# taz.de -- Bedeutung der Clubkultur: München ist die Clubhauptstadt | |
> Eine Studie zur Clubkultur belegt ihre Bedeutung für soziales Leben, | |
> Angebote für marginalisierte Gruppen und für die Musikförderung. | |
Bild: Konzert im Knust von Markus Wiebusch | |
Die erste Botschaft, die von der nun veröffentlichten bundesweiten | |
Clubstudie der Initiative Musik ausgeht, ist vielleicht die, dass es sie | |
überhaupt gibt. Erstmals sind Musikspielstätten in Deutschland so exakt | |
statistisch erfasst worden – ein Grund dafür dürfte sein, dass man den | |
sozialen und gesellschaftlichen Wert von Pop- und Clubkultur langsam auch | |
hierzulande (an)erkennt. | |
In Auftrag gegeben wurde die Studie von der Initiative Musik. Die | |
Initiative Musik ist die wichtigste Institution des Bundes zur Förderung | |
von Rock, Pop und Jazz, sie wurde zuletzt mit 16,35 Millionen Euro im Jahr | |
von der BKM (Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien) | |
unterstützt; mit dem Geld werden Musiker:innen, Bands, Spielstätten und | |
Labels gefördert – insbesondere der künstlerische Nachwuchs. | |
[1][Die Studie] gibt einen guten Überblick zur Lage der Clubs im Lande. | |
Alle Veranstaltungsorte mit einer Kapazität bis zu 2.000 Personen, die | |
regelmäßig kuratiertes Musikprogramm anbieten, wurden berücksichtigt. | |
Insgesamt sind dies gut 2.000 Musikspielstätten, die in nichtpandemischen | |
Zeiten 190.000 Musikveranstaltungen pro Jahr anbieten, mit rund 50 | |
Millionen Gästen. | |
Die Clubs erwirtschaften dabei einen Gesamtumsatz von 1,1 Milliarden Euro, | |
43.000 Menschen arbeiten in diesem Bereich. Die Veranstaltungsorte teilen | |
sich auf in Musikclubs (40,7 Prozent), gefolgt von Soziokulturellen | |
Zentren/Jugendzentren (22,2 Prozent), Konzerthallen (11,8), Musikbars | |
(10,7), Jazzclubs (8,1) und Offspaces/Kunsträumen (6,4). | |
## Endlich belastbare Zahlen | |
„Wir haben Clubs auf die Landkarte der Bundeskultur gesetzt, endlich haben | |
wir nun auch belastbare Zahlen, mit denen wir arbeiten und argumentieren | |
können“, sagte Karsten Schölermann am Freitag bei der Onlinevorstellung der | |
Studie. [2][Schölermann ist Betreiber des Knust in Hamburg] und Mitgründer | |
des Bundesverbands der Musikspielstätten Livekomm. | |
Die Untersuchung zeigt zum Beispiel, dass Clubs oft Angebote für | |
marginalisierte Gruppen schaffen und Orte für zivilgesellschaftliche | |
Initiativen und politische Interessengruppen sind. „Wir sind kultursoziale | |
Orte, wir sorgen für den gesellschaftlichen Kitt“, so Schölermann. | |
Er machte zudem auf das Verhältnis zwischen dem staatlichen Förderanteil | |
und den ausgezahlten Gagen aufmerksam. Öffentliche Zuschüsse, so zeigt die | |
Studie, betragen im Schnitt weniger als 10 Prozent der Club-Budgets, | |
wohingegen 23,9 Prozent der Ausgaben den Künstler:innen zugutekommt. | |
„Aus 100.000 Euro Fördergeld machen wir Pi mal Daumen 250.000 Euro Gagen. | |
Ist doch toll!“ | |
## Zu wenig Frauen, zu wenig jüngere Generation | |
Und doch hapert es an vielen Stellen, auch in Sachen Teilhabe und | |
Gleichberechtigung. Von allen Clubs sind knapp ein Drittel nicht | |
barrierefrei und nur 30 Prozent vollständig barrierefrei. Zudem gibt es ein | |
Gendergap: Über 80 Prozent der Clubbetreiber:innen sind männlich, bei | |
den Jazzclubs sogar über 90 Prozent. Nur 29,4 Prozent der Performenden sind | |
im Schnitt weiblich, auch hier sind die Jazzclubs Schlusslicht (22,8 | |
Prozent Frauenanteil). | |
Ein weiteres Problem zeigt sich im demografischen Wandel: | |
Clubbetreiber:innen sind überdurchschnittlich oft in den Altersgruppen | |
der mittleren und älteren Generation, die Boomer und Post-Boomer halten die | |
Läden am Laufen. | |
Diesen Transformationsprozess sieht Ina Keßler, Geschäftsführerin der | |
Initiative Musik, als eine wichtige Aufgabe für die Zukunft – es gehe nun | |
auch darum, die jüngere Generation entsprechend fortzubilden und fit zu | |
machen. Sie verwies auch auf die Relevanz der Livespielstätten für junge | |
Musiker:innen: „Insbesondere für Nachwuchskünstlerinnen sind Clubs wichtige | |
Orte. Bei ihren Auftritten können sich Talente weiterentwickeln, sie | |
erleben live, ob und wie ihre Botschaft rüberkommt.“ | |
Auch zur Coronakrise wurden die Betreiber:innen für die Studie befragt. | |
Mehrheitlich rechnen sie damit, dass sie noch bis zu einem Jahr brauchen | |
werden, um das Vor-Pandemie-Niveau zu erreichen. Freuen wird es sie | |
deshalb, dass das BKM Ende vergangener Woche ankündigte, die Mittel für | |
Musikclubs im Rahmen des Neustart-Kultur-Programms von 27 auf 32 Millionen | |
Euro zu erhöhen. Nun können insgesamt 439 Musikclubs gefördert werden. | |
Eine Überraschung hält die Studie auch noch bereit: Nicht Berlin ist | |
Clubhauptstadt, sondern München. Dort herrscht mit 7,2 Musikspielstätten | |
pro 100.000 Einwohner:innen die höchste Club-Dichte unter den | |
Millionenstädten, es folgen Hamburg (6,6), Köln (6,2) und dann erst Berlin | |
(6,1). | |
1 Jun 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://www.initiative-musik.de/clubstudie/ | |
[2] /Jubilaeum-in-der-Szene/!5324034 | |
## AUTOREN | |
Jens Uthoff | |
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