# taz.de -- Gedanken zum Medienjournalismus: Die persönliche K-Frage | |
> Unsere Kolumnistin wechselt vom Medien- ins Investigativressort und | |
> beendet damit ihre Kolumne. Ein Rückblick und ein hoffnungsvoller | |
> Ausblick. | |
Bild: Nach 7 Jahren im Medienjournalismus verabschiedet sich unsere Kolumnistin… | |
Seit einigen Wochen trage ich meine persönliche K-Frage mit mir herum, und | |
ich kann Ihnen hier und heute meinen Entschluss mitteilen: Dies ist meine | |
letzte Kolumne. | |
Nach sieben Jahren als Medienredakteurin probiere ich etwas Neues und | |
wechsle ins Investigativressort der taz. Als ich hier anfing, wusste ich | |
nicht, was das sollte: Medienjournalismus kam mir vor wie eine Nabelschau, | |
wie Steine schmeißen im Glashaus. Mit der Zeit merkte ich aber, dass er | |
nicht nur vielfältig, sondern auch relevant ist. Was wir wissen, wissen wir | |
aus den Medien. Medien sind der Ort, an dem wir als Gesellschaft | |
verhandeln, wer wir sind und wohin wir wollen. Und dieser Ort ist eine | |
Baustelle. | |
2014, als ich anfing, war die AfD gerade ein Jahr alt und hetzte noch mehr | |
gegen den Euro als gegen Flüchtlinge. Pegida und deren Schlachtruf | |
„Lügenpresse“ gab es noch nicht, Twitter war noch kein schreiender | |
Präsident und Claas Relotius fälschte seine Spiegel-Geschichten noch so | |
geschickt, dass niemand misstrauisch wurde. | |
Seitdem wurden Zeitungen zusammengelegt, Redaktionen geschlossen und | |
ausgedünnt. Verlage und Sender haben Sparprogramme durchgedrückt, und haben | |
gute Leute ziehen lassen. | |
Der Job ist dadurch härter geworden: die Konkurrenz größer, die | |
Arbeitsbedingungen schlechter, die Löhne niedriger. Journalist*innen | |
stehen mehr denn je unter Druck. Kritik in den sozialen Medien wird schnell | |
hässlich, in Deutschland gab es im vergangenen Jahr so viel Gewalt gegen | |
Journalist*innen wie noch nie. | |
## Kritik an Verlegern hat es schwer | |
Vieles davon konnte man auf Medienseiten nachlesen, aber auch nicht alles. | |
Als der Verband der Zeitungsverleger durchsetzte, dass Zeitungsausträger | |
[1][erst später Mindestlohn verdienen sollten als Mitarbeiter in anderen | |
Branchen], stand das in fast keiner großen Zeitung. Als große Verlage ihre | |
[2][Redaktionen in der ersten Coronawelle in Kurzarbeit schickten], obwohl | |
die Newsrooms brummten und die Abozahlen Rekorde erreichten, berichtete | |
kaum jemand darüber. Und Kritik daran, dass die Zeitungsverleger Mathias | |
Döpfner zu ihrem Chef machten, obwohl seine [3][Bild-Zeitung auf | |
journalistische Standards pfeift], las man auch kaum. | |
Kritik an Verlegern hat es schwer. Und trotzdem haben all die | |
Erschütterungen der letzten Jahre auch einiges zum Guten gewendet. Die | |
Branche ist heute weniger selbstherrlich, manchmal sogar transparent mit | |
eigenen Fehlern. Und die Angriffe und Lügen der Rechten haben | |
Journalist*innen und Leser*innen gezeigt, wie wichtig | |
Qualitätsjournalismus ist. | |
Und noch etwas macht mir Hoffnung: Es werden auf der Medien-Baustelle nicht | |
nur alte Leuchttürme abgerissen, es entstehen auch neue: Krautreporter, | |
Übermedien, Vice Germany, das Podcast Label 4000 Hertz. Sie alle machen | |
stabile Arbeit, schauen hin, wo andere Redaktionen nicht hinschauen, | |
kämpfen für die Pressefreiheit und zeigen, dass Journalismus Zukunft hat. | |
Es war mir eine Freude, das alles begleiten zu dürfen. | |
19 Apr 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Zeitungszusteller-und-Mindestlohn/!5038579 | |
[2] /Kurzarbeit-bei-den-Zeitungsverlagen/!5679573 | |
[3] https://uebermedien.de/52617/doepfner-beim-wort-nehmen-und-absetzen/ | |
## AUTOREN | |
Anne Fromm | |
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