# taz.de -- Debatten innerhalb Communitys: Zwischen Kritik und Schadenfreude | |
> Ob Antisemitismus in der Antirassismusszene oder Transfeindlichkeit unter | |
> Feminist_innen: Es passiert. Nur ist es schwer zu ertragen. | |
Bild: Bei Kritik wird man schnell von den dogmatischsten Mitgliedern als Nestbe… | |
[1][Der Nachdenkmonat Juni ist vorbei,] aber eine Mood wird mir bleiben: | |
Bei allen gemeinsam erlebten Kämpfen ist keine Community oder Szene, egal | |
wie links, feministisch oder queer, frei von Machtgefällen. Die perfekte | |
Gemeinschaft gibt es nicht, wie sollte sie auch aussehen? Homogenität halte | |
ich für so wenig erstrebenswert wie realistisch, eher Pluralität. Doch auch | |
die birgt Reibungsflächen, wie nackte Oberschenkel, die in der Hitze beim | |
Laufen ins Scheuern geraten. Ans Ziel tragen sie eine_n trotzdem. | |
Sei es Rassismus und Sexismus in weiß-männlich dominierten linken Räumen, | |
Antisemitismus in der Antirassismusszene oder Transfeindlichkeit unter | |
Feminist_innen: [2][All diese Strukturen durchziehen zwar auch die | |
Dominanzgesellschaft] zur Genüge, doch unter Genoss_innen oder Geschwistern | |
fühlt sie sich schlimmer an. Darüber wird viel gesprochen und noch lange | |
nicht ausreichend. Manche dieser Debatten finden in geschlossenen Räumen | |
statt, andere in der Öffentlichkeit. Gerade da wird es zu einem Balanceakt: | |
Wo verläuft denn eigentlich die Grenze zwischen solidarischer Kritik und | |
ressentimentgeladener Empörung? | |
Besonders out ist es noch nie gewesen, linke, feministische oder queere | |
Szenen vor großem Publikum zu verreißen. Die Schaulust ist riesig, vor | |
allem für Unbeteiligte: Ausgerechnet die, die sich vermeintlich moralisch | |
überlegen fühlen, haben ihren eigenen Dreck am Stecken! Auf die | |
Schadenfreude über solche Fälle können sich Rechte, Konservative und Bürgis | |
immer einigen. Ohne sich mit ihrer eigenen antisemitischen, rassistischen, | |
misogynen, homo- und queerfeindlichen Haltung auseinandersetzen zu müssen, | |
können sie genüsslich dabei zuschauen, wie die von ihnen verhassten | |
Communitys in der gegenseitigen Schussbahn stehen. Nicht, dass sie sich je | |
groß für Feminist_innen, Jüdinnen_Juden, Schwarze Menschen, | |
[3][migrantisierte Leute oder Queers] interessiert hätten – aber Popcorn | |
auspacken und zuschauen geht immer. Der Skandalfaktor befördert | |
Mittelmäßigkeit auf die obersten Ränge der Hitlisten. | |
Jene, die aus den Szenen heraus selbst sprechen und Kritik äußern, werden | |
dabei manchmal von den dogmatischsten Mitgliedern ihrer Communitys als | |
Nestbeschmutzer_innen diffamiert – oder zumindest werden sie auf heftigen | |
Gegenwind stoßen. Andere Personen waren nie Teil dieser Communitys und | |
beteiligen sich nur an der Kritik, auf der Suche nach Clout von | |
irgendwoher, oder als Sprungbrett zu mehr Reichweite oder aus Spaß an der | |
Schadenfreude. In ihre Zeilen ragt oft etwas Reaktionäres, das die | |
eigentliche Kritik überschattet. Die Frage danach, wie viel zusätzliche | |
Entsolidarisierung sie den politischen Szenen, die teils von staatlicher | |
Repression betroffen sind, eigentlich zumuten können, stellt sich ihnen | |
nicht. Wie aufrichtig kann Interesse an einer Besserung sein, wenn sich in | |
erster Linie ein regressives Publikum daran erfreut? | |
3 Jul 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Nichts-zu-feiern-im-Pride-Month/!5779497 | |
[2] /Queerbaiting-in-der-Popkultur/!5777646 | |
[3] /Schwerpunkt-LGBTQIA/!t5025674 | |
## AUTOREN | |
Hengameh Yaghoobifarah | |
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