereitet, nebenbei zeigt: Wenn man zu viel
in den Körpern anderer unterwegs ist, sind auch die eigenen Affekte
mitunter nicht mehr authentisch, sondern wollen bis zur Mimik einstudiert
sein.
1 Jul 2021
## LINKS
[1] /Deutsche-Filme-bei-der-Berlinale/!5749550
[2] /Androide-am-perversesten-Punkt/!5665761
[3] /David-Cronenbergs-Romandebuet/!5031339
## AUTOREN
Tim Caspar Boehme
## TAGS
Kino
Science-Fiction
Roboter
Horror
Schwerpunkt Künstliche Intelligenz
Komödie
Uraufführung
Deutscher Filmpreis
Maria Schrader
Regisseurinnen
Actionfilm
## ARTIKEL ZUM THEMA
Science-Fiction-Oper in Hannover: Das Wollen der Androidin
Wo künstliche Menschen geplant werden, geht die Geschichte oft schief.
Sachte futuristisch erzählt davon die Oper „Humanoid“ in Hannover.
Verleihung des Deutschen Filmpreises: Wieder ein richtiges Fest
Bei der Gala zum 71. Deutschen Filmpreis räumen „Ich bin dein Mensch“ und
„Tides“ ab. Doris Dörrie schießt ein Pfeilchen gegen #allesaufdentisch.
Deutsche Filme bei der Berlinale: Liebe ist Sache der Algorithmen
Roboter im Plattenbau, Verzweiflung in Berlin 1931 und ein
Nachbarschaftszwist: Davon erzählen drei deutsche Spielfilme im
Berlinale-Wettbewerb.
Androide am perversesten Punkt: Mehr als nur creepy
Österreicherin Sandra Wollner erzählt in „The Trouble with Being Born“ von
Wiedergängern. Es ist die Geschichte von Abgründen der Familie.
„Terminator: Dark Fate“ im Kino: In Würde gealterte Maschinen
Im neuen „Terminator“-Film von Tim Miller gibt es wieder ein
Generationentreffen der Killerroboter. Jetzt haben aber Frauen mehr zu
sagen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.