# taz.de -- Gewalt gegen Frauen in Niedersachsen: Sprunghafte Zunahme | |
> Die niedersächsische Kriminalitätsstatistik bestätigt, was alle | |
> befürchtet haben: Die Fälle häuslicher Gewalt haben im vergangenen Jahr | |
> zugenommen. | |
Bild: Protest gegen Gewalt gegen Frauen in Hameln 2019 | |
HANNOVER taz | Im vergangenen Jahr hat die niedersächsische Polizei genau | |
21.509 Fälle von häuslicher Gewalt registriert – eine Zunahme um 1.343 | |
Fälle oder rund sieben Prozent. Damit bestätigt sich, was [1][viele | |
Expert*innen prognostiziert hatten]: Die seit Jahren steigenden Zahlen | |
haben noch einmal einen deutlichen Peak erreicht. „Solche Trends sind | |
schwer präzise zu beziffern, aber das übertrifft die kontinuierliche | |
Steigerung, die wir in den letzten zehn Jahren gesehen haben“, sagt | |
Polizeipräsident Axel Brockmann. | |
Und noch etwas sei aus der Statistik klar ablesbar: „Je schwerer die | |
ausgeübte Gewalt, desto männlicher ist sie.“ 80 Fälle von versuchter Tötu… | |
zählte man in 2020, 2019 waren es noch 70 Fälle gewesen. Ob diese Versuche | |
„letal oder vital“ endeten, sei oft Zufall, so Brockmann. | |
29 Menschen wurden im vergangenen Jahr durch ihre Partner oder andere | |
Familienmitglieder getötet: 24 davon waren Frauen. Bei der häuslichen | |
Gewalt, die (noch nicht) tödlich endete, geht die Polizei von einer hohen | |
Dunkelziffer aus – auch wenn die Anzeigebereitschaft der Opfer gestiegen | |
sei. | |
Eine Erhellung verspricht man sich von [2][der aktuellen | |
Dunkelfelduntersuchung in Niedersachsen.] Die läuft alle zwei Jahre: 40.000 | |
nach dem Zufallsprinzip ausgewählte Bürger*innen werden in einer | |
anonymisierten Befragung nach ihren Erfahrungen mit Erscheinungsformen von | |
Verbrechen gefragt. Der Fragebogen enthält neben einem festen Fragenblock, | |
der für die Betrachtung von Langzeitentwicklungen wichtig ist, auch ein | |
Schwerpunktthema. In diesem Jahr ist das häusliche Gewalt. | |
Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) sagt, das sei ein Thema, | |
das ihn schon lange umtreibe. „Wenn ein Mann eine Frau tötet, weil sie ihn | |
verlassen will, ist das [3][kein „Familiendrama“ oder eine | |
„Beziehungstragödie“, sondern Mord]“, sagte er auf der Pressekonferenz z… | |
Vorstellung der aktuellen Kriminalitätsstatistik. | |
Es sei Kennzeichen eines minderwertigen Frauenbildes, wenn jemand eine Frau | |
als seinen Besitz betrachte und sie töte, weil sie mit einer Trennung den | |
eigenen Lebensentwurf in Frage stelle. „Es ist mir vollkommen | |
unverständlich, wie der Bundesgerichtshof das in seiner Rechtsprechung | |
anders werten konnte und davon ausgeht, dass die Verlustangst als | |
mildernder Umstand anzusehen ist, wenn die Trennung vom Opfer ausging.“ | |
In seinen Augen, sagte Pistorius, müsste das als niedriger Beweggrund und | |
damit als Mordmerkmal gelten. Er setze sich dafür ein, dass | |
frauenfeindliche Motive künftig strafverschärfend gewertet und in der | |
polizeilichen Kriminalstatistik präziser erfasst werden. Eine solche | |
Änderung müsste er jedoch auf Bundesebene durchsetzen. Um die | |
Vergleichbarkeit zu gewährleisten, sind die Kriterien bundesweit | |
einheitlich. Und nicht für jeden Innenminister sind Frauenrechte ein | |
Herzensthema. | |
23 Mar 2021 | |
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## AUTOREN | |
Nadine Conti | |
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