# taz.de -- Krach um Corona-Impfstoff: In Österreichs Koalition rappelt es | |
> Erst warf Österreichs Kanzler Kurz der EU „Geheimpläne“ zur | |
> Impfstoffverteilung vor. Dann griff er das grüne Gesundheitsministerium | |
> in Wien an. | |
Bild: Österreichs Kanzler Sebastian Kurz und sein Gesundheitsminister, Rudolf … | |
WIEN taz | Platzt Österreichs türkis-grüne Regierung noch vor dem Ende der | |
Pandemie? Diese Frage musste sich jeder stellen, der am Wochenende die | |
Medien verfolgte. Wolfgang Fellner etwa, Herausgeber des reißerischen | |
Gratis-Blatts Österreich, forderte vehementer als bisher den Kopf von | |
Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) und malte einen fliegenden | |
Partnerwechsel der ÖVP an die Wand. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner, | |
gelernte Epidemiologin, solle das Gesundheitsressort übernehmen. | |
Rendi-Wagner dementierte umgehend Ambitionen auf eine Partnerschaft mit | |
Sebastian Kurz (ÖVP). Sollte die Regierung platzen, dann müssten Neuwahlen | |
über die zukünftige Machtkonstellation entscheiden. | |
Vorausgegangen war dem Sturm im Boulevard eine ungewöhnlich heftige Attacke | |
der ÖVP auf den Koalitionspartner. Wie in vielen Ländern Europas laufen die | |
Covid-Impfungen in Österreich nur schleppend. Kaum zehn Prozent der | |
Bevölkerung haben die Erstimmunisierung hinter sich. Beim bisherigen Tempo | |
wird es ein Jahr dauern, bis alle Willigen durchgeimpft sind, wie die | |
Opposition vorrechnet. | |
Darunter leiden die Popularitätswerte der Regierenden, selbst die von | |
Kanzler Sebastian Kurz, der es sonst meisterhaft versteht, die | |
Verantwortung anderen zuzuschieben. Am Freitag warf er in einer eilig | |
angesetzten Pressekonferenz der EU „Geheimpläne“ vor, bei der | |
Impfstoffverteilung manche Länder zu bevorzugen und einen Basar zu | |
veranstalten, auf dem der Bestbieter zusätzliche Vakzine einkaufen könne. | |
Brüssel reagierte mit einem nüchternen Kommuniqué, in dem darauf | |
hingewiesen wurde, dass jeder Mitgliedsstaat frei gewesen sei, bei den | |
verschiedenen Pharmakonzernen Impfstoffe zu bestellen. Länder wie Malta, wo | |
schon die Hälfte der Bevölkerung durchgeimpft ist, setzten vor allem auf | |
[1][Biontech/Pfizer] während sich Bulgarien fast ausschließlich für den | |
billigeren Wirkstoff von AstraZeneca entschieden hat. [2][Dass der Konzern | |
sich als besonders unzuverlässig bei der Lieferung erweisen würde], konnte | |
damals niemand ahnen. | |
## „Kriegserklärung“ gegen Gesundheitsministerium | |
Ähnlich argumentierte auch Ines Stilling, Generalsekretärin im | |
Gesundheitsministerium, die in einem Radiointerview der Kritik von Kurz | |
offen widersprach. Tags darauf schickte der Kanzler die | |
ÖVP-Gesundheitssprecherin vor, die die sofortige Suspendierung von Stilling | |
und Clemens Martin Auer forderte. Auer war als Sonderbeauftragter für den | |
Einkauf der Vakzine verantwortlich. | |
Selbst Peter Filzmaier, Politkommentator des ORF, der um größtmögliche | |
Ausgewogenheit bemüht ist, wunderte sich am Sonntag in den Spätnachrichten | |
über des Kanzlers gespielte Ahnungslosigkeit: „Da muss er sich dann die | |
Frage gefallen lassen, was er bis zum Freitag eigentlich beruflich im Jahr | |
2021 gemacht hat“. Die Angriffe auf das grüne Gesundheitsministerium sah er | |
als „Kriegserklärung“. | |
Gesundheitsminister Rudolf Anschober, der nach einem Kreislaufkollaps die | |
gesamte letzte Woche im Spital verbrachte, meldete sich am Montag zurück | |
und reagierte ziemlich souverän. Er akzeptierte den Rückzug von Auer aus | |
seiner Funktion im EU-Impfausschuss, weil er über einen EU-Reservetopf von | |
rund 100.000 Impfdosen nicht informiert hatte, beließ ihn aber in seinen | |
anderen Funktionen. Den Fehdehandschuh von Kurz hob er nicht auf. Damit hat | |
er zumindest vorerst die Koalition gerettet. | |
15 Mar 2021 | |
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## AUTOREN | |
Ralf Leonhard | |
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