# taz.de -- Corona-Schutz für sozial Benachteiligte: Impftermine von der Erzie… | |
> Da in ärmeren Vierteln das Coronarisiko höher ist, erhalten Bremer Eltern | |
> ein Impfangebot von der Kita. In Hamburg hält man davon nichts. | |
Bild: In Bremen gibt es Impftermine jetzt auch in der Kita – zumindest in är… | |
BREMEN taz | Eltern, die am Donnerstagmorgen ihre Kinder in den | |
evangelischen Kindergarten „Seewenjenstraße“ im Bremer Stadtteil | |
Gröpelingen brachten, wurden am Eingang von den Leiterinnen der Kita mit | |
einer ungewöhnlichen Frage empfangen: Ob sie sich vielleicht [1][impfen] | |
lassen wollen, gegen Corona? Nicht in der Kita, sondern an zentralen | |
Plätzen im Viertel, von Mitarbeiter*innen des Deutschen Roten Kreuzes, | |
die im Auftrag der Bremer Gesundheitsbehörde schon seit Januar in mobilen | |
Impfzentren im Land Bremen unterwegs sind. | |
Am Montag geht es los mit den Impfungen, 20 Kindertagesstätten im Stadtteil | |
vergeben seit Donnerstag dafür rund 2.000 Codes – zwei pro Kind – die zu | |
einem bestimmten Impfslot einladen, damit nicht alle auf einmal kommen. | |
Gröpelingen, das zu den ärmsten Stadtteilen zählt und [2][derzeit in Bremen | |
auch am stärksten von Corona betroffen ist], soll nur der Auftakt sein, | |
weitere ähnliche Stadtteile sollen folgen. | |
Auf diese Weise will die Bremer Gesundheitsbehörde dafür sorgen, dass auch | |
diejenigen gegen Corona immunisiert werden, die sich aus Unwissenheit oder | |
Skepsis gegenüber der Impfung nicht selbst auf die Suche nach einer Ärztin | |
machen, die sie impft. Insbesondere da sie derzeit auch nicht vom | |
Impfzentrum eingeladen werden, weil das nicht wissen kann, dass sie zur | |
Priorisierungsgruppe 3 gehören. | |
In dieser – der bisher größten – befinden sich nämlich nicht nur Personen | |
über 60 Jahre und solche, die in bestimmten Berufen arbeiten wie im | |
Lebensmitteleinzelhandel oder bei Behörden, sondern auch „Personen, bei | |
denen aufgrund ihrer Arbeits- oder Lebensumstände ein deutlich erhöhtes | |
Risiko einer Infektion mit dem Coronavirus besteht“. So steht es in der | |
Empfehlung des Robert-Koch-Instituts. | |
## Impfskepsis in Armenvierteln | |
Und in ärmeren Vierteln ist die Infektionsgefahr besonders groß, wie es vor | |
zwei Wochen am Beispiel Köln deutschlandweit diskutiert wurde. In Bremen | |
ist dies schon seit Herbst bekannt, als die Gesundheitsbehörde erstmals die | |
Inzidenzen auf Stadtteilebene veröffentlichte. Die Begründung für die hohen | |
Infektionsraten lautet heute wie damals: enge Wohnverhältnisse, prekäre | |
Beschäftigung, mangelnde Sprachkenntnisse, fehlender Zugang zu seriösen | |
Informationen über das Infektionsrisiko. | |
Um die Neuansteckungen zu senken, setzt Bremen seit März wie Hamburg und | |
andere Kommunen auf eine verstärkte Aufklärung vor Ort. Zudem hoffen die | |
Behörden, dass auch die Impfungen dazu führen, dass weniger Menschen in den | |
ärmeren Vierteln erkranken und sich das Virus nicht mehr so stark | |
ausbreiten kann. | |
Das Problem ist dort aber nicht nur, dass die Betroffenen nicht von den | |
Impfangeboten erreicht werden und womöglich weniger stark eigeninitiativ | |
werden als Menschen mit mehr individuellen und finanziellen Ressourcen. | |
Auch die Skepsis gegenüber den Impfstoffen ist offenbar größer. | |
Belegt ist dies für Menschen aus Familien mit Einwanderungsgeschichte, die | |
in den ärmeren Vierteln teilweise die Mehrheit der Bevölkerung ausmachen. | |
„Es zeigt sich, dass Personen mit Migrationshintergrund eine geringere | |
Impfintention aufweisen als Personen ohne Migrationshintergrund“, heißt es | |
in der [3][Zusammenfassung einer Erhebung im Rahmen des Cosmo-Monitoring], | |
eines Gemeinschaftsprojekts verschiedener internationaler Institute unter | |
Federführung der Universität Erfurt. | |
Die Forscher*innen weisen allerdings darauf hin, dass dort auch das | |
Alter der Cosmo-Teilnehmer*innen eine Rolle spielen kann. Diejenigen mit | |
