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# taz.de -- Sportlerinnen über die Lage in Ungarn: „Das war ein Regenbogen-T…
> Die queeren Tanzsportlerinnen Réka und Anita sprechen über die
> Fußball-EM, die Budapester LGBTQ-Szene und was die homophoben Gesetze für
> sie bedeuten.
Bild: Pride Parade in Budapest, Juli 2015
taz: Réka und Anita, es gab in Deutschland große Debatten über die Münchner
Arena, die nicht in Regenbogenfarben leuchten durfte, und über Ungarns
Ministerpräsidenten Viktor Orbán, der seinen Besuch des Spiels abgesagt
hatte. Die Europameisterschaft wird zunehmend von LGBT-Solidarität geprägt.
Wie wird das alles in Ungarn wahrgenommen?
Réka: Ich lese nur noch internationale Presse, nicht die ungarische. Ich
will das nicht mehr hören.
Anita: Die ungarischen Medien berichten, aber es wird nicht so diskutiert.
Es gibt noch ein paar unabhängige Medien, die sind gut und sehr wichtig.
Die Regierungsmedien blenden es aus. Als Ex-Torhüter Gábor Király vor dem
Deutschlandspiel interviewt wurde und im Hintergrund eine Regenbogenfahne
war, haben sie den Hintergrund unscharf gemacht. Auch während der
Übertragung gab es kein Wort über die Regenbogenfahnen. Bei der Demo gegen
das neue Gesetz haben sie uns in die Nähe von Pädophilie gerückt und
geschrieben: 10.000 Betroffene demonstrieren, die von Soros bezahlt sind.
Wer kann all das noch glauben? Das ist echt krass.
Wie empfindet Ihr die Stimmung in der Bevölkerung?
Réka: Ich meine, die Leute sind toleranter als das Gesetz. Gerade in den
Städten.
Anita: Vor allem die jüngere Generation, die ist total tolerant.
Réka: Wir leben aber auch in unserer Bubble. Das Land ist total gespalten,
es gibt so viel Hass, vor allem in den Sozialen Medien sieht man das.
Anita: Ich glaube, Orbán hat nicht damit gerechnet, dass es international
so viel Solidarität gibt. Das ist super für uns.
In Deutschland gab es auch [1][Stimmen], die die Aktion als heuchlerisch
oder oberflächlich kritisierten.
Anita: Ich finde sie gut. Ich hätte nie gedacht, dass ein solcher
Regenbogen-Tsunami kommt. Ich habe die Petition geteilt, und die Ungarn,
die in Deutschland leben, waren interessanterweise alle dafür.
Réka: Hier in Ungarn wird darüber nicht geredet. Die Sichtbarkeit hilft
uns.
Ihr seid beide queere Tanzsportlerinnen, Ihr tanzt Standard gemeinsam als
Frauenpaar, auch international. Welche Erfahrungen macht ihr in Ungarn?
Réka: Als ich nach Budapest zog, gab es eine Tanzschule, wo Schwule und
Lesben tanzen konnten. Es war schön, einen sicheren Ort zu haben. Aber alle
Lehrer sind mittlerweile nach Berlin gezogen. Später habe ich mit Freunden
einen neuen Klub gegründet. Am Anfang waren wir sehr scheu, wir wollten
nicht bei Mainstream-Klubs tanzen. Wir hatten Angst, wie die Leute
reagieren. Aber ich wurde sehr positiv überrascht, als wir dorthin
gewechselt sind. Es war kein Ding.
Anita: Von Familie zu Familie ist es verschieden. Ihre Familie ist
tolerant, meine eher nicht so. Letzten Sommer waren wir während der
Pandemie auf dem Land und haben in einem Klub getanzt. Da waren auch Kinder
dabei. Es gab keine Probleme. Aber wir haben überlegt: Was wird jetzt
passieren, wenn wir wieder da tanzen? Der Trainer könnte jetzt bestraft
werden.
Das fällt unter das neue Gesetz?
Réka: Ja, klar. Da tanzen auch Kinder unter 18, und die würden dann mit
Schwulen und Lesben in Kontakt kommen. Es gehen geschützte Räume für queere
Jugendliche verloren, 17-Jährige könnten jetzt nicht mehr bei uns tanzen.
Die Frage ist, ob dieses Gesetz eingehalten werden kann. Ich glaube, das
kann niemand einhalten. Sonst müssen wir wirklich emigrieren. Meine erste
Tanzpartnerin ist schon längst in Portugal. Leider gibt es diesen Exodus.
Viele ziehen ins Ausland, weil sie die Hoffnungslosigkeit nicht mehr
aushalten. Aber jemand muss auch bleiben.
Wie steht es um Sportangebote für LGBT in Ungarn?
Réka: Es gibt den Verein [2][Atlasz], das ist die Schirmorganisation.
Tatsächlich die einzige. Darunter gibt es viele verschiedene Sportarten.
Und jedes Jahr einen Sporttag, wo sie sich vorstellen. Die Gay Games sind
auch schön, aber unter der ungarischen Fahne sind sehr wenige Leute. Vor
allem sind das wir, die Tänzerinnen. Und es gibt auch private Initiativen.
Viele LGBT wollen Sport und Gemeinschaft verbinden und sich dabei sicher
fühlen.
Können schwul-lesbische Sportvereine in Ungarn relativ unbehelligt
arbeiten?
Réka: Razzien gibt es zum Glück noch keine. (lacht)
Anita: Es ist okay. Wenn man eine Turnhalle mietet, gibt es kein Problem.
Beim Schwimmen hatten sie Probleme mit einer Schwimmhalle, es gab einen
Rechtsstreit, weil die keine Schwulen wollten. Aber die Halle hat verloren.
Wie werden Homosexuelle im ungarischen Sport dargestellt?
Anita: Gar nicht.
Réka: Stillschweigen. Wir wissen, dass es Schwule und Lesben im
Spitzensport gibt, aber sie sind nicht out. Niemand. Torhüter Peter Gulácsi
setzt sich für die Kampagne „Familie ist Familie“ ein, dass auch
homosexuelle Paare Kinder adoptieren können. Das fand ich echt toll. Aber
er kriegt sein Geld ja auch nicht aus Ungarn.
Anita: Naja, er ist in der Nationalelf, das ist schon mutig. In Ungarn
wurden zum Deutschlandspiel die Stadien und das Opernhaus aus Protest in
Nationalfarben beleuchtet. Das war krass. An dem Tag, als über das Gesetz
abgestimmt wurde, hat Ungarn gegen Portugal gespielt. Ich war so sauer, ich
habe gesagt: Jetzt unterstütze ich Portugal.
Réka: Das finde ich so schlimm, wenn man das Gefühl hat: Ich muss mich
schämen, dass ich aus Ungarn komme. Man sollte eine gesunde Beziehung zur
eigenen Nation haben. Wegen der Regenbogenfarben waren wir auch ein
bisschen für Deutschland.
Was würde euch, abgesehen von Regenbogenfahnen, wirklich helfen?
Réka: Geld an der Basis: wenn irgendwie die Regierung ausgeschlossen werden
könnte und die EU-Gelder direkt an die Organisationen und Städte gehen, an
verschiedene Projekte. Ich finde es krass, dass die EU so viel Geld für
Orbán und seinen Freundeskreis ausgibt. Es sollte von unten aufgebaut
werden, das würde uns viel helfen.
25 Jun 2021
## LINKS
[1] /Regenbogendebatte-bei-der-Uefa/!5777421
[2] https://atlaszsport.hu/en
## AUTOREN
Alina Schwermer
## TAGS
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