Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Corona-Impfung ab 12 Jahre: Klassenausflug ins Impfzentrum?
> Die Zulassung des ersten Coronavakzins für Kinder und Jugendliche naht.
> Wie erreicht man möglichst viele von ihnen vor dem nächsten Schuljahr?
Bild: Wollen auch viele Kinder und Jugendliche: eine Spritze mit Corona-Impfsto…
Seit dieser Woche ist der Biontech-Impfstoff in den USA für Kinder und
Jugendliche ab 12 zugelassen und empfohlen. Sie erhalten dort nun die
gleiche Dosis wie die Erwachsenen. Die Zulassungsstudie an 2.260 Kindern
und Jugendlichen zwischen 12 und 15 Jahren hatte zuvor eine Wirksamkeit von
100 Prozent ergeben. Die Impfreaktionen und Nebenwirkungen waren
vergleichbar mit denen in der Altersgruppe der 16- bis 25-Jährigen.
In Kanada war die Impfung für die Altersgruppe der 12- bis 15-Jährigen
schon kurz vorher zugelassen worden, und auch bei der Europäischen
Arzneimittelaufsicht (EMA) liegt ein entsprechender Antrag vor. Anders als
in den USA soll es aber schon wie für Erwachsene keine Notfall-, sondern
eine reguläre Zulassung geben. EMA-Chefin Emer Cooke sagte im Interview mit
mehreren europäischen Zeitungen, dass man versuchen werde, die Zulassung
des Impfstoffs für Kinder und Jugendliche ab 12 auf Ende Mai zu
beschleunigen.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sagte Anfang der Woche, man bereite
sich gemeinsam mit den Ländern schon darauf vor, diese Altersgruppe zügig
zu impfen. Bis zum Ende der Sommerferien, [1][so Spahn im Deutschlandfunk],
sollten Jugendliche ab 12 wenigstens einmal, bestenfalls sogar vollständig
geimpft sein. Der Bund soll hierfür ein Extrakontingent an Impfstoff zur
Verfügung stellen.
Der Zeitplan ist ambitioniert. „Überambitioniert“, meinte gar der Präside…
des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte, Thomas Fischbach, in einem
Interview mit der Rheinischen Post. Die Sommerferien beginnen in einigen
Bundesländern bereits am 21. Juni. Danach werden die Schüler*innen
schwerer erreichbar sein. Am 31. Juli beginnt dann in diesen Bundesländern
schon das nächste Schuljahr.
## Kein Selbstläufer
Selbst wenn die EMA-Zulassung tatsächlich Anfang Juni vorliegen sollte,
wird noch die Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) abzuwarten
sein. Ein Selbstläufer ist auch diese nicht: Es gibt unter den Kinder- und
Hausärzt*innen, auch in der Stiko, einige, die die geringe Datenlage und
eine mögliche Priorisierung der Kinder und Jugendlichen vor gefährdeteren
Altersgruppen bemängeln. [2][Stiko-Vorsitzender Thomas Mertens] selbst
hatte sich in dieser Woche skeptisch geäußert, ob die Kommission überhaupt
eine Empfehlung für eine flächendeckende Impfung für gesunde Heranwachsende
aussprechen werde.
So ist man auch in den Ländern teils noch zögerlich. Auf taz-Anfrage heißt
es etwa aus Hamburg, man wolle die Vorgaben der Zulassung abwarten, da
diese die Durchführung und Planung der Impfungen erfahrungsgemäß erheblich
beeinflussen könnten. Auch in Thüringen will man vor der konkreten Planung
die EMA-Zulassung und Positionierung der Stiko abwarten.
In anderen Ländern wird dagegen schon an einem konkreten Konzept
gearbeitet. So tagt etwa im Saarland in der kommenden Woche ein runder
Tisch aus Behördenvertreter*innen und Kinderärzt*innen zu Fragen
der Umsetzung. „Der Ehrgeiz ist da“, sagte auch Nordrhein-Westfalens
Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann am Mittwoch, „dass wir möglichst
vielen Kindern noch vor der Sommerpause ein Impfangebot machen wollen“.
Es ist klar, worin die Hoffnung einer raschen Impfung besteht. Den Kindern
und Jugendlichen, für die Corona nur in Einzellfällen lebensbedrohlich ist,
wird seit über einem Jahr abverlangt, auf umfangreiche Teilhabe- und
Entwicklungsmöglichkeiten zu verzichten, ohne zu wissen, wie lange dieser
Zustand anhalten wird.
Nach mehr als einem Jahr fragmentiertem Schulbetrieb mit jeder Menge
Bildungsverlierer*innen, nach Meldungen über die psychischen und physischen
Folgeschäden, die die Pandemiemaßnahmen bei Kindern und Jugendlichen
hinterlassen, forderte zuletzt auch der Deutsche Ärztetag eine
unverzügliche Impfstrategie für die Kinder und Jugendlichen.
Tatsächlich ergibt dies auch aus epidemiologischer Sicht Sinn: Eine
Annäherung an die Herdenimmunität wird ohne die Kinder und Jugendlichen
wohl nicht zu erreichen sein, sagte die Epidemiologin Berit Lange vom
Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung [3][bereits im März der taz].
Außerdem seien Kohorten ungeimpfter Menschen, die vorwiegend untereinander
Kontakt haben, quasi eine Einladung an das Virus, weiter zu kursieren und
neue Mutationen zu entwickeln.