Migrationshintergrund seien jünger als die Vergleichsgruppe. Die | |
Forscher*innen empfehlen, „eine kultursensitive | |
Gesundheitskommunikation“ zu betreiben, „um die Impfakzeptanz und die | |
Impfbereitschaft zu stärken“. | |
In Bremen gingen die Verantwortlichen aber einen Schritt weiter. Weil es | |
nach ihrer Einschätzung – die von vielen Fachleuten aus dem Sozial- und | |
Gesundheitssystem geteilt wird – nicht reicht, Flyer zu verteilen, sollen | |
dort die Kindertagesstätten für das nötige Vertrauen werben. | |
Der Plan scheint aufzugehen. Nach Angaben von Carsten Schlepper, dem | |
Geschäftsführer des Landesverbandes evangelischer Kindertagesstätten in | |
Bremen, konnten die Leiterinnen der Kita „Seewenjenstraße“ am Donnerstag | |
150 von 400 Impfcodes vergeben. | |
„Die waren ordentlich beschäftigt“, sagte Schlepper der taz. „Die Skepsis | |
ist sehr groß.“ Die Gesundheitsbehörde erhofft sich, dass sich die | |
Kita-Aktion im Stadtteil herumspricht. „Wir wollen im nächsten Schritt | |
weitere Multiplikator*innen ansprechen“, sagt Lukas Fuhrmann, | |
Sprecher der Bremer Gesundheitsbehörde. | |
## Hamburg sieht das Problem nicht | |
In Hamburg hält man nichts von mobilen Impfteams oder einer Terminvergabe | |
über Kitas. Die Gefahr höherer Ansteckung bestünde „nicht, weil man sich in | |
einem bestimmten Viertel aufhält“, sagt Sozialbehördensprecher Martin | |
Helfrich. | |
Gleichwohl könnten Lebensumstände und soziale Lage eine Rolle spielen. | |
Deshalb habe auch Hamburg am Montag die über 21.000 Beschäftigten des | |
Lebensmittel-Einzelhandels zum Impfen aufgerufen. Außerdem erhielten eine | |
Reihe von Arztpraxen in Hamburger Stadtteilen mit höherer Armutsquote wie | |
Wilhelmsburg, die Veddel, Billstedt und Jenfeld 100 zusätzliche Impfdosen | |
pro Woche, um „in ihrem Umfeld“ mehr impfen zu können. | |
Für Deniz Çelik, Gesundheitspolitiker der Hamburger Linken, ist das | |
halbherzig. „100 zusätzliche Impfdosen pro Woche und Praxis sind ein | |
Tropfen auf den heißen Stein“, sagt er. Zumal es in diesen Stadtteilen | |
generell weniger Praxen gebe. Außerdem gebe es eben eine Hürde, dorthin zu | |
gehen. Die Linke hatte am Mittwoch in der Bürgerschaft beantragt, dass | |
Hamburg – wie in Köln – mobile Impfteams in benachteiligte Quartiere | |
schickt, die dort jeden impfen, der es möchte. Das lehnten SPD und Grüne | |
allerdings ab. | |
7 May 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Trend-verstetigt-sich/!5765524 | |
[2] /Impfen-in-Bremer-Brennpunkt-Vierteln/!5763437 | |
[3] https://projekte.uni-erfurt.de/cosmo2020/web/topic/impfung/10-impfungen/#im… | |
## AUTOREN | |
Eiken Bruhn | |
Kaija Kutter | |
## TAGS | |
Sozialer Brennpunkt | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
Bremen | |
Hamburg | |
Impfung | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
Hausarzt | |
Bremen-Gröpelingen | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Impfen im Brennpunkt-Viertel: Schlange stehen für den Pieks | |
In Bremen-Gröpelingen werden diese Woche vorrangig Eltern kleiner Kinder | |
geimpft. Doch der Andrang ist riesig, auch andere Anwohner*innen | |
kommen. | |
Impftermine von der Kita: Kluge Aktion mit Risiko | |
In Bremen verteilen Kindertagesstätten in ärmeren Stadtteilen Termine für | |
Impfungen. So sollen dort Menschen erreicht werden, die skeptisch sind. | |
Trend verstetigt sich: Mehr Impfungen, weniger Infektionen | |
Nicht nur Geimpfte und Genesene haben bald mehr Freiheiten. Durch sinkende | |
Corona-Inzidenzen könnten auch für alle anderen Lockerungen kommen. | |
Impfen in Bremer Brennpunkt-Vierteln: Ärzte am Limit | |
Hausärzt*innen in Bremens armen Quartieren sollen mehr Vakkzine | |
bekommen. Doch die, die impfen, sind bereits am Limit. | |
Hausärztin über Corona im Brennpunkt: „Ich verliere den Kontakt“ | |
Heike Diederichs hat ihre Praxis in Bremen-Gröpelingen – einem armen | |
Viertel, in dem die Infektionszahlen hoch sind. Warum? Ein Protokoll. |