# taz.de -- Hamburgs oberster Datenschützer hört auf: „Man muss Kritik aush… | |
> Heute wird Hamburgs Datenschutzbeauftragter Johannes Caspar nach zwölf | |
> Jahren im Amt offiziell verabschiedet. Von Anfang an gab es viel zu tun. | |
Bild: Nun endet seine Amtszeit: Hamburgs Datenschutzbeauftragter Johannes Caspar | |
taz: Herr Caspar, hatten Sie als Hamburgs oberster Datenschützer manchmal | |
das Gefühl, gegen Windmühlen zu kämpfen? | |
Johannes Caspar: In der Tat. Das ist eine Aufgabe, bei der Gegenwind nicht | |
ausbleibt. Als Beauftragter für die Rechte und Freiheiten von Menschen, die | |
von Datenmissbrauch betroffen sind, muss man einen langen Atem haben. | |
Wie ernst wurde der Datenschutz zu Beginn Ihrer Amtszeit vor zwölf Jahren | |
genommen? | |
Am Anfang meiner Amtszeit lag die Diskussion um Google Street View. Das war | |
der letzte Kampf der analogen gegen die digitale Welt, die zu diesem | |
Zeitpunkt für alle sichtbar aufzog. Die Autos mit den hohen Kamerastativen | |
haben für die Menschen etwas Bedrohliches symbolisiert. Die Angst eines | |
Einbruchs ins Private hat damals zu einem Riesenaufschrei geführt. Gegen | |
die aktuellen Bedrohungen der informationellen Integrität, etwa die | |
automatisierte Gesichtserkennung in Echtzeit, ist Google Street View eher | |
eine Kleinigkeit. Einen derartig breiten Widerstand gegen [1][eine | |
besondere Art der Datenverarbeitung] hat es seither nicht mehr gegeben. | |
Das heißt: Datenschutz wird heute weniger ernst genommen? Oder ist das | |
Resignation vor der technischen Übermacht? | |
Ich würde nicht von Resignation sprechen. Die Entwicklung wird zum Teil aus | |
Gewöhnung so hingenommen. Dennoch: Digitalisierung hat Schattenseiten. Das | |
macht sich bei uns in der Behörde durch massiv gestiegene Beschwerdezahlen | |
bemerkbar. Das sind dann zumeist Einzelfälle, die in den Fokus rücken. Die | |
Menschen führen nicht mehr so sehr grundsätzliche Debatten über die | |
Legitimität und Grenzen der Digitalisierung. Dabei ist das durchaus nötig. | |
Wurden Sie vor 12 Jahren mit Ihren Anliegen ernst genommen? | |
Das war ganz am Anfang eher schwierig. Es hat einige Monate gedauert, um | |
klar zu machen: Datenschutz ist nichts Nebensächliches. Gerade die | |
Auseinandersetzungen über Google Street View, die zu deutlichen | |
Verbesserungen beim Datenschutz geführt haben, zeigten: | |
[2][Aufsichtsbehörden haben Zähne.] Auch andere große Unternehmen mussten | |
das dann zur Kenntnis nehmen. | |
War das Vorgehen gegen Tech-Unternehmen der große Erfolg in Ihrer Amtszeit? | |
Die gute Nachricht ist: Big Tech kann reguliert werden. Es darf jedoch | |
nicht verkannt werden, dass die Erfolge relativ sind: Auf jedes Problem | |
folgen fünf neue. Wir haben versucht, möglichst schnell und effizient zu | |
reagieren. Das ist uns gut gelungen. Dennoch zeigt sich gegenwärtig auf | |
EU-Ebene, dass die Struktur von 30 miteinander kommunizierenden | |
Aufsichtsbehörden hakt. | |
Zwischenzeitlich wurden Sie für Ihre Arbeit vom Senat und von der | |
Opposition hoch gelobt. Später, etwa beim neuen Polizeigesetz, schien der | |
Senat Ihre Kritik beharrlich ignorieren zu wollen. | |
Ein Datenschutzbeauftragter, der nur gelobt wird, macht etwas falsch. Vom | |
Polizeigesetz über die G20-Ermittlungen bis zur Digitalisierung der | |
Verwaltung oder auch der Reform von Datenschutz- und Transparenzgesetz gab | |
es aus meiner Sicht immer wieder mal Anlass zu Kritik. Senat und die | |
Behörden zu kontrollieren ist unsere verfassungsmäßige Aufgabe. Kritik | |
sollte nicht als Majestätsbeleidigung verstanden werden, sondern als Hilfe, | |
die Dinge auf den Weg zu bringen. Unternehmen verstehen das mitunter besser | |
als die Politik. | |
Haben Sie angesichts der Entwicklung technischer Überwachungsmöglichkeiten | |
bei sich selbst schon mal festgestellt, dass Sie neuen Technologien | |
feindlich gegenübertreten? | |
Die Technik selbst ist immer neutral. Ihr Einsatz muss dem Recht folgen, | |
nicht umgekehrt. Das gilt für die Gesichtserkennung, die in Hamburg im Zuge | |
des G20-Gipfels eingesetzt wurde, wie für andere Maßnahmen, etwa die | |
Einführung von Bodycams bei der Polizei. Der Einsatz von Technik ist | |
transparent zu diskutieren, nötigenfalls müssen verhältnismäßige Gesetze | |
geschaffen werden, um ihn zu legitimieren. Das ist der Maßstab des | |
Rechtsstaats. | |
Im Laufe der Jahre haben Sie einige zusätzliche Befugnisse von der Politik | |
zugestanden bekommen – Sie schienen aber nicht immer ganz glücklich damit. | |
Warum? | |
Bei uns landen täglich zig Beschwerden wegen Datenschutzverstößen. Das hat | |
massiv zugenommen im Laufe der Jahre. [3][Dass eine Behörde auf Beschwerden | |
sitzen bleibt], weil sie nicht genug Personal hat, um sie zu bearbeiten, | |
ist nicht hinnehmbar. Mehr Aufgaben erfordern mehr Personalausstattung. Man | |
ist nicht unabhängig, wenn man die übertragenen Aufgaben nicht erfüllen | |
kann. | |
Sind Sie froh, dass Sie den Stress nun nicht mehr haben? | |
Es war eine spannende Zeit in einem großartigen Team mit großen | |
Herausforderungen. Nun ist es Zeit, sich den drängen Fragen der umfassenden | |
Effizienzrevolution der Digitalisierung aus grundsätzlicherer Perspektive | |
zu widmen: Wie schützen wir die informationelle Integrität in der Zukunft? | |
Antworten sind nötig, um künftig selbstbestimmt leben zu können. | |
Was geben Sie Ihrer noch nicht bestimmten Nachfolge mit auf den Weg? | |
Man muss den eigenen Weg gehen und Kritik aushalten. Allen recht machen | |
kann man es nicht. In diesem Job wäre es ein Fehler. | |
22 Jun 2021 | |
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André Zuschlag | |
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