# taz.de -- Urteil in Betrugsprozess: Haft für dreisten Coronabetrug | |
> Der Plan mutet stümperhaft an. Ein 31-Jähriger beantragte bundesweit | |
> Hilfen für 91 Firmen – doch das ganze Geld sollte auf sein Konto fließen. | |
Bild: Abstruse Pläne und wirre Einlassung. Der Angeklagte im Gerichtssaal am M… | |
MÜNCHEN taz | Im bisher größten Fall versuchten Betrugs bei den | |
[1][Coronasoforthilfen] ist das Urteil gesprochen: Der angeklagte 31 Jahre | |
alte Y. muss für viereinhalb Jahre ins Gefängnis, entschied das Landgericht | |
München am Mittwoch. Außerdem wird der Angeklagte wegen massiven | |
Cannabiskonsums in eine Entziehungsanstalt eingewiesen. Der Vorsitzende | |
Richter Markus Födisch erkannte bei Y.s Handeln „Kaltschnäuzigkeit“, die | |
Taten wertete das Gericht als versuchten Subventionsbetrug. | |
Y. hatte in 91 Fällen im vergangenen März und April die staatliche | |
Hilfsleistung beantragt – [2][für Firmen, die es entweder gar nicht gibt, | |
oder deren wirkliche Besitzer davon nichts wussten]. Die Anträge stellte er | |
in sechs Bundesländern, darunter 23 in Bayern, 24 in Berlin und zwei in | |
Baden-Württemberg. Er forderte zwischen 9.000 und 70.000 Euro je Fall, | |
insgesamt etwas mehr als 2,5 Millionen. In drei Fällen war die Masche sogar | |
erfolgreich, insgesamt wurden ihm so 67.000 Euro ausgezahlt. Von 37.000 | |
Euro fehlen weiterhin jede Spur. | |
Für die Anträge verwendete Y. unterschiedliche Identitäten, er besaß viele | |
Ausweis-Kopien von Personen aus seinem Bekanntenkreis. Dass sein Vorhaben | |
rasch auffliegen würde, war allerdings abzusehen: Y. gab immer dasselbe | |
Bankkonto bei der Stadtsparkasse Dortmund an, auf das das Geld eingezahlt | |
werden sollte. Von dort wollte er, so sein Plan, es ins Ausland | |
transferieren und in unterschiedliche Kryptowährungen tauschen. Am 15. Mai | |
wurde Y. verhaftet und in Untersuchungshaft nach München-Stadelheim | |
gebracht. | |
Y., der sich als selbstständiger Musikproduzent bezeichnet, äußerte sich | |
vor Gericht in seiner Einlassung recht wirr und machte den Behörden | |
Vorwürfe. So sprach er von der „Verschleppung“ seiner Person, forderte | |
„Haftentschädigung“ und behauptete, seine Festnahme sei „ohne rechtliche | |
Grundlage“ erfolgt. | |
## Eiskalter Betrüger – oder bloß ein Dilettant? | |
Die Verhandlung verfolgte der Angeklagte wach und interessiert, machte sich | |
dabei viele Notizen. Auch übergab er dem Gericht längere schriftliche | |
Abhandlungen. Zum Tatvorwurf sagte er im Schlusswort lediglich „mea culpa“ | |
– mein Fehler – über die drei für ihn am Anfang erfolgreich verlaufenen | |
Fälle. Seine weitere Argumentation: Da bei den anderen Anträgen die | |
Coronahilfen gar nicht geflossen seien, könne er dafür auch nicht bestraft | |
werden. | |
Der Staatsanwalt hatte eine Strafe von 4 Jahren und 10 Monaten gefordert. | |
Er warf Y. vor: „Sie haben sich das zum Geschäftsmodell gemacht.“ In der | |
Pandemie habe er „in dreister Weise eine Notlage ausnutzen wollen“. Es habe | |
sich nicht um eine spontane Tat gehandelt, sondern um „versuchten | |
Coronahilfen-Betrug mit Vorsatz“. Y. besitze „erhebliche kriminelle | |
Energie“. | |
Der Pflichtverteidiger Gerhard Bink versuchte auf die abstrusen Aussagen | |
seines Mandanten gar nicht erst einzugehen. Er versuchte, seinen Mandanten | |
als eher harmlosen Tölpel darzustellen. Sein Handeln sei „absolut | |
stümperhaft“ und „einfältig“ gewesen. So habe er etwa nicht einmal erka… | |
dass die Firmen, für die er Hilfen beantragt hatte, oftmals eher | |
„Corona-Gewinner“ waren, beispielsweise Supermärkte und Bäckereien. | |
Dem Gericht sagte Bink, sein Mandant wolle nicht einsehen, dass die | |
gefälschten Anträge auf die Hilfen „vollendete Taten“ und damit strafbar | |
seien. Y. sagte am Ende, er verzichte darauf, „all das zu wiederholen, was | |
ich schon verschriftlicht habe“. | |
18 Mar 2021 | |
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## AUTOREN | |
Patrick Guyton | |
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