# taz.de -- Androide am perversesten Punkt: Mehr als nur creepy | |
> Österreicherin Sandra Wollner erzählt in „The Trouble with Being Born“ | |
> von Wiedergängern. Es ist die Geschichte von Abgründen der Familie. | |
Bild: Lena Watson als Elli am Pool: Mensch oder Androide? | |
Es stimmt etwas nicht. Am Flirren der Sonne durch die Blätter, an der | |
Idylle mit Haus, Natur und mit Pool, am Ton des Mädchens, das hier von der | |
Gegenwart wie von einer Erinnerung spricht, an der Reaktion des Vaters, als | |
das Kind, er ruft sie Elli (Lena Watson), wie tot im Wasser treibt, am | |
Gesicht, dem Mund, den Haaren, sogar an den Körpergeräuschen der Tochter: | |
An alldem stimmt etwas nicht. Das spürt man, bevor klar zu werden beginnt, | |
dass Elli nicht human, sondern ein Roboter ist. Ein Roboter, der die Form | |
von Menschen annehmen kann, wieder zum Leben erweckt. | |
Elli ist zehn Jahre tot, in Form eines Androiden kehrt sie zurück. Georg | |
(Dominik Warta) erlebt das Wunder, dass er das tote Kind wieder im Arm | |
halten kann. Es ist das uralte Wiedergängermotiv, dem zuletzt die | |
französische Fernsehserie „Les Revenants“ viele Ambivalenzen und | |
unheimliche Aspekte abgewonnen hat. Es ist nicht immer, vielleicht sogar | |
nie das reine Glück, die Erfüllung der eigenen, tiefsten Sehnsüchte und | |
Wünsche real zu erleben. Wenn sein darf, was nicht sein kann, sorgt das für | |
sehr gemischte Gefühle. | |
Die Österreicherin Sandra Wollner hat sich in ihrem Spielfilmdebüt „Das | |
unmögliche Bild“ von 2016 als Meisterin der Zwischen-, der Misstöne, aber | |
auch der täuschenden, irritierenden Bilder und der Abgründe in | |
Familienzusammenhängen erwiesen. In der ersten der beiden Geschichten, die | |
sie in „The Trouble with Being Born“ um [1][die Androidin/den Androiden] | |
erzählt, dreht sie die Schraube so subtil wie gnadenlos bis zum | |
perversesten Punkt: Das Verhältnis des „Vaters“ zu seiner „Tochter“ ist | |
mehr als nur creepy. | |
Es wird dann noch eine zweite Geschichte erzählt, auch sie dreht sich um | |
Wünsche, Ängste, Tod und Wiederbegegnung. Die Verbindung genau dieser | |
Geschichten scheint etwas willkürlich, aber um narrative Zusammenhänge geht | |
es hier so wenig wie um die Frage, wie der Android überhaupt in die Welt | |
kam. Wollners Stärken liegen im Atmosphärischen, in der leisen Verschiebung | |
von Ton und von Sinn, mit oft weitreichenden Implikationen. Sie belohnt | |
genauestes Hinhören, Hinsehen, Bedenken. „The Trouble with Being Born“ ist | |
ein unheimlicher, ein unangenehmer, ein verstörender Film, der mit dem | |
letzten Bild nicht vorbei ist. Die Frage „Was habe ich da gesehen?“ wird | |
man so schnell nicht mehr los. | |
25 Feb 2020 | |
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## AUTOREN | |
Ekkehard Knörer | |
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