| # taz.de -- Umgang der Grünen mit Boris Palmer: Test für die grüne Vielfalt | |
| > Wenn die Grünen wirklich die heterogene Mehrheitsgesellschaft vertreten | |
| > wollen, dürfen sie sich nicht auf einen linksemanzipatorischen Kanon | |
| > verengen. | |
| Bild: Guter Politiker, der mal Unsinn schwätzt oder Rassist? Tübingers OB Bor… | |
| Wir stehen vor einer [1][Bundestagswahl], die darüber entscheidet, ob und | |
| in welchem Umfang die bundesdeutsche Gesellschaft Zukunftspolitik zulassen | |
| möchte. Das meint ganz besonders Klimapolitik. Die ist bisher weder das | |
| Herzensthema der Konservativen noch der Linksemanzipatorischen, weshalb | |
| beide Denkrichtungen immer in Versuchung sind, vor dem Unvermeidlichen | |
| lieber noch schnell einen weiteren Kulturkampf auszurufen. Das ist der | |
| Rahmen, in dem sich die jüngste Kontroverse um den grünen Tübinger | |
| Oberbürgermeister [2][Boris Palmer] abspielt. Im Kern geht es um die von | |
| ihm als Zitat bezeichnete Verwendung des N-Worts in einem Facebook-Reply – | |
| und das daraufhin eingeleitete Parteiausschlussverfahren durch den | |
| Landesparteitag. | |
| Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat recht, wenn | |
| er sagt, dass sich so etwas nicht mit der Würde eines Oberbürgermeisters | |
| vereinbaren lasse. Von Parteiausschluss redet er genauso wenig wie Cem | |
| Özdemir. Es gibt aber bei den Grünen einen [3][identitätspolitischen Teil], | |
| der überzeugt ist, dass Palmer endgültig die antirassistische Grenze dieser | |
| Partei überschritten habe. Es gibt andere Teile, die ihn für einen sehr | |
| guten sozialökologischen Politiker halten, der manchmal Unsinn redet. Und | |
| es gibt für die Wahlkampfstrategen in Berlin das Problem, dass Palmer aus | |
| der Bundesgeschäftsstelle offenbar nicht zu steuern ist, wie sich auch am | |
| Wochenende wieder am aktionistischen Getwittere der Kanzlerinkandidatin | |
| Baerbock und des Bundesgeschäftsführers Kellner gezeigt hat. | |
| Palmer selbst begrüßt das eingeleitete Parteiausschlussverfahren, weil | |
| damit erstmals öffentlich die parteiinternen Rassismusvorwürfe auf ihre | |
| Substanz geprüft werden. Darum geht es jetzt in der Sache. Die weitaus | |
| größere Frage aber ist, ob die Grünen ihr Versprechen wahrmachen können, | |
| aus dem Zentrum der Gesellschaft heraus als liberale Kraft eine Allianz der | |
| Unterschiedlichen für gemeinsame Zukunftspolitik zu schmieden. Dafür müssen | |
| sie jene vertreten, deren Antirassismus klare sprachliche Regeln | |
| beinhaltet. Und jene, die Antirassisten sind, kein N-Wort benutzen, aber | |
| auch Angst bekommen, dass ein falscher Satz sie die Anstellung, Reputation | |
| oder Parteimitgliedschaft kosten könnte. Und Friedrich-Merz-Anhänger müssen | |
| sie übrigens auch politisch vertreten können. | |
| Das Versprechen der [4][Baerbock- und Habeck-Grünen] ist es, Gesellschaft | |
| nicht normativ auf einen linksemanzipatorischen Kanon zu verengen, sondern | |
| ihre Vielfalt politisch fruchtbar zu machen. Der Umgang mit Boris Palmer | |
| ist dafür der Lackmustest. | |
| 9 May 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Peter Unfried | |
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