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# taz.de -- Pflegeschüler in der Pandemie: „In manchen Bereichen Seelsorger�…
> Die Belastung im Krankenhaus war auch schon vor Corona hoch, sagt
> Pflegeschüler Leo Endlich. Er wünscht sich den Präsenzunterricht zurück.
Bild: Hat viel zu tun: Krankenpfleger beim Patientenrundgang
taz: Herr Endlich, fühlen Sie sich als Auszubildender in der Pflege
überlastet?
Leo Endlich: Überlastet nicht zu hundert Prozent. Der Schichtdienst tut
eigentlich am meisten weh, weil es dauerhaft von Früh- zu Spät- zu
Nachtschicht wechselt und man dann kaum schlafen kann. Die meiste
Arbeitsbelastung sind dann also die Aufstehzeiten und der Schlafentzug.
Welche Situationen sind besonders schwierig?
Wenn sich Kollegen krank melden, ist man manchmal nur zu zweit oder zu
dritt auf der Station und man hat mehrere Patientenzimmer, auf die man
aufpassen muss. Und dann passiert was und im anderen Zimmer klingelt es
auch schon und du hast das Gefühl, dass du gar nicht richtig pflegen
kannst, weil das in der Praxis nicht umsetzbar ist. Man lernt eigentlich
genau, wie man einen Menschen bei einer Krankheit bestmöglich pflegen soll,
aber wenn man das macht, schafft man es nicht, zu den anderen Patienten zu
gehen. Da ist eine hohe Belastung da. Man muss jetzt oft auch mehr
Gespräche mit den Patienten führen, weil die keine Angehörigen mehr
empfangen dürfen. Da ist man in manchen Bereichen ein Seelsorger geworden.
Für viele ist das eine sehr schwierige und belastende Situation, sehr krank
und dabei komplett isoliert zu sein. Ich würde sagen, dass es die Patienten
deshalb fast am schlimmsten getroffen hat.
Sie sind im dritten Lehrjahr, mehr als die Hälfte Ihrer Ausbildung fand
während Corona statt. Wie hat die Pandemie Ihre Ausbildung verändert?
Ich hatte auf meiner Station die ganze Zeit eine recht hohe Belastung, die
ist durch Corona nicht wirklich höher geworden. Ich denke, in anderen
Stationen, wie zum Beispiel der Notaufnahme, ist das aber anders. Meine
Arbeitszeiten haben sich auch kaum verändert. Man ist als Auszubildender
noch in einem Schutzraum, man darf keine Überstunden machen und auch nicht
einspringen. Ich merke die Belastung aber natürlich bei meinen Kollegen
extrem. Das war vor allem am Anfang der Pandemie noch stärker.
Sind Sie geimpft?
Ja, ich habe die Erstimpfung [1][AstraZeneca] im März bekommen und werde
demnächst mit einem mRNA-Impfstoff zweitgeimpft.
Fühlen Sie sich seitdem sicherer bei der Arbeit?
Auf jeden Fall. Weil man mit extrem vielen Menschen in Kontakt ist und die
Ergebnisse der Schnelltests nicht immer aussagekräftig sind, fühle ich mich
jetzt sicherer. Auf meiner aktuellen Station teste ich auch selbst viel.
Ich persönlich habe keine Riesenangst vor der Krankheit, aber möchte meine
Mitmenschen nicht anstecken.
Haben Sie Impfgegner*innen im Kolleg*innenkreis?
Ja, jemand aus meiner Ausbildung ist da zum Beispiel ziemlich kritisch
eingestellt, was ein anstrengender Konflikt ist. Die Diskussion kann man
mit solchen Menschen nicht wirklich führen, deswegen halte ich mich da
mittlerweile raus. Es führt zwar zu einem unangenehmen Klima, aber es wird
niemand ausgegrenzt. Alle sind sehr vorsichtig, wenn es um dieses Thema
geht. Die Bedenken vieler Kollegen haben sich mittlerweile auch aufgeklärt,
sodass sich immer mehr doch impfen lassen.
Was könnte das Lernen während der Pandemie verbessern?
Wir hatten in der letzten Zeit viel Schulausfall, das war natürlich nicht
gut für die Ausbildung. Ich würde mir wünschen, dass ich wieder in den
Präsenzunterricht kann. Das würde mir helfen, und dann würde ich mehr
lernen, weil ich gerade ein echtes Lerndefizit bei mir bemerke. Ich bin ein
Mensch, der eine Lernumgebung braucht und das nicht so gut von zu Hause aus
kann. Es würde auch helfen, wenn die Patienten die Maßnahmen ernst nehmen
und sich daran halten, die Maske aufzusetzen und beim Rauchen nicht
zusammenzustehen. Im Großen und Ganzen wäre es auch schön, wenn der
Pflegeberuf mehr wertgeschätzt wird, auch durch die Pandemie. Auch wenn
Wertschätzung alleine nicht reicht. Es müssen Maßnahmen folgen.
Und welche Maßnahmen wären das?
Pandemie hin oder her, wir brauchen eine dauerhaft höhere Bezahlung für die
harte Arbeitsbelastung. Das würde mich auch stolzer machen, meinen Beruf
auszuüben, wenn da mehr Anerkennung für wäre. Eine gerechte Bezahlung würde
schon viele Mängel beseitigen. Ein Pfleger ist nicht arm, aber für das, was
er tut, unterbezahlt.
Woran mangelt es im Pflegeberuf gerade am meisten?
Es mangelt an begeisterten Menschen und positivem Denken innerhalb des
Teams. Oft sind alteingesessene Pfleger frustriert von ihrem Beruf und
lassen das an anderen aus. Die Pflege hat auch keine richtige politische
Vertretung. Das Gemüt eines normalen Krankenpflegers ist es nicht, [2][sich
in einem kapitalistischen System durchzusetzen]. Da würde ich mir wünschen,
dass es mehr öffentliche Unterstützung gibt.
19 May 2021
## LINKS
[1] /AstraZeneca-Aus-in-der-EU/!5766278
[2] /Tarifkampf-in-Berlins-Kliniken/!5767314
## AUTOREN
Emmy Thume
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Ausbildung
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