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# taz.de -- Aserbaidschan-Verbindungen der Union: „Wir brauchen Transparenz“
> Der SPD-Abgeordnete Frank Schwabe kämpft gegen Schmiergelder aus
> Aserbaidschan. Er erhebt schwere Vorwürfe gegen die Spitze der
> Unionsfraktion.
Bild: Der aserbaidschanische Präsident, Ilham Alijew, in der Parlamentarischen…
taz: Herr Schwabe, wir wollen über Kaviar-Diplomatie sprechen. Das hört
sich nett an, ist aber nur ein anderer Begriff für eine bestimmte Art von
Korruption. Wie sind Sie damit in Berührung gekommen?
Frank Schwabe: Ich bin Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des
Europarats, der über die Einhaltung der Menschenrechte in seinen
Mitgliedstaaten wachen soll. Dazu gehören auch Länder wie die Türkei,
Russland und eben Aserbaidschan. 2013 war ich noch ganz neu dabei. Und es
gab eine Abstimmung über einen Bericht über die Freilassung politischer
Gefangener, eben in diesem Aserbaidschan. Nach langem Ringen wurde er mit
ziemlich deutlicher Mehrheit abgelehnt.
Das war komisch, weil jedem klar sein müsste, dass es politische Gefangene
in Aserbaidschan gibt. Nach der Abstimmung kam es auf den Fluren der
parlamentarischen Versammlung zu absurden Jubelszenen. Das hat mich
verstört. Aber ich konnte nicht so recht einordnen, was da vor sich ging,
habe mir aber geschworen, dagegen anzugehen.
Und was ging da vor sich?
Es gab ein Netzwerk von Abgeordneten, die ganz offensichtlich Dinge
verabredeten, die nicht im Sinne des Europarates waren. Der soll ja
Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie schützen. Aber es ging
vielen Abgeordneten um das genaue Gegenteil. Viele versuchten, Staaten
gerade vor Kritik zu schützen, statt sie zu kritisieren. Offensichtlich oft
gegen Geld. Bei dem Netzwerk geht es nicht nur um Aserbaidschan, aber dort
konzentriert es sich.
Warum?
Aserbaidschan wird besonders häufig im Europarat kritisiert, weil die
Menschenrechtslage dort verheerend schlecht ist. Gleichzeitig hat
Aserbaidschan vor vielen Jahren entschieden, mit viel Geld den eigenen Ruf
zu verbessern. Und Staatspräsident Ilham Aliyev hat sehr, sehr viel Geld.
Was heißt das?
Aserbaidschan setzt Hunderte von Millionen, wenn nicht Milliarden ein, um
seine internationale Reputation zu verbessern. Dabei geht es auch um
Fußball, den Eurovision Songcontest, um Formel-1-Rennen. Der Europarat ist
nur ein Puzzlestück. Und innerhalb des Europarats sind die deutschen
Abgeordneten wiederum nur ein Teil.
Welche Rolle spielen diese deutschen Abgeordneten?
Soweit bekannt ist, geht es im Wesentlichen um drei ehemalige und aktive
Mitglieder [1][der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag]. Im Zentrum steht Eduard
Lintner, Ex-Staatssekretär im Bundesinnenministerium und ehemaliger
Bundestagsabgeordneter der CSU. Nach Berichten hat Lintner über
Organisationen und Firmen andere Politiker in ganz Europa mit Geld aus
Aserbaidschan versorgt, unter anderem für bestellte und wohlmeinende
Wahlbeobachtungen.
Die Münchner Genaralstaatsanwaltschaft ermittelt gegen Lintner, den
CDU-Bundestagsabgeordneten Axel Fischer, und hat, [2][bis zu ihrem
plötzlichen und tragischen Tod] vor wenigen Tagen, auch gegen die
CDU-Bundestagsabgeordnete Karin Strenz ermittelt. Lintner soll zwischen
2008 bis 2016 über britische Briefkastengesellschaften mit baltischen
Konten rund vier Millionen Euro bekommen haben. Mindestens 22.000 Euro
davon gingen an Frau Strenz, das ist belegt. Im Gegenzug wurde die
Unterstützung Aserbaidschans erwartet. 2015 war ich mit Karin Strenz auf
einer Wahlbeobachtung in Aserbaidschan.
Was ist dort passiert?
Die Delegation hat am Ende mit deutlicher Mehrheit festgestellt, dass es
angeblich einen wichtigen Schritt zu freien und fairen Wahlen gab. Das war
absurd, die Wahlen dort waren und sind eine einzige Farce! Karin Strenz hat
mit der Mehrheit gestimmt. Und sie hat im Vorfeld eine falsche Erklärung
abgegeben, dass es bei ihr keine Interessenskonflikte gab. Dabei hatte sie
bereits über Lintner Geld aus Aserbaidschan bekommen.
Welche Rolle spielt nach Ihrer Kenntnis der CDU-Abgeordnete Axel Fischer,
dessen Immunität der Bundestag jüngst aufgehoben hat?
Axel Fischer war damals nicht nur Leiter der deutschen Delegation im
Europarat, er ist dann auch der Vorsitzende der Fraktion der EVP in der
Parlamentarischen Versammlung geworden. Gestützt durch das Netzwerk. Er war
Nach-Nachfolger von Luca Volontè. Volontè soll knapp 2,4 Millionen Euro
kassiert haben, er ist in Italien inzwischen erstinstanzlich zu vier Jahren
Haft wegen Korruption verurteilt worden. Bislang ist er der Einzige. Und
was mich empört: Fischer ist trotz aller Vorwürfe immer noch Mitglied der
Unionsfraktion im Bundestag. Der Parlamentarische Geschäftsführer Michael
Grosse-Brömer trägt dafür die Verantwortung.