Nicht zuletzt gibt es, das betonen auch die Pädiater*innen, für Kinder und
Jugendliche ein Risiko, nach einer Corona-Infektion an dem sogenannten
Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome – [4][kurz PIMS] – oder an Long
Covid schwer zu erkranken. In der dritten Coronawelle waren die Inzidenzen
bei Kindern und Jugendlichen teils besonders hoch. Allerdings müssen hier
auch die systematischen Testungen an Schulen berücksichtigt werden, die die
Entdeckung asymptomatischer Infektionen wahrscheinlicher machten.
Dass Kinder und Jugendliche mit Risikofaktoren und Vorerkrankungen wie
Adipositas, Diabetes, Asthma, Krebs, Erkrankungen an Herz und anderen
Organen sowie mit geistigen Einschränkungen ohnehin bevorzugt zu impfen
sind, versteht sich von selbst und ist Sache der Kinder- und
Hausärzt*innen. Will man aber tatsächlich 5,3 Millionen Jugendliche
zwischen 12 und 18 Jahren vor dem nächsten Schuljahr impfen, ist das nicht
nur eine Frage ausreichenden Impfstoffs, sondern auch entsprechender
Organisation und Ansprache.
Nicht erst der Bundesgesundheitsminister brachte in dieser Woche eine Idee
ins Spiel, die so manchen in die eigene Kindheit zurückversetzt: die
Reihenimpfung an Schulen oder alternativ im Impfzentrum. Auch der Chef der
Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, sprach sich im
Handelsblatt dafür aus: „Nur so können wir viele Jugendliche auf einen
Schlag impfen.“
In den Bundesländern laufen zu möglichen Reihenimpfungen bereits
Beratungen. Aber auch Kritik regt sich. „Ich glaube nicht, dass das
Akzeptanz findet“, sagte etwa der Präsident des Berufsverbands der Kinder-
und Jugendärzte, [5][Thomas Fischbach, der Ärztezeitung]. Es fehle die
Aufklärung und Beratung der Eltern. Auch im nordrhein-westfälischen
Gesundheitsministerium sieht man die Einbindung der Eltern als die große
Herausforderung, um mit einer Impfkampagne tatsächlich die breite Masse zu
erreichen.
Ob das im Herbst beginnende Schuljahr mitsamt dem Freizeitbereich
tatsächlich mehr Normalität bieten kann? Darauf mag derzeit noch niemand
Antworten geben, zu zahlreich sind die Unwägbarkeiten. Auch die erwartete
Zulassung ist nur ein Lichtblick. Wohlfahrtsverbände und
Interessenvertretungen wie Caritas, Die Arche oder der Kinderschutzbund
sind sich einig, dass es mehr als die Impfung braucht, um den
schwerwiegenden Folgen der Pandemie vor allem für ohnehin benachteiligte
Kinder und Jugendliche etwas entgegenzusetzen.
Diese Folgen kennen indes auch keine Altersgrenzen: Allein in Deutschland
sind mehr als 9 Millionen Kinder jünger als 12 Jahre. Die Impfstudien
verschiedener Hersteller für diese Altersgruppen laufen derzeit noch,
Ergebnisse werden für den Herbst erwartet.
14 May 2021
## LINKS
[1] https://www.deutschlandfunk.de/freigabe-von-johnson-johnson-spahn-cdu-es-is…
[2] https://www.tagesschau.de/inland/kinder-jugendliche-corona-impfungen-debatt…
[3] /Moegliche-Covid-19-Impfung-fuer-Kinder/!5758554
[4] /Moegliche-Covid-19-Impfung-fuer-Kinder/!5758554
[5] https://www.aerztezeitung.de/Nachrichten/Kinder-gegen-COVID-19-impfen-Was-s…
## AUTOREN
Manuela Heim
## TAGS
Schwerpunkt Coronavirus
Impfung
Kinder
Jugendliche
GNS
Impfung
Dilek Kalayci
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus
Long Covid
## ARTIKEL ZUM THEMA
Impfungen für Kinder und Jugendliche: Piks nur für besonders Gefährdete
Sollen auch junge Menschen bald gegen Corona geimpft werden? Die Ständige
Impfkommission wird wohl auf eine solche Empfehlung verzichten.
Impfungen für SchülerInnen im Sommer: Jugend stellt sich in die Reihe
Möglichst viele Kinder ab 12 Jahren sollen in den Sommerferien in den
Impfzentren geimpft werden. Unklar ist, wie viele so erreicht werden
können.
Aktuelle Nachrichten in der Coronakrise: Erstimpfung senkt Risiko drastisch
Die USA halten den Höchstwert bei den Gesamtinfektionen. Portugal will die
Einreise wieder ermöglichen, und Polen feiert die Wiedereröffnung der
Außengastronomie.
Abgeordneter über EU-Impfstrategie: „Wir müssen jetzt offensiv sein“
Die Impfung werde Corona schnell den Schrecken nehmen, meint der
konservative Parlamentarier Peter Liese. Die EU sei mit ihrer Strategie
weit vorn.
Mögliche Covid-19-Impfung für Kinder: Aber die Jüngsten!
Immer häufiger infizieren sich Kinder und Jugendliche mit Corona.
Impfstoffe sind für sie noch nicht zugelassen. Die Forschung läuft aber
bereits.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.