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# taz.de -- Ägyptologische Ausstellung in Hannover: Ein Dämon für alle Fälle
> Bes war in Ägypten einst zuständig für Sex und Bier und Tanzmusik: Ein
> Leben ohne den Zusatzgott war fast unvorstellbar. Und auch nicht
> wünschenswert.
Bild: Blick in die Ausstellung. Bes macht bei jedem Spaß mit: Einen besseren G…
Osiris, Isis, Ra, das sind die Big Names des altägyptischen Pantheons.
Heute weniger bekannt, aber viel nahbarer und unendlich vielseitig
einsetzbar, ist der kleine Bes: dick, stummelbeinig und struwwelbärtig. Ein
niedliches Kerlchen!
Das [1][Museum August Kestner in Hannover] jedenfalls hat dieser Gottheit
zum Knuddeln eine überwältigend reichhaltige und außerordentlich
familienfreundliche Ausstellung gewidmet: Wer Kinder hat und da mit ihnen
zusammen reinstolpert, läuft Gefahr, künftig begeisterte
Jung-Altägyptolog*innen aufziehen zu müssen.
Das liegt auch daran, dass das Kurator*innenteam die Schaukästen so
arrangiert hat, dass auch Menschen von weniger als 1,20 Meter Länge sie
selbstständig erkunden können. Vor allem aber empfängt die Ausstellung
ihre Besucher*innen mit einer gut erzählten kurzen
Zeichentrick-Animation.
Die erklärt religionspsychologisch, warum es im Mittleren Reich zur
Einführung eines kleinen Zusatzgottes gekommen sein dürfte. Anschaulich
macht der kurze Film, welche Funktionen der wohl aus Nubien importierte
Dämon im Alltag übernimmt – und diese begegnen einem dann als
Ausstellungskapitel wieder.
## Ein Gott, der keinen Kult braucht
Als Amulett taucht dieser Bes dabei oft auf, denn er ist ein (zudem
unbesiegbarer) Beschützer vor wilden Tieren, ein Heiler – und eine Hebamme.
Gezeigt wird die Rekonstruktion eines Geburtsbettes, das auf vier Beinen in
Bes-Gestalt ruht, daneben präsentiert man zwei originale Geburtsbettbeine
aus der Sammlung des Hildesheimer Roemer- und Pelizaeus-Museums. Dort gibt
es [2][eine kleine flankierende Ausstellung zu sehen]: „noch nie vorher
ausgestellte Bes-Preziosen aus deutschen Privatsammlungen“.
An anderer Stelle ist in Hannover zu erfahren, dass der kleine Gott für
Zwischendurch nicht nur bis weit in die Römerzeit hinein verehrt wurde,
sondern sein Einfluss bis an die westlichen Ränder des Mittelmeers spürbar
war – so sehr, dass man eine der Balearen-Inseln nach ihm benannt haben
dürfte: Ibiza.
Das führt zu den eigentlichen [3][Tugenden des Bes] zurück. Denn der ist
zuständig gewesen für Tanz, Musik, Feste, alkoholische Getränke sowie Sex,
und, oh mein Gott!, gerade in letzterer Funktion trägt seine geschnitzte
Darstellung einen Penis von so grotesker Länge – in etwa das doppelte
seines übrigen Körpers –, dass das Ding eine eigene Halterung benötigt.
Darüber sollten selbst prüde Eltern schmunzeln können, wenn auch sicher
angemessen verschämt.
Vielfältig sind die Darstellungen und variantenreich – der Dämon für alle
Fälle tritt mal, in der Spätphase, in römischer Kriegerrüstung in
Erscheinung, mal mit Schmusepanther, mal als Tamburinschläger; mal wird er
innig verschmolzen mit seiner Frau und vielleicht auch Mutter Bessa
gezeigt, mal als kleine Statuette, mal als Medaillenprägung und mal als
Öllämpchenverschluss: Ein [4][Leben ohne Bes] scheint im Alten Ägypten kaum
möglich gewesen zu sein.
Aber warum hätte man es auch führen wollen? Liebevoll aufgebaut, um
3-D-Simulationen ergänzt, mit einfach lesbaren, aber nie banalen
Erläuterungen garniert, ist dem Kestner-Museum hier eine ungemein
bereichernde Ausstellung gelungen. Über einen Gott, der Spaß am Leben hat
und keinen Kult verlangt.
Bes: Ein guter Gott. Vielleicht, wahrscheinlich, nein: sicherlich der
beste.
10 Jun 2022
## LINKS
[1] https://www.hannover.de/Museum-August-Kestner/Ausstellungen/Guter-D%C3%A4mo…
[2] http://www.rpmuseum.de/
[3] https://www.vergleichende-mythologie.de/vergessene-goetter-bes-spender-von-…
[4] https://www.aegypten-geschichte-kultur.de/bes-schutzgott
## AUTOREN
Benno Schirrmeister
## TAGS
Ägypten
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Kinder
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Bahlsen
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