Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Ärztin über Krankheiten und Klimawandel: „Wir haben einen Aller…
> Asthma, Schlaganfälle, Diabetes: Der Klimawandel macht Menschen krank –
> körperlich und seelisch, warnt Umweltmedizinerin Claudia Traidl-Hoffmann.
Bild: 40 Prozent der Menschen leiden mittlerweile unter Allergien
taz: Frau Traidl-Hoffmann, Deutschland muss bei der Klimapolitik
nachbessern, [1][fordert das Bundesverfassungsgericht in einem Beschluss am
Donnerstag.] Sie sagen, das sei auch für die Gesundheit entscheidend, die
Erderwärmung schon heute ein Risiko. Fangen wir mit [2][Gewitterasthma] an.
Was ist das?
Claudia Traidl-Hoffmann: Menschen, die nie vorher Asthma hatten, bekommen
bei Blitz und Donner plus starkem Pollenflug einen Lungenkrampf, einen
asthmatischen Anfall. Ganz akut. Da gibt es Todesfälle.
Todesfälle?
In Australien ist das zum ersten Mal beschrieben worden. Menschen klagten
während eines Unwetters über Atemnot, Hunderte mussten ins Krankenhaus,
einige starben. Wir gehen davon aus, dass durch die elektrische Aufladung
in der Atmosphäre bei einem Gewitter Pollen aufplatzen und kleine
Pollenpartikel entstehen. Die gelangen viel tiefer in die Lunge als die
normalen Pollenkörner. Da reagieren auch Nicht-Allergiker. Das beobachten
wir auch in Deutschland immer häufiger…
… weil mit der Erderhitzung die Unwetter zunehmen?
Zum einen das. Asthmatiker sollten vorsichtig sein, am besten bleiben sie
drinnen, wenn Gewitter angesagt sind und zugleich die Pollen stark fliegen.
Die Pollen werden mit dem Klimawandel – das ist das andere – auch
aggressiver, sie werden mehr, ihre Saison verlängert sich. Vierzig Prozent
der Menschen leiden mittlerweile unter Allergien. Viele können nicht
vernünftig arbeiten, weil ihnen ständig die Nase läuft.
Wie stark leidet die Wirtschaft?
Schon heute verursachen in Europa allein Allergien jedes Jahr 151
Milliarden Euro pro Jahr an sozioökonomischen Kosten. Die Summe wird
steigen. Wir haben einen Allergie-Tsunami. Im Übrigen liegt die Temperatur
für ein einwandfreies Funktionieren unseres Gehirns bei etwa 22 Grad
Celsius.
Welche Folgen hat der Klimawandel noch?
Schlaganfälle nehmen zu. Gerade bei warmem, feuchtem Wetter kommt es zu
Veränderungen in den feinen Blutgefäßen, dann verstopfen Hirnarterien, das
Gewebe wird nicht mehr richtig mit Blut versorgt. Wunden heilen bei
Temperaturen über 40 Grad schlechter, die Erholung nach Operationen dauert
länger. Typ-2-Diabetes nimmt zu.
Diabetes hat doch mit Essgewohnheiten, mit Bewegungsmangel zu tun.
Die Veränderungen der Lebensstile sind schon herausgerechnet. Mit
steigenden Temperaturen steigen auch die Fallzahlen. Das zeigt sich in den
vergangenen zwanzig Jahren weltweit. Offenbar verändert sich der
Fettstoffwechsel, die Zellen sprechen immer weniger auf Insulin an, das den
Zuckerspiegel reguliert.
Aber die Psyche freut sich über warme Sommerabende?
Sie unterschätzen die seelischen Belastungen. Der Förster, der Borkenkäfer
und abgestorbene Bäume in seinen Wald sieht, leidet. Der Bauer, der wegen
der Dürre um seine Ernte bangt. Und für die Jugend, die eine düstere
Zukunft fürchtet, ist es auch schwer. Der Klimawandel bedroht die
körperliche und die seelische Gesundheit. Das stand lange nicht im Fokus.
Beim Deutschen Ärztetag im Herbst ist das nun aber das große Thema.
Was muss sich tun, damit die Menschen gesund bleiben?
Auch aus medizinischer Sicht muss die Welt so schnell wie möglich raus aus
den klimaschädlichen Energien, aus Kohle, Gas und Öl. Zudem müssen wir alle
weniger Energie verbrauchen. Darum müssen wir auch Digitalwährungen wie den
Bitcoin überdenken. Der ist ein unersättlicher Stromfresser. Vor allem aber
brauchen wir eine Ernährungs- und eine Mobilitätswende. Wir sollten
fördern, was keinen Motor braucht – das Rad fahren, das Spazierengehen. Und
– als Medizinerin tut mir das weh – …
…was tut Ihnen weh?
Der Gesundheitssektor selbst ist weltweit für etwa 4,6 Prozent der
Treibhausgase verantwortlich. Wäre der Gesundheitssektor ein Land, stünde
er auf Platz 5 der Liste der Länder, die am meisten CO2 ausstoßen. Das
liegt an der Produktion der Medikamente, an den Krankenwagenfahrten, am
Energieverbrauch in Operationssälen und überhaupt für den Betrieb der
Krankenhäuser. Kliniken müssten zum Beispiel auf erneuerbare Energien
umstellen.
1 May 2021
## LINKS
[1] /Entscheidung-zum-Klimaschutzgesetz/!5763553
[2] https://www.lungenaerzte-im-netz.de/news-archiv/meldung/article/neue-erkenn…
## AUTOREN
Hanna Gersmann
## TAGS
Schwerpunkt Klimawandel
Gesundheit
Australien
klimataz
Kolumne Starke Gefühle
wochentaz
Liebeserklärung
Landwirtschaft
Susanne Eisenmann
Schwerpunkt Klimawandel
## ARTIKEL ZUM THEMA
Heuschnupfen im Klimawandel: Wenn die Nase schon im Winter läuft
Pollen-Allergiker:innen leiden immer früher im Jahr. Schuld ist der
Klimawandel, schuld ist der Mensch. Danke für nichts, homo sapiens.
Heuschnupfen breitet sich aus: Haaatschi!
Immer mehr Menschen leiden unter Heuschnupfen. Unser Autor ist seit seiner
Kindheit Allergiker und ruft zum Kettensägen-Aufstand.
Kalter Frühling in Deutschland: Eisiger April
Der kalte Frühling gibt Anlass für ein Gedankenspiel: Wie wäre es, wenn die
Klimaverschlechterung uns kalt statt heiß erwischen würde?
Akademie für neue Agrogentechnik: Gentech-Kritiker gegen Leopoldina
Die Akademie lasse in einem industriefreundlichen Paper kritische Studien
weg, sagen ForscherInnen. Die EU müsse alle Gentechnik-Pflanzen prüfen.
CDU-Spitzenkandidatin über Wahlkampf: „Gesundheit ist nicht verhandelbar“
CDU-Politikerin Susanne Eisenmann will in Baden-Württemberg Lösungen finden
und Revolutionen vermeiden. Ein Gespräch über soziale Verantwortung.
Auswirkungen der Klimakrise: Sie macht uns alle krank
Zu heiß für die Menschen: Die Folgen der Erderhitzung werden die
Gesundheitssysteme vieler Länder überlasten, warnt eine Studie.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.