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# taz.de -- AfD Thüringen erwiesen rechtsextrem: „Das ist eine neue Qualitä…
> Erstmals wird ein AfD-Landesverband als erwiesen rechtsextrem eingestuft.
> Thüringens Verfassungsschutzchef Stephan Kramer über die Gründe – und
> Fallstricke.
Bild: Darf man als „Faschisten“ bezeichnen: AfD-Rechtsaußen Höcke im Mär…
taz: Herr Kramer, der Verfassungsschutz in Thüringen [1][hat den
Landesverband der AfD als erwiesen rechtsextrem eingestuft] und zum vollen
Beobachtungsfall erklärt, als ersten Landesverband bundesweit. Warum?
Stephan Kramer: Wir haben die AfD Thüringen im März vergangenen Jahres zum
Verdachtsfall erklärt und nun zwölf Monate gesammelt, ausgewertet und
festgestellt, dass in der Gesamtbetrachtung hier eine Bestrebung gegen die
freiheitlich demokratische Grundordnung vorliegt. Deshalb gehen wir jetzt
von einem erwiesen rechtsextremistischen Beobachtungsobjekt aus.
Woran machen Sie das fest?
Wie schon im letzten Jahr an der Entwicklung der politischen Programmatik
des Landesverbandes, an den von ihm öffentlich vertretenen Positionen und
seiner personellen Entwicklung. Und auch an der Entwicklung der Bezüge von
Funktionsträgern und Mitgliedern des Landesverbandes zu
rechtsextremistischen Personenzusammenschlüssen und der Zusammenarbeit mit
rechtsextremistischen Akteuren, sowie an der Auseinandersetzung mit
Rechtsextremismus im Landesverband.
Jenseits der „Identitären Bewegung“, um welche Bezüge geht es noch?
Vertreter des Landesverbandes pflegen teils offene Verbindungen zu
Beobachtungsobjekten der „Neuen Rechten“, so der IBD, aber auch PEGIDA und
anderen. Auch wird für eine Zusammenarbeit mit teilweise extremistischen
Protestbewegungen, zum Beispiel „Zukunft Heimat“, geworben, um politische
Transformationsprozesse über die „Straße“ zu beschleunigen. Gemeinsames
Ziel ist die Etablierung eines Widerstandsmilieus.
Welche Rolle spielt Landes- und Fraktionschef Björn Höcke und der bereits
vom Bundesamt als gesichert rechtsextrem eingestufte und [2][offiziell
aufgelöste „Flügel“], dessen Anführer Höcke ja ist?
Richtig ist, dass Herr Höcke aufgrund seiner führenden Rolle beim „Flügel�…
als Rechtsextremist eingestuft worden ist. Er ist nach wie vor die führende
Person des AfD-Landesverbandes und zuletzt auf verschiedenen
Landesparteitagen und Delegiertenkonferenzen als Landeschef und
Spitzenkandidat wiedergewählt worden. Dabei hat sich große Zustimmung
manifestiert.
Wir gehen davon aus, dass Mitglieder und Anhänger des formal aufgelösten
„Flügels“ herausgehobene Funktionen im Landesverband inne haben und
maßgeblichen Einfluss auf ihn ausüben. Bei den bundesweiten
Auseinandersetzungen über die Ausrichtung der Partei stellt sich der
Landesverband stets an die Seite derjenigen, die eine Fortsetzung der
Programmatik des „Flügel“ innerhalb der Strukturen der Partei anstreben.
Besteht der „Flügel“ weiter?
Gute Frage, aber nicht entscheidend. Mitglieder des „Flügels“ haben
führende Funktionen innerhalb des Landesverbands, die Gedanken, die
Programmatik, die Ideologie des „Flügels“ prägen den Thüringer
Landesverband. Kritik an diesen Positionen und Personen kommt nicht mehr
vor oder spielt keine substantielle Rolle mehr.
Was ändert sich durch die Hochstufung, außer dass im
Verfassungsschutzbericht nicht mehr steht, der AfD-Landesverband sei ein
Verdachtsfall?
Das bedeutet, dass es die Partei in Thüringen im Kern ausmacht, dass sie
eine erwiesen rechtsextreme Bestrebung gegen die freiheitliche Grundordnung
ist. Wir werden also unsere Beobachtung fortsetzen und dabei jetzt auch
nachrichtendienstliche Mittel einsetzen – immer den
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz berücksichtigend natürlich. Und wir werden
mehr Informationen darüber sammeln, wohin die Reise der Partei geht und wie
groß die Gefährdung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung ist.
Das hat auch Konsequenzen für jene, die in der Partei mitmischen und
gleichzeitig Angestellte des öffentlichen Dienstes sind. Beides geht nicht:
Man kann nicht loyal zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung dem Staat
dienen und gleichzeitig Mitglied einer Bestrebung sein, die genau dagegen
verstößt.
Wie gefährlich ist die AfD für die Demokratie?
Mit der Einstufung zeigen wir ja, dass wir die AfD für gefährlich halten.
Und wir stellen diese Information nicht nur der Politik und den Behörden,
sondern auch der Öffentlichkeit zur Verfügung.
Warum haben Sie die Hochstufung jetzt vorgenommen, wenige Monate vor der
Bundestags- und vermutlich auch der vor Landtagswahl in Thüringen, auch
wenn dafür erst noch der Landtag aufgelöst werden muss? Sie greifen damit
in den Wahlkampf ein. Ist das nicht eine problematische Konstellation?
