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# taz.de -- Entlassungen bei Otto-Versandhaus: Alles „New“ bei Otto
> Auf einer Betriebsversammlung wurden Otto-Mitarbeiter*innen über die
> Sparpläne des Konzerns informiert. Das ganze Ausmaß aber wurde
> verschwiegen.
Bild: Viel Umsatz, viele Pakete: Eine Mitarbeiterin packt Retouren aus
Hamburg taz | Wie viele Mitarbeiter*innen müssen gehen, wie sieht die
Zukunft des Online-Händlers Otto aus? Diese Fragen haben am gestrigen
Dienstag eine vom Betriebsrat einberufene Betriebsversammlung (BV) der Otto
GmbH & Co KG – der früheren Otto-Versand GmbH & Co – geprägt, an der 2.900
Mitarbeiter*innen teilnahmen. Wie die [1][taz in der vergangenen Woche
berichtete], plant der größte Versandhändler in Deutschland mit Stammsitz
in Hamburg trotz pandemiebedingter [2][Rekordumsätze im abgelaufenen
Geschäftsjahr] nun einen Abbau von Arbeitsplätzen.
Unter dem Projektnamen „New“ will die Firmenleitung bis Anfang 2024 einen
Rationalisierungsplan durchboxen, mit dem das Versandhaus jährlich gut 50
Millionen Euro Kosten und bis zu 400 Vollzeitstellen einspart. So will Otto
nach eigener Darstellung den „2018 begonnenen Umbau vom Online-Händler zur
wettbewerbsfähigen Plattform mit einem stetig wachsenden Markenangebot
konsequent fortsetzen“. „Vom Online-Händler zur Online-Plattform“ heißt…
Devise.
Im Klartext: Otto plant den Angriff auf Amazon. Immer mehr
Fremdanbieter*innen sollen ihre Produkte über die Otto-Plattformen und
„Marktplätze“ im Netz offerieren. Auf einer digitalen Betriebsversammlung
wurden die Rahmendaten von „New“ nun erstmals der Otto-Belegschaft
vorgestellt.
„Wir haben einen Stellenabbau quer durch alle Führungsebenen vor uns“, wird
[3][Katy Roewer], die die fünfköpfige Otto-Geschäftsführung auf der BV
vertritt, deutlich. Die Veränderung der firmeninternen Arbeitsstrukturen
verbunden mit einem schlankeren Personalkörper sei notwendig, um
„konkurrenzfähig“ zu bleiben. Obwohl der Name Amazon kein einziges Mal auf
der Betriebsversammlung fällt, ist klar, dass der Onlinegigant mit seinen
Niedrigpreisen gemeint ist.
## Trotz Rekordumsätzen werden Stellen gestrichen
Die Otto-Gesellschaft, die anders als Amazon immer noch einen Ruf als
fairer Arbeitgeber genießt, will nun auf dem Weg zur Plattform
Arbeitsvorgänge weiter „automatisieren und digitalisieren“, Doppelarbeit
vermeiden, Stellen abbauen, um, so Roewer, „dauerhaft Arbeitsplätze zu
sichern“.
Dabei ist auf der BV nur von der sogenannten Phase 2 der
New-Umstrukturierung die Rede, bei der 120 Vollzeitstellen wegfallen
sollen. Das, wie aus internen Firmenunterlagen hervorgeht, am Ende von
Phase 3 ein Abbau von bis zu 400 Arbeitsplätzen geplant ist, verschweigt
die Bereichsvorständin, aber auch der darüber informierte Betriebsrat.
„Wir setzen alles daran, dass es nicht zu betriebsbedingten Kündigungen
kommt“, sagt stattdessen eine Betriebsrätin, schließt diese „als letztes
Mittel“ aber nicht aus. So verhandele man mit der Geschäftsführung einen
Sozialplan, in dem es um Themen wie Altersteilzeit, Abfindungen und
Qualifizierungsmaßnahmen gehe.
## Es geht um Abfindungen und Altersteilzeit
Dass Corona-Homeoffice-Isolation und drohende Stellenstreichungen Spuren
bei den Otto-Mitarbeiter*innen hinterlassen haben, weiß der
Betriebsratsvorsitzende: „Fehlende Motivation und Zukunftsangst der
Mitarbeiter*innen schlägt uns entgegen.“
Die Reaktionen der sich auf der Betriebsversammlung äußernden
Mitarbeiter*innen sind geteilt. Viele werfen dem Management
„Geheimniskrämerei“ bei den Umstrukturierungsplanungen vor. „Es gab noch
nie in der Unternehmensgeschichte so viel fehlende Transparenz“, heißt es
in dem die BV begleitenden Chat, aber auch: „NEW beschert Frust, Wut und
Traurigkeit.“ Ein Mitarbeiter betont, es sei „absolut unnötig, dass es so
gut wie nie für OTTO läuft und jetzt hunderte Kolleg*innen ihren Job
verlieren!“
Denn erst vor wenigen Wochen hatte Otto Rekordzuwächse und -Umsätze
verkündet. So steigerte der Konzern in Deutschland „den Umsatz von 3,5
Milliarden Euro in 2019/20 auf 4,5 Milliarden Euro um rund 30 Prozent“ im
bereits am 28. Februar abgeschlossenen Geschäftsjahr 2020/21. „Wir haben
eine Milliarde oben draufgelegt“, verkündete Katy Roewer auch auf der BV.
Sie und ihre vier männlichen Kollegen in der Otto-Führung fahren auf der BV
nicht nur herbe Kritik, sondern auch Zustimmung ein – viele
Mitarbeiter*innen unterstützen ihren Kurs: Otto sei noch immer „ein
toller Arbeitgeber mit vielen sozialen Leistungen!“
An anderer Stelle heißt es im Chat mit Verweis auf den Niedergang der
früheren Versandhäuser Neckermann und Quelle: „Wir können froh sein, dass
OTTO daran sehr, sehr viel liegt, mit dem Zug der Zukunft zu fahren. Da
muss man auch Opfer bringen, die sind aber geringer, als wenn das ganze
Schiff sinkt.“ Eine andere Mitarbeiterin glaubt: „ NEW ist richtig und
Automatisierung ist dringend notwendig! OTTO sollte mutig sein und groß
denken: Nicht ein deutsches Amazon, sondern ein europäisches OTTO!! – find
ich gut!“
13 Apr 2021
## LINKS
[1] /Stellenabbau-beim-Versandkonzern/!5759165
[2] https://www.otto.de/unternehmen/de/pressemitteilungen/otto-steigert-umsatz-…
[3] https://www.abendblatt.de/hamburg/article230224106/Katy-Roewer-Ottos-Versan…
## AUTOREN
Marco Carini
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