# taz.de -- Wirtschaftshilfen in der Coronakrise: Grün nur zu 2,5 Prozent | |
> Die UNO fleht die Staaten an, Coronahilfen in Umwelt und Entwicklung zu | |
> stecken. Das machen aber nur ein paar reiche Länder wie Deutschland. | |
Bild: Mehrheit der grünen Investitionen, wie z.B. in Solarenergie, kommen von … | |
BERLIN taz | Weltweit verpassen die Regierungen gerade eine einmalige | |
Chance, ihre Volkswirtschaften grüner und stabiler zu machen. Von den | |
insgesamt etwa 14,6 Billionen Dollar an Wirtschaftshilfen in der | |
Coronakrise fließen in den 50 wirtschaftlich stärksten Ländern der Welt | |
2020 nur etwa 2,5 Prozent in eine „grüne Erholung“. Deutschland gehört | |
dabei zu Vorreitern bei ökologischen Ausgaben. Das ist das Fazit des | |
[1][„Economy Recovery Projects“ der britischen Oxford Universität und des | |
UN-Umweltpogramms Unep], das am Mittwoch veröffentlicht wurde. | |
„Trotz beträchtlicher Hinweise darauf, dass umweltfördernde Fiskalpolitik | |
zu den effektivsten Instrumenten der wirtschaftlichen Erholung gehört“, | |
heißt es im Bericht, „wurde 2020 sehr wenige von solchen grünen Ausgaben | |
verkündet.“ | |
## Die Mahnung der UNO verhallt | |
Seit Beginn der Coronapandemie vor einem Jahr haben die | |
WissenschaftlerInnen die Daten zusammengetragen. Schon früh hatte | |
UN-Generalsekretär Antonio Guterres gefordert, die großen Summen der | |
Hilfspakete seien eine Belastung für die öffentlichen Kassen, aber auch | |
eine große Chance, in Klimaschutz und nachhaltige Entwicklung zu | |
investieren: [2][„Wir müssen besser wiederaufbauen!“, war seine Mahnung.] | |
Jetzt zeigt sich: Sie wird bisher kaum erhöht. „Bauen wir besser wieder | |
auf? Noch nicht!“, heißt es in dem Bericht. Insgesamt seien 14,6 Billionen | |
Dollar an Hilfsmitteln geflossen, die meisten davon allerdings für | |
Impfprogramme oder kurzfristige Liquiditätshilfen. Als Zahlungen für die | |
langfristige Wirtschaftsstruktur identifiziert der Bericht davon nur 1,9 | |
Billionen. Und hier sieht die grüne Bilanz besser aus: 18 Prozent dieser | |
Geldflüsse seien im weitesten Sinne grün, urteilen die Experten – insgesamt | |
341 Milliarden. Nicht enthalten in den Zahlen sind angekündigte EU-Gelder, | |
die noch nicht in den Budgets der Mitgliedsstaaten angekommen sind. | |
„Diese Verteilung der Ausgaben ist nicht gut genug, um der Rhetorik der | |
Politik zu entsprechen“, sagte Brian O´Callaghan, Hauptautor des Berichts | |
beim „Economy Recovery Project.“ Der Bericht solle es mit seinen offenen | |
Datenquellen Menschen weltweit ermöglichen, die Ausgabenpolitik ihrer | |
Regierungen zu überprüfen und sie im Zweifel zur Rechenschaft zu ziehen. | |
„Zwar fördern nur 2 bis 3 Prozent der Ausgaben direkt neue CO2-Emissionen, | |
aber die 82 Prozent nicht-grüne Investitionen verlängern eine | |
Wirtschaftsweise, die keinen Umbau zeigt weg von den Krisen bei Klima, | |
Verschmutzung und Artensterben.“ | |
## Fast die Hälfte der deutschen Ausgaben sind grün | |
Die Unterschiede in den Ausgaben der Staaten sind riesig. Den größten | |
Brocken an Hilfsgeldern, gemessen an ihrer Wirtschaftskraft, beschlossen | |
demnach Spanien, Großbritannien und Südkorea mit 15 bis 12 Prozent des | |
Bruttoinlandsprodukts, alerdings nur ein Zehntel bis zu einem Fünftel davon | |
„grün“. An vierter Stelle liegt Australien mit praktisch gar keinem | |
ökologischem Anteil an seinen Hilfsgeldern. Am unteren Ende stehen Staaten | |
wie Südafrika und Thailand, auch die USA tauchen dort auf – [3][allerdings | |
ist das 1,9-Billionen-Paket von Präsident Joe Biden noch nicht mitgezählt, | |
das am Mittwoch vom US-Kongress angenommen wurde.] | |
Deutschland greift nach dieser Statistik mit etwa 2,5 Prozent seines BIP, | |
98 Milliarden Dollar, der Wirtschaft unter die Arme – und immerhin 47 | |
Prozent davon werden als grün gezählt. Damit gehört die deutsche | |
Fiskalpolitik in zu einer Gruppe der Öko-Vorreiter mit Dänemark, Norwegen, | |
Finnland und Frankreich. Besonders positiv schlagen die 7 Milliarden Euro | |
für die deutsche Wasserstoff-Strategie zu Buche, aber auch die geplanten | |
Mittel für Gebäudesanierung, die Verkaufsprämie für E-Autos und den | |
öffentlichen Verkehr. | |
Umweltministerin Svenja Schulze meinte: „Ein umwelt- und sozialgerechter | |
Wiederaufbau nach der Krise zahlt sich für alle aus“. Es sei von | |
„strategischer Bedeutung“, mit den Hilfsprogrammen Weichen für eine | |
nachhaltige Gesellschaft zu stellen. Der Bericht zeige außerdem, „dass | |
umweltverträglich ausgerichtete Konjunkturmaßnahmen nicht im Widerspruch zu | |
Wirtschaftswachstum stehen, da sie starke, schnell wirksame Wachstums- und | |
Beschäftigungsimpulse setzten.“ | |
## Armen Ländern droht die Schuldenfalle | |
Weltweit betrachtet „stehen wir an einer kritischen Weggabelung“, sagte | |
Steven Stone von Unep zu den Daten. „Diese Chance haben wir nur einmal im | |
Leben, so effizient in den Umbau des Systems zu investieren.“ Die | |
Durchschnittszahlen versteckten allerdings die riesigen Unterschiede | |
weltweit, heißt es im Bericht. So hätten Industrieländer im Schnitt über | |
20.000 Dollar pro Kopf der Bevölkerung an Hilfsgeldern angekündigt – | |
Schwellen- und Entwicklungsländer dagegen nur 680 Dollar und die am | |
wenigsten entwickelten Staaten nur 10 Dollar pro Kopf. | |
„Die überwiegende Mehrheit der grünen Investitionen kommen von einer | |
kleinen Gruppe von Ländern mit hohem Einkommen“, heißt es. „Die | |
Verschuldung verhindert große Ausgaben in den Entwicklungsländern.“ Und die | |
nächste Krise zeichne sich schon ab: „es wird substanzielle Hilfe von | |
internationalen Partnern brauchen, um wachsende Armut und zunehmende | |
Ungleichheit abzumildern.“ | |
11 Mar 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://recovery.smithschool.ox.ac.uk/tracking/ | |
[2] https://www.un.org/en/un-coronavirus-communications-team/un-urges-countries… | |
[3] https://edition.cnn.com/2021/02/26/politics/stimulus-package-covid-relief-h… | |
## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
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