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# taz.de -- Hannöversche Fabrikanten-Fantasien: Pharaonen-Träume in der Leine…
> Ägypten im Fiebertraum: Im frühen 20. Jahrhundert wollte der Keks-Tycoon
> Hermann Bahlsen eine fantastische Fabrikstadt errichten lassen.
Bild: 35-Meter-Wahrzeichen: Eine Säule sollte an Mehl, Milch und Zucker erinne…
Großindustrielle Allmachtsfantasie mischt sich mit Orientalismus, „das
Zeitalter der Wissenschaft kollidiert mit magischem Denken und taumelt in
Richtung Okkultismus“: Um die „TET-Stadt“ geht es am kommenden Mittwoch
[1][in der Veranstaltungsreihe] „Fabrikanten der Wirklichkeit“ des
Kunstvereins Hannover.
Das mit den „Fabrikanten“ stimmt dann auf besondere Weise: Es war ja der
Keksfabrikant Hermann Bahlsen, der in den späten 1910er-Jahren eine, eben,
Backwarenfabrik errichten lassen wollte mitsamt einer Wohnstadt für bis zu
2.000 Menschen.
Solche Projekte gab es auch anderswo, also kapitalistische Patriarchen,
die, kein bisschen selbstlos, ihre Arbeiter_innen mit kurzen Wegen und
halbwegs die Arbeitskraft erhaltenden Hygieneverhältnissen, tja,
beschenkten. Aber nirgendwo sonst sollte derlei aussehen wie in Hannover:
In nicht immer harmonischer Zusammenarbeit mit dem Bildhauer Bernhard
Hoetger wollte Bahlsen da verewigen, wie sich ein Fieberkranker [2][das
alte Ägypten vorgestellt] haben mag.
Rechtfertigt sich ein Produktname wie „Afrika“ – [3][soeben geändert], w…
den Online-Mob gerade SEHR aufregt – über den von dort bezogenen Kakao,
liegt die Pharaonenbegeisterung noch mal anders: 1904 hatte Bahlsen eine
neue Verpackung eingeführt, die für nie dagewesene Frische des verpackten
Gebäcks sorgen sollte: die „TET-Packung“, eingedeutscht abgeleitet von
einer Hieroglyphe mit der Bedeutung „ewig dauernd“. Grafisch sind ihre
Elemente – Oval, Schlange, Halbkreis und drei Punkte – [4][bis heute Teil
der Selbstdarstellung] des Konzerns.
Es dauerte damals fast zehn Jahre, bis ein Bauantrag gestellt wurde.
Bahlsen und Hoetger entzweiten sich über ästhetische, aber auch
Machbarkeitsfragen; ein Hoetger’sches Modell bezeichnete der Keksmagnat
1917 als „Idee“, deren „praktische Ausführung“ aber „ausgeschlossen�…
Dazu soll Herman Bahlsen sich am Mittwoch klärend äußern können: Der 1919
Verstorbene sei „höchstselbst eingeladen“, erklären der Kunstverein und d…
Mann hinter der Reihe, der ehemalige Villa-Minimo-Stipendiat [5][Till
Wittwer]. Sein Erscheinen indes habe Bahlsen „aber noch nicht bestätigt“.
„Fabrikanten der Wirklichkeit“ beschäftigt sich Wittwer zufolge „mit der
Gemachtheit der Welt und insbesondere mit der Frage, wie Fiktion und
Erzählung Werkzeuge sein können, um Wirklichkeit zu konstruieren: Es ist
eine Art Recherche-Kunst – oder auch Wissensvermehrung von einer
künstlerishcen Warte aus. Eigentlich sollten zwischen Oktober 2020 und Juni
2021 im Kunstverein Hannover sechs Gespräche stattfinden sowie sechs
Hörstücke und eine ebenfalls hörbare Einführung entstehen, was aber Corona
geschuldet terminlich ins Rutschen kam.
Dem nun anstehenden Termin gingen voraus: ein Gespräch übers „Bilder machen
(von Dingen, die keinen Schatten werfen)“ mit [6][Tekla Aslanishvili],
sowie eines über „Museen und Dinosaurier“ – mit Annette Richter,
Oberkustodin für Geowissenschaften und Osteologie im Landesmuseum Hannover
und damit Mitverantwortliche der dort laufenden [7][Ausstellung
„Kinosaurier“].
19 Jun 2021
## LINKS
[1] http://www.fabricating.it
[2] https://www.bauwelt.de/das-heft/Hannoveraner-Aegyptomanie-Bahlsen-TET-Stadt…
[3] https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/bahlsen-benennt-afrika-keks-um-a…
[4] https://www.designtagebuch.de/bahlsen-erhaelt-ein-neues-unternehmenslogo/
[5] https://www.till-wittwer.net/
[6] https://www.digitalearth.art/tekla-aslanishvili
[7] https://www.landesmuseum-hannover.de/ausstellungen/kinosaurier/
## AUTOREN
Alexander Diehl
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Bahlsen
Hannover
Kapitalismus
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