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# taz.de -- Traditionslokal öffnet wieder: Neu und am Wasser
> Am Samstag feiert das Gasthaus Zenner im Treptower Park sein Comeback.
> Die neuen Betreiber setzen auf Flair statt Trash und lecker Essen.
Bild: Das traditionelle Ausflugslokal im Treptower Park
Berlin taz | Irgendwann stehen die neuen Betreiber an einem Herzstück des
Gasthauses Zenner vor einer größeren Bretterbude mit kleiner, ovaler
Terrazzo-Tanzfläche davor im Biergarten. „Wir eröffnen die Bühne erst ein
mal wie sie ist, später werden wir hier wieder eine runde Bühne bauen, wie
in den Fünfzigern“, sagt der eine der beiden, Tony Ettelt, am
Mittwochnachmittag bei einer Presseführung. Eifrige Besucher*innen des
Treptower Parks werden sich erinnern. Am helllichten Tag waren hier vor der
Schließung des Zenner oft Schwof unterm freien Himmel und Schlager
angesagt. „Das war allerdings eher für die Generation über 70“, lacht
Sebastian Heil, der andere der beiden. „Bei uns wird das schon ein bisschen
anders werden.“ Es wird elektronische Musik und Jazz zu hören sein, ein
DJ-Programm sowie Konzerte geben.
Der Himmel ist blau, die Wolken sind weiß, die Stimmung könnte nicht besser
sein. Am Samstag feiert das Gasthaus Zenner sein Comeback. Nach Monaten der
Enthaltsamkeit fühlt sich die Eröffnung dieses Biergartens an wie ein
Geschenk.
Als 2019 das Gasthaus Zenner mitsamt der Disko Eierschale, dem Burger King
und dem Biergarten schloss, weil sein Betreiber pleite ging, da waren
zahlreiche Berliner*innen entsetzt bis betrübt, nicht nur die Alten und
die Schlagerfans unter ihnen. Denn mit seiner Lage [1][mitten im Park],
seinem Blick über die Spree und die Insel der Jugend sowie dem riesigen
Garten für bis zu 1.500 Gäste auf dem insgesamt 8.000 Quadratmeter großen
Areal, ist es eines der schönsten Gasthäuser.
Und es ist auch eines der ältesten. Der Küchenmeister des großen Kurfürsten
Friedrich Wilhelm Erdtmann Schmoll soll es gewesen sein, der den heutigen
Standort bei einem Ritt durch die Heide im Jahr 1653 entdeckte, so
zumindest weiß es das Heimatmuseum Treptow. Er wollte aus dem alten,
heruntergekommen Fischerhaus, das da stand, ein „Güthlein“ machen. Die
Stadt Cölln erlaubte ihm den Bier-und Weinausschank gegen Entrichtung von
„Zappenzins“. Um 1820 entstand dann endlich an der Stelle ein
Ausflugsrestaurant, um 1880 bekam es denn auch den Namen Zenner’s
Restaurant. In den Dreißigerjahren galt es als das Sanssouci des Ostens,
wurde aber im Zweiten Weltkrieg zerstört. Das heutige Gebäude wurde ab 1954
nach Plänen des Architekten der Stalinallee und des Fernsehturms, Hermann
Henselmann, gebaut und am 1. Mai 1955 eröffnet.
## Kackbraun und Elfenbeinweiß
Doch Ende Oktober 2019 war wie gesagt Schluss, die Betreibergesellschaften
des Schnellrestaurants und der Eierschale meldeten wegen Überschuldung
Insolvenz an, angeblich wegen der zahlreicher gewordenen kulinarischen
Angebote im benachbarten Treptower Hafen. Letztes Jahr im Juli
unterzeichneten dann die neuen Betreiber einen Nutzungsvertrag über 25
Jahre.
Aber ist es nicht ein Wahnsinn, mitten in der Pandemie ein solches
Megaprojekt zu übernehmen, eine solche Sanierung zu stemmen und dann jeden
Monat eine sicher erhebliche Pacht zu zahlen? Tony Ettelt und Sebastian
Heil stehen in der alten Disko, im großzügigen Saal des alten Gasthauses
mit den großen Fenstern, den alten Wandleuchten und einem klapprigen
Klavier und strahlen mit jeder Handbewegung Enthusiasmus und Zuversicht
aus. Zu ihren früheren Projekten zählen der [2][Technoclub Wilde Renate] in
Friedrichshain sowie der Else OpenAir-Club und Biergarten an den
Treptowers. Sie wissen also, wie man gute Partys macht und was die
Berliner*innen mögen.
„Also, zuerst einmal ersetzen wir dieses Kackbraun durch das historischen
Elfenbeinweiß“, freut sich Tony Ettelt und zeigt an die Ecke des Saals.
„Hier wird eine Atmosphäre entstehen, wie man sie nur noch ganz selten hat
in Berlin“, fügt Sebastian Heil an. Eine Atmosphäre vielleicht, wie sie
sonst fast nur noch in Clärchens Ballhaus existiert. Altmodisch vielleicht,
aber auch offen für alle Generationen, für alle Geldbeutel, alle Kulturen
auch. Die beiden hoffen, dass sie diesen Teil des Gasthauses zum
Jahreswechsel werden eröffnen können. „Man müsste sich schon sehr blöd
anstellen, dass es an einem Ort wie diesem nicht brummt“, sagen sie.
## Villa als Lager
Und weiter geht’s mit der Führung. Im Erdgeschoss unterm Saal befand sich
ganz früher die Großküche fürs Gasthaus, dann das Schnellrestaurant. Nach
Sanierung soll es von Pop-up-Restaurants und Veranstaltungen genutzt
werden. Neben dem Zenner, an der Einmündung des Heidekampgrabens in die
Spree, steht die sogenannte Körner-Villa. Auch die haben die Betreiber
gemietet und wolle sie sanieren. Früher wurde sie als Zufluchtsort für die
Gartengäste bei Regen genutzt, aber dann verschwand die schöne
Tonnengewölbedecke, die Villa wurde als Lager genutzt und kam ganz schön
runter. Ab 2024 soll auch sie als Ort für Veranstaltungen eröffnen.
Am Ende des Rundgangs geht es zurück in den Biergarten unter den riesigen
Linden. Der frisch aufgeschüttete Kies knirscht heimelig unter den Füßen,
vereinzelt sitzen bereits erste Gäste bei einem Bier, die man schon jetzt
nicht mehr abweisen will, ein Anblick, der sehr gut tut nach Monaten der
Isolation. Die Speisekarte listet neben schicken vegetarischen und veganen
Gerichten wie dem Fake Tuna Tatar oder einer Bowl mit Halloumi und Quinoa
auch klassische Biergartenspeisen von Currywurst bis Flammkuchen zu
bezahlbaren Preisen auf. Frisch aus dem Hahn kommt unter anderem das
exklusiv für das Zenner gebraute Berliner Bier. Man sieht sie schon gut,
die Veränderungen, die diesen Ort neu erfinden werden.
11 Jun 2021
## LINKS
[1] /taz-Sommerserie-Sommer-vorm-Balkon/!5693243
[2] /Berlins-Nachtleben-und-Corona/!5686241
## AUTOREN
Susanne Messmer
## TAGS
Treptower Park
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