# taz.de -- Ungarns LGBTQ-Vereine bedroht: Der Sport und das Gesetz | |
> Queere Sportklubs in Budapest sorgen sich, dass sich ihre schlechte Lage | |
> mit dem neuesten Parlamentsbeschluss künftig noch mehr verschlechtert. | |
Bild: Ist der Sport in Ungarn für alle da? LGBTQ-Klubs haben Sorge | |
Ein neues Gesetz schreibt in Ungarn vor, dass Jugendliche etwa an der | |
Schule, in Büchern und Filmen nicht mehr mit Homosexualität und | |
Transsexualität in Berührung kommen dürfen. Das betrifft den Sport nur | |
indirekt. So berichtet Anna Szlávi, die Leiterin der Tischtennisabteilung | |
in der einzigen LGBT-Sportorganisation [1][„Atlasz“], dass es bei ihnen | |
ohnehin keine Mitglieder unter 18 Jahren gebe. Aber: „Gerade vor kurzem | |
hatten wir noch diskutiert, wie wir Teenager besser erreichen und | |
unterstützen können, und das wird jetzt nicht funktionieren.“ Verheerend | |
sei vor allem die moralische Abwertung als krankhaft und pädophil. | |
Wir treffen uns in einem Café in Budapest, einem dieser Hipster-Orte mit | |
teuren Limonaden. Szlávi sagt, das liberale Budapest sei der beste Ort in | |
Ungarn. Sie habe hier keine Angst, mit ihrer Partnerin über die Straße zu | |
gehen, und der progressive Bürgermeister lade LGBT-Organisationen | |
regelmäßig ein. Aber Besuche in Westeuropa zeigten ihr, was Budapest sein | |
könnte. Anna Szlávi ist Linguistin, Mitbegründerin des Magazins qLit für | |
queere Frauen, Dozentin und hat mehrfach zu LGBT im Sport publiziert. | |
Zwei Dinge sind ihr besonders aufgefallen. Erstens: die schlechte Lage | |
queerer Frauen im Sport, ein europaweites Problem. Auch Atlasz sei sehr | |
lange von Schwulen dominiert gewesen. Mit der Tischtennisabteilung, die | |
speziell für Frauen geschaffen wurde, habe sich das etwas geändert. | |
Besonders in Ungarn, wo das Mutterideal gegenüber Sportlerinnen stark sei | |
und Sport sehr patriarchal geprägt, seien Frauen auch in der queeren Szene | |
außen vor. | |
Und dann gibt es ein zweites, spezifisch post-sozialistisches Problem, das | |
es Organisationen wie Atlasz schwer macht: wenig Graswurzelkultur. Und | |
entsprechend wenig demokratische Eigeninitiative, wenig Neigung zur | |
Vereinsmitgliedschaft. Nach Angaben von Anna Szlávi sind im europäischen | |
Schnitt rund 10 Prozent der BürgerInnen Mitglied in einem Verein oder einer | |
Organisation, in Ungarn nur 2 Prozent. Das sei erschreckend und verändere | |
sich nur sehr langsam. Zu besten Zeiten habe Atlasz 100 Mitglieder gehabt. | |
„Auch sehr viele LGBT in Ungarn machen lieber individuellen Sport, statt zu | |
Atlasz zu gehen, weil sie Mitgliedschaft nicht gewohnt sind.“ Und sich | |
überdies wegen der Homophobie nicht mit so einer Organisation verbinden | |
wollten. | |
Viktor Orbán investiere zwar massiv in Sport, aber das diene vor allem | |
nationalistischer Propaganda und Medaillen, nur 1,9 Prozent davon gingen an | |
den Breitensport. Das bringe auch ganz praktische Probleme: „Ungarn belegt | |
einen der weltweit höchsten Ränge bei Fettleibigkeit.“ Und es führe eben zu | |
fehlender demokratischer Vereinskultur, wenig gemeinsamer Partizipation. | |
Dass queere Vorbilder im Spitzensport fehlen, darüber ist Szlávi indes | |
nicht erstaunt: Als Nationaltorwart [2][Peter Gulácsi] sich für | |
Adoptionsrechte von Homosexuellen ausgesprochen hat, sorgte er für einen | |
riesigen Skandal. | |
25 Jun 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://atlaszsport.hu/en | |
[2] /Hertha-hat-ein-Problem-schnell-geloest/!5760372 | |
## AUTOREN | |
Alina Schwermer | |
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