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# taz.de -- Bedrohter Wagenplatz in Berlin: Und wieder ist die Köpi in Gefahr
> Dem Wagenplatz des Hausprojekts droht die Räumung. Dagegen wird am
> Wochenende demonstriert. Der Bezirk hofft derweil auf eine
> Verhandlungslösung.
Bild: Das Zuhause für rund 50 Menschen: der Köpi-Wagenplatz
Berlin taz | Der zwei Meter hohe Zaun, der den Köpi-Wagenplatz umgibt, ist
mit weiteren Zaunteilen, alten Fahrrädern, Holzlatten und Stacheldraht
erhöht. Von der Köpenicker Straße aus gibt es keinen Einblick in dieses
Biotop alternativen Lebens. Am Zaun bieten sich den Passant*innen dafür
eine Galerie von Widerstandsplakaten. „Köpi & Wagenplatz bleiben“ ist das
übergeordnete Motto, umrahmt von gemalten und geschriebenen Drohungen, sich
gegen Räumungsversuche auch militant zu wehren.
Jahrelang war es still geworden um das 1990 besetzte Haus – dem Symbol
schlechthin [1][der Ostberliner Besetzerzeit] – sowie dem dazugehörigen
Wagenplatz. Das lag vor allem daran, dass die Bewohner*innen des
Gründerzeitbaus nach der letzten Zwangsversteigerung 2007 [2][Mietverträge
über 30 Jahre erhalten] hatten.
[3][Im Februar verlangte der private Eigentümer] plötzlich, das Gelände bis
Monatsende zu räumen. Als das nicht geschah, reichte er Klage ein. Ein
Verhandlungstermin ist noch nicht festgesetzt, doch für die Köpi hat das
nächste Kapitel des Kampfs gegen ihre Verwertung begonnen. Erneut heißt es:
„Köpi bleibt Risikokapital.“
Auf dem bedrohten Platz stehen die ausgemusterten Bullis und Bauwagen und
einige Holzhütten eng beieinander. Fahrradgerippe, Skulpturen, Sperrmüll,
Pflanzen – jeder Blick bietet ein neues Durcheinander. Manch ein Wagen hat
eine Veranda mit Couch oder einen Vorgarten, andere sind so verrostet, dass
sie bei Kälte kaum Schutz bieten können. Es ist kein Schöner-Wohnen-Platz,
keine Wohlfühloase, und doch das Zuhause von etwa 50 Menschen. Einige leben
seit der Besetzung vor 22 Jahren hier.
Auf dem Youtube-Kanal der Köpi werden seit einigen Wochen
Bewohner*innen des Platzes – Musiker*innen, Punks,
Lebenskünstler*innen – vorgestellt, um ihren „way of life“ zu teilen
und zu verteidigen, wie es heißt. Der Unterschied zum Haus: Dort seien die
Leute mehr „correct“, auf dem Platz mehr „wild“, sagt eine.
Zu den „Korrekten“ gehören Ronny und Alina, die die Köpi nach Außen
vertreten. Beim Gespräch auf dem Balkon von Ronnys WG sagt er: „Eine
Räumung des Wagenplatzes würde uns zerreißen.“ Eine Trennung zwischen dem
Haus, das mit seinen Werkstätten und Konzerträumen ein kulturelles Zentrum
ist, und dem Platz, dessen Bewohner*innen das Haus mitnutzen, gebe es
nicht. Das Haus mit seinen ebenfalls etwa 50 Bewohner*innen, darunter auch
Besetzer*innen der ersten Stunde, teilweise mit ihren nun erwachsenen
Kindern, sei so gut wie voll belegt und könnte jene, die davon bedroht
sind, bald ihr Zuhause zu verlieren, nicht aufnehmen, sagt Ronny.
Die Köpi geht daher in die Offensive. An diesem Wochenende will das
Kollektiv zusammen mit jenem des autonomen Hausprojekts Rigaer 94 und dem
Jugendclub Potse demonstrieren. Der Startpunkt der Demo, Gendarmenmarkt,
und die Uhrzeit, 20.30 Uhr, sind als „Kampfansage“ zu verstehen; als
Zeichen, dass man „nicht traurig gehen“ werde, wie Ronny sagt. Der Aufruf,
der vor allem eine Taktikbeschreibung für selbstbestimmtes Demonstrieren
ist, dürfte bei der Polizei alle Alarmglocken schrillen lassen. Am Sonntag
folgt dann eine Kundgebung vor der Köpi mit Konzerten, Zirkus und Reden.
## Pläne des Eigentümers sind unklar
In einem Räumungsprozess, so sieht es Alina, hätte der Wagenplatz wohl
geringe Chancen. Anderseits weiß niemand, was der Eigentümer mit dem
Grundstück will. Bereits drei Mal habe er eine Baugenehmigung für das
Grundstück des Wagenplatzes verlängern lassen, Ende November läuft diese
final aus, hatte Mittes Baustadtrat Ephraim Gothe (SPD) Mitte April in
einer Antwort auf eine Anfrage der Linken in der
Bezirksverodnetenversammlung (BVV) erklärt. Ein neuer Antrag sei aber
möglich.
Seit 2013 steht nach einer [4][Insolvenzauktion] für beide Grundstücke,
Haus und Platz, die Briefkastenfirma Startezia GmbH im Grundbuch, die zum
Immobilienentwickler Sanus AG gehört. Deren Vorstand Siegfried Nehls gilt
als eigentlicher Eigentümer und war dies über andere Unterfirmen wohl schon
davor. Über seine Pläne hüllt er sich in Schweigen, sowohl bei
Presseanfragen als auch gegenüber dem Bezirk.
Diese wies das Gebiet Östlicher Melchiorblock 2011 als Sanierungsgebiet
aus, samt einem Bebauungsplan, der Baurecht für das Wagenplatzgrundstück
schuf. Genehmigt ist, so hat es Gothe der BVV erzählt, eine „Wohnanlage mit
Läden im Erdgeschoss“. Aber auch ohne Bebauung könnte Nehls viel Geld
machen. Ein Quadratmeter Boden in dem Gebiet kostete vor zehn Jahren 650
Euro, heute sind es 6.500 Euro. Die BVV hat im Februar ihre Absicht
bekundet, „den Wagenplatz dauerhaft am Standort zu erhalten“. Das will auch
Gothe, der sagt: „Das Projekt gehört dahin.“ Während die Köpi als
Kulturstandort im B-Plan festgeschrieben ist, sei die Wagenburg
„bauplanungsrechtlich nicht zu sichern“.
Als Möglichkeit, den Platz zu erhalten, kommt letztlich nur der Ankauf des
etwa 60 mal 60 Meter großen Grundstücks infrage über eine
Wohnungsbaugesellschaft oder eine Stiftung und ein Arrangement mit einem
Neubau. Der Verein der Köpi-Bewohner*innen gibt sich gesprächsbereit,
gleichwohl sagt Ronny: „Wir geben unsere Identität nicht auf.“
Auf taz-Anfrage sagt Gothe: „Wie von der BVV gewünscht, stehe ich in
Kontakt mit dem Vertreter des Vereins, mit dem Eigentümer und dem Senat.“
Ins Detail will er nicht gehen, betont aber: „Ich denke, wir sind auf einem
Weg jenseits einer Räumung. Einfach ist der Weg aber nicht.“
14 May 2021
## LINKS
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## AUTOREN
Erik Peter
## TAGS
Linke Szene
Räumungsklage
Köpi
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin
Verdrängung
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Kiel
Potse
Köpi
Lesestück Recherche und Reportage
Köpi
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