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# taz.de -- Versuchter Femizid: Partnerin verbrannt – acht Jahre Haft
> Ein Mann hat in Hannover seine Partnerin mit Grillanzünder begossen und
> angezündet. Der Richter ist schockiert über die Empathielosigkeit des
> Täters.
Bild: Ein paar Schuhe für jedes Opfer: Protest gegen patriarchale Gewalt
Es soll ein Streit von vielen gewesen sein, der am 3. Oktober 2022 zwischen
Bela A. und seiner Partnerin eskalierte. Der 64-Jährige schlug seine
Lebenspartnerin zu Boden und übergoss sie mit einer Flüssigkeit. Im
nächsten Moment standen ihr Oberkörper und Kopf in Flammen.
Bela A. soll aus Eifersucht gehandelt haben. Sein Verteidiger spricht vom
„gebrochenen Herzen“ seines Mandanten. Die Beziehung mit Ursula M. hielt 18
Jahre und nicht selten habe es Reibereien und Trennungsphasen gegeben.
Während eines Kuraufenthalts sei sie einem neuen Mann begegnet, weswegen
sie einen endgültigen Schlussstrich wollte. Bela A. habe das nicht gut
verkraftet. Trotzdem entschieden sich die beiden dazu, Freunde zu bleiben.
Am Tattag waren sie in der Wohnung von Ursula M. in Langenhagen verabredet.
Was dort passierte, sieht das Gericht als bestätigte Tatsachen an. Ursula
M. öffnete die Tür und der Beschuldigte ging auf die Knie. Er habe sie
angefleht, die Beziehung doch fortzuführen. Dann habe er gefragt, ob es
einen Kuss mit dem neuen Mann gegeben habe. Als sie bejahte, zündete er sie
an. Damit sollte sie für andere Männer unattraktiv werden. Der Kuss war
nach Auffassung der Staatsanwaltschaft die endgültige Legitimation dafür,
seinen „Racheplan“ auszuführen. Schon am Vortag soll er sich vorbereitet
haben, indem er Grillanzünder aus seinem Keller in eine PET-Flasche kippte
und zur Verabredung mitnahm.
Der Verteidiger des Angeklagten fordert eine geringe Haftstrafe. Sein
Mandant habe die Frau verloren, die er liebte und sei darum bemüht gewesen,
das Feuer mit einer Decke zu löschen. Dieses eine Mal in seinem Leben habe
er einen großen Fehler begangen und den bereue er. Hörbar schluchzt der
Angeklagte auf diesen Satz hin und hält sich sein Gesicht in ein
Taschentuch. In seinen Schlussworten formuliert er eine Entschuldigung.
„Ich weiß nicht, wie ich das noch ausdrücken soll. Seitdem das passiert
ist, leide ich jeden Tag wie ein Hund, wie ein Hund auf der Straße.“
## Elf Prozent Körperoberfläche verbrannt
Elf Prozent Körperoberfläche des Opfers sind verbrannt – 15 Prozent gelten
als lebensbedrohlich. Schmerzen, Bewegungseinschränkungen, Therapien und
kahle Stellen am Kopf werden für immer bleiben. Die Betroffene schildert,
dass sie sich daran erinnere, wie Bela A. über ihr gestanden habe und
sagte: „Jetzt komme ich ins Gefängnis.“
Der Beschuldigte schüttelt energisch den Kopf und widerspricht sofort. Der
64-Jährige fällt als jemand auf, der dem Prozess emotional folgt und zu
Zwischenrufen, Kopfschütteln oder zustimmendem Nicken neigt. Als die
verbrannte Frau berichtet, dass sie „unendliche Qualen“ erlitten habe,
reagierte er mit dem Kommentar: „Ja, aber ich auch.“
Polizeibeamte, die den Beschuldigten nach seiner Motivation befragten,
hätten die Antwort bekommen, dass er „aus Liebe“ gehandelt habe. Er habe
beschrieben, dass das nur nachvollziehbar sei, wenn man so verletzt wurde,
wie er. Töten wollen habe er nicht. Ursula M. sollte leben, aber ihre
Schönheit verlieren.
Eine Medizinstudentin aus dem Wohnhaus kam als Ersthelferin in die Wohnung.
Als Zeugin berichtet sie, dass sie sich um feuchte Tücher kümmerte und die
Brandverletzungen kühlte. Die Frau erzählte dabei, dass sie angezündet
worden sei. Die Studentin fragte, von wem, Ursula M. soll auf Bela A.
gezeigt und gesagt haben: „Na, von meinem Ex-Partner.“ Darauf habe er
„komisch“ reagiert. Er habe verständnislos gewirkt, gelächelt und
geantwortet: „Aha, Ex-Partner.“ Die Staatsanwaltschaft interpretiert das
als höhnisch. Es zeige, dass für den Beschuldigten die eigene Kränkung im
Vordergrund stehe und nicht die Verletzungen, die er zu verantworten habe.
## Achtjährige Haftstrafe für den Täter
Das Gericht verurteilt den Mann für schwere Körperverletzung zu einer
achtjährigen Haftstrafe und erfüllt damit das geforderte Strafmaß von
Staatsanwaltschaft und Nebenklage. Richter Schröer sagt in Richtung des
Angeklagten: „Sie haben den Lebensabend von Frau M. zerstört.“ Es seien
nicht nur die Haare und der Kopfbereich, sondern auch der Bezug zu ihrem
Zuhause, in dem sie nach dem Vorfall nicht mehr leben wollte, und die
Lebensfreude, die zerstört sei. „Wenn Sie sagen, dass Sie leiden wie ein
Hund, dann muss ich schlucken“, sagt der Richter. „Ihnen fehlt die Empathie
für Frau M., die viel mehr leiden muss, denn sie ist lebenslang
gezeichnet.“
Ursula M.s Sohn sagt, er sei zufrieden mit dem Urteil. Seine Mutter wollte
nicht zum zweiten Verhandlungstermin kommen, aber er werde sie gleich
anrufen. Er ist sicher, dass sie erleichtert sein werde. Nun werde sie sich
wieder frei in Hannover bewegen können. Bisher sei das mit der Angst
verbunden gewesen, den Ex-Partner wiederzutreffen.
27 Oct 2023
## AUTOREN
Katja Spigiel
## TAGS
Schwerpunkt Femizide
Prozess
Täter
Hannover
Gewalt gegen Frauen
häusliche Gewalt
Genozid
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