Ja, das ist es. Deshalb waren die Informationen ja auch vertraulich, sie
haben nun leider den Weg in die Öffentlichkeit gefunden. Klar war, dass wir
zum jetzigen Zeitpunkt nicht proaktiv Öffentlichkeitsarbeit zu dem
Themenschwerpunkt machen, sondern nur jetzt reagieren und die Gründe für
unser Tun darstellen.
Wir sind uns darüber im klaren, dass es bei bevorstehenden Wahlen
möglicherweise eine gesteigerte Neutralitätspflicht von Behörden gibt. Das
ist einhellige Rechtsprechung, ein Zeitraum, der sich dabei
herauskristallisiert hat, sind sechs Monate…
… die Sie jetzt reißen.
Ja, und das bedeutet, dass wir in einen Willensbildungsprozess eingreifen.
Wichtig ist dabei aber, dass es im vorliegenden Fall um die höchste
Einstufung geht, um eine erwiesen rechtsextreme Bestrebung. Deshalb
erscheint es uns gerechtfertigt, gerade mit Blick auf die Wahlen, deutlich
zu machen, für wie gefährlich wir die AfD halten, so dass sich die Bürger
ein Bild machen können, womit sie es hier zu tun haben.
Was aber nur funktioniert, wenn es öffentlich wird…
Zweiter Punkt ist, dass der Termin für die Landtagswahl formaljuristisch
noch nicht fest steht. Dazu ist die Auflösung des Landtags im Juli
notwendig und noch ist offen, ob es die notwendige Mehrheit dafür überhaupt
geben wird.
Letzter Punkt: Die Gerichte haben auch gesagt, dass eine Behörde wie der
Verfassungsschutz, der ja ein Frühwarnsystem ist, auch trotz Wahlen die
Hände nicht in den Schoß legen kann. Wir müssen unseren gesetzlichen
Auftrag wahrnehmen.
Der „Flügel“ ist schon vom Bundesamt bereits als erwiesen rechtsextrem
eingestuft, Herr Höcke auch. Bringt Ihre Einstufung zum jetzigen Zeitpunkt
überhaupt viel? Oder muss man nicht eher davon ausgehen, dass die AfD klagt
und Sie ihr wegen der zeitlichen Nähe zu den Wahlen ein Argument in die
Hände spielen? Das Bundesamt musste diese Erfahrung bereits machen.
Ich habe die Argumente ja aufgelistet, die haben wir abgewogen. Aber es
gibt eben auch keine gesetzliche Vorschrift, die uns von unserer Aufgabe
vor Wahlen entbindet. Und auch die Arbeit des Bundesamtes entbindet die
Landesämter nicht von ihrem Beobachtungsauftrag mit Blick auf die
landesspezifische Situation.
Außerdem ist unsere Einstufung eine neue Qualität für die Beobachtung der
Landespartei, denn die Einstufung des „Flügels“ hat sich nur auf eine
Parteigliederung bezogen. Jetzt ist erstmals ein ganzer Landesverband als
erwiesen rechtsextrem eingestuft.
Die AfD wirft Ihnen persönlich vor, den Verfassungsschutz zu missbrauchen,
weil Sie selbst für die SPD für den Bundestags kandidieren und mit der
Einstufung einem Mitbewerber schaden. Was entgegen Sie?
Die AfD beleidigt und diffamiert, das sehe ich sportlich. Jeder Beamter,
auch der Chef des Verfassungsschutzes hat das Recht, sich politisch zu
engagieren und für Mandate zu kandidieren.
Wenn nun behauptet wird, dass meine Motivation zur Einstufung der AfD quasi
darin begründet ist, dass ich selbst kandidiere, dann ist das schlicht
falsch: Bei der Einstufung geht es ja nicht um Kramers
Wünschdirwas-Konzert, sondern um das Ergebnis eines Sammlungs- und
Bewertungsprozesses der ganzen Behörde, die von zahlreichen
Kontrollinstanzen begleitet ist. Aber natürlich steht es der AfD frei,
diese Einstufung einer juristischen Nachprüfung zu unterziehen. Dem sehe
ich gelassen entgegen.
Aktualisierung: Der Thüringer Verfassungsschutzchef Stephan Kramer hat am
Freitag mitgeteilt, dass er seine Bundestagskandidatur für die SPD
zurückzieht. „Angesichts der aktuellen Gefahren und Bedrohungslage habe ich
mich für meine Aufgaben als Behördenleiter des Verfassungsschutzes im Land
Thüringen entschieden und will mich auf diese mit voller Aufmerksamkeit
konzentrieren“, teilte er in einer Erklärung mit. „Ich nehme die
Entscheidung mit großem Respekt auf und bedauere sie dennoch“, sagte dazu
SPD-Landeschef Georg Maier, der auch Innenminister und damit Kramers
Vorgesetzter ist. „Stephan Kramer hat sich entschieden, seinen beruflichen
Aufgaben den Vorrang zu geben und keinerlei Zweifel an seiner neutralen
Amtsführung zuzulassen.“ Die „haltlosen Unterstellungen“ in Bezug auf
Kramers Integrität weise er auf das Schärfste zurück.
12 May 2021
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## AUTOREN
Sabine am Orde
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