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# taz.de -- Oppositionspolitikerin in Nicaragua: Die Angst vor dem Namen Chamor…
> Nicaraguas Staatschef Ortega hat die aussichtsreiche
> Oppositionskandidatin für die Wahl festnehmen lassen. Gegen deren Mutter
> unterlag er einst.
Bild: Unter Hausarrest gestellt: die nicaraguanische Oppositionspolitikerin Cri…
Wien taz | In Nicaragua wiederholt sich die Geschichte als Tragikomödie.
Darsteller sind Präsident [1][Daniel Ortega] und Cristiana Chamorro
Barrios. Die Journalistin wurde am Mittwoch in ihrem Haus von martialisch
auftretenden Anti-Aufruhrpolizisten festgenommen. Der Vorwurf: Geldwäsche.
Der Hintergrund: Chamorro wird seit einiger Zeit als aussichtsreichste
Gegenkandidatin einer geeinten Opposition bei den Präsidentschaftswahlen
vom kommenden 7. November gehandelt.
Chamorro soll über die nach ihrer Mutter benannte
Violeta-Barrios-de-Chamorro-Stiftung für Pressefreiheit illegale Gelder ins
Land geschleust haben. Die Beschuldigte bestreitet das und verweist darauf,
dass die fraglichen Transaktionen sogar vom Innenministerium abgesegnet
worden seien. Das war allerdings, bevor die Tochter einer der
prominentesten Familien Nicaraguas ihre mögliche Kandidatur bekannt gegeben
hatte.
Vor über 30 Jahren, im [2][Februar 1990], hatte ihre Mutter Violeta Barrios
de Chamorro Daniel Ortega als Kandidatin der breiten Oppositionsallianz UNO
geschlagen. Die bereits wirtschaftlich gescheiterte und ideologisch
zerrüttete Revolution in dem mittelamerikanischen Staat ging damit nach
kaum elf Jahren zu Ende. Weder Ortega noch seine Sandinistische
Befreiungsfront (FSLN) waren auf diese Schlappe vorbereitet.
Nach drei Perioden liberal-konservativer Regierungen gelang dem ehemaligen
Revolutionskommandanten Ortega [3][2007] ein politisches Comeback. Mit
großzügigen Krediten und Geldgeschenken des damaligen venezolanischen
Präsidenten Hugo Chávez konnte Ortega eine Energiekrise beenden und die
Armutsrate reduzieren. Eine unternehmerfreundliche Wirtschaftspolitik
verbrämte er mit anti-imperialistischer Rhetorik.
## Vater wurde von Somoza ermordet
Gleichzeitig begann er, [4][systematisch die Opposition auszuschalten],
Justiz und Presse unter seine Kontrolle zu bringen und Gesetze, die die
Wiederwahl untersagten, zu beseitigen. Einen [5][Volksaufstand vor zwei
Jahren] ließ er blutig niederschlagen. Seither hat der 75jährige Ortega mit
einer Anzahl [6][repressiver Gesetze] dafür gesorgt, dass potentielle
Gegner kriminalisiert werden können. Darunter ein Gesetz über „ausländische
Agenten“, das auf alle zutrifft, die selbst oder über ihren Arbeitgeber von
Zahlungen aus dem Ausland profitieren.
Nach mehr als fünfstündiger Hausdurchsuchung zogen die Polizisten wieder
ab. Chamorro steht unter Hausarrest und verliert nach der jüngsten
Gesetzgebung das passive Wahlrecht, da gegen sie strafrechtlich ermittelt
wird.
Cristiana Chamorro hatte über Jahrzehnte als Herausgeberin der von ihrem
Vater gegründeten Tageszeitung La Prensa eine eher unauffällige Rolle
gespielt. In der ideologisch gespaltenen Familie stand sie auf der Seite
der Konservativen. Bruder Pedro Joaquín war bei den Contras, Bruder Carlos
Fernando leitete lange Jahre die sandinistische Tageszeitung Barricada und
ist heute als Betreiber unabhängiger Medien eines der Hassobjekte des
Ortega-Regimes.
Ihr Ehemann, der Unternehmer Antonio Lacayo, war während der Regierung
ihrer Mutter als Präsidialminister der starke Mann und treibende Kraft in
einem Privatisierungsprozess, bei dem sich politische wie private Freunde
bereichern konnten. Lacayo starb 2015 bei einem Hubschrauberunfall.
Im Rampenlicht steht Cristiana Chamorro erst, seit sie vor einigen Monaten
ankündigte, sie stünde als Kandidatin zur Verfügung, allerdings nur, wenn
sie von allen nach dem Aufstand 2018 entstandenen Oppositionsallianzen
unterstützt würde.
Vater Pedro Joaquín Chamorro, einst Anführer der bürgerlichen Opposition
gegen den Diktator Anastasio Somoza, wurde 1978 auf offener Straße
ermordet. Daniel Ortega hat zwar durch ein parteiisches Wahlgesetz und
einen gegängelten Wahlrat für alle Eventualitäten vorgesorgt. Doch mit
einer Chamorro will er sich offensichtlich nicht einmal unter diesen
Umständen an den Urnen messen.
3 Jun 2021
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## AUTOREN
Ralf Leonhard
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Nicaragua
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