Gerade musste er zumindest den Vorsitz im Rechnungsprüfungsausschuss
abgeben. Die Fraktionsspitze argumentiert mit der Unschuldsvermutung,
bislang wird nur ermittelt.
Warum muss denn ein vermeintlich Unschuldiger seinen Ausschussvorsitz
abgeben? Bei der Maskenaffäre hat die Union auch sehr schnell Konsequenzen
gezogen. Da galt keine Unschuldsvermutung. Natürlich ist die Maskenaffäre
schlimm, aber auf der anderen Seite sitzen Menschen in Kerkern und hoffen,
dass der Europarat ihnen zu Hilfe kommt. Und diese Leute tun das Gegenteil
davon und lassen sich dafür schmieren. Das ist das Schlimmste, was
Abgeordnete dem deutschen Parlamentarismus antun können.
Gegen Frau Strenz hatte der Bundestag ein Ordnungsgeld verhängt…
Ja, das höchste, was möglich ist – aber nicht für Korruption, sondern weil
sie ihre Nebeneinkünfte nicht angezeigt hat. Eine andere
Sanktionsmöglichkeit gab es auf dieser Ebene nicht. Der
Unionsfraktionsführung werfe ich vor, dass sie die Dimension des Skandals
entweder nicht verstanden hat oder nicht aufklären will. Wenn solche Fälle
auftreten, muss man moralische Grundsätze wieder instandsetzen. Und jetzt
hat sich die Union diese absurde Ehrenerklärung ausgedacht und noch nicht
einmal Aserbaidschan mit abgedeckt …
Es gab noch mindestens zwei weitere Fälle, die in diesem Zusammenhang zu
nennen sind: Tobias Zech und [3][Mark Hauptmann], bislang
Bundestagsabgeordnete von CSU beziehungsweise CDU, die in den vergangenen
Wochen ihr Mandat aufgegeben haben.
Die Fälle sind unterschiedlich. Zech war ja ebenfalls Mitglied der
Parlamentarischen Versammlung des Europarates und soll ein fünfstelliges
Honorar für die vermeintliche Beratung der Partei des damaligen
mazedonischen Premier Nikola Gruevski erhalten haben. Gleichzeitig stand
Zech als Politiker im Wahlkampf für Gruevski auf der Bühne…
Der inzwischen wegen Korruption verurteilt und nach Ungarn geflohen ist.
Herr Zech kann ja grundsätzlich beraten, wen er will, aber offensichtlich
ist doch: Er hätte nie einen Vertrag bekommen, wenn er nicht Abgeordneter
gewesen wäre.
Wie passt Mark Hauptmann aus Thüringen da rein, dessen Büros am Donnerstag
durchsucht worden sind?
Gar nicht. Es gibt eine andere „Connection“ jenseits des Europarates. Diese
kommt direkt aus Baku, und Teil davon sind die aserische Botschaft und die
Öl- und Gasfirma Socar, ein Staatsbetrieb, der eine Zweigstelle in
Frankfurt am Main hat und vieles sponsert. Und dann gibt es noch Otto
Hauser als graue Eminenz. Ebenfalls CDU-Politiker und außerdem
Honorarkonsul für Aserbaidschan mit Sitz in Stuttgart. Das ist die deutsche
Schiene, darüber sind auch Lobby-Gelder geflossen. Beim ehemaligen
CDU-Abgeordneten Nikolas Löbel…
…der jüngst wegen der Maskenaffäre sein Mandat verlor…
… bei Löbel wurde der Landestag Baden-Würtemberg der Jungen Union 2012 aus
Aserbaidschan gesponsert. Hauptmann wiederum hat Anzeigen für so eine Art
eigene Lokalzeitung bekommen.
Auch gegen den SPD-Bundestagsabgeordneten Marcus Held gibt es Vorwürfe
wegen einer Spende von Socar, und gegen ihn wird auch ermittelt.
Aber wohl nicht wegen der Spende. Soweit ich weiß, hat er die Spende von
Socar an einen Sportverein in seinem Heimatort weitervermittelt. Er hat das
Geld nicht selbst genommen. Was man fragen könnte, ist: Wie kam der Kontakt
zu Socar zustande?
Warum haben Sie ihn das nicht gefragt? Immerhin sind Sie in der gleichen
Fraktion.
Mein Thema ist der Europarat. Allgemeiner Chefaufklärer des Bundestags bin
ich nicht. Aber wir bräuchten zweifellos einen.
Was müsste der Bundestag tun, um vorzubeugen?
Wir brauchen Transparenz, Transparenz, Transparenz. Natürlich hätte ein
Lobbyregister nicht automatisch geholfen, aber möglichst große Transparenz
macht es zumindest schwieriger. Frau Strenz zum Beispiel ist ja nur
aufgefallen, weil sie dem Bundestag angeben musste, dass sie eine Firma
gegründet hat. Und dann ist jemand darauf gestoßen, dass diese Firma Geld
von Lintner bekommt. Und dann wurde eins und eins zusammen gezählt.
Zusätzlich brauchen wir auch einen anderen Umgang mit den länderbezogenen
Parlamentariergruppen.
Sie meinen Gruppen wie die deutsch-südkaukasische Parlamentariergruppe, die
für Aserbaidschan zuständig ist?
Dort sitzen Politikerinnen und Politiker oft ohne außenpolitische
Erfahrung, die dann unvorbereitet auf autokratische Regime treffen, die
versuchen, ihr Image aufzupolieren. Auch durch Angebote, die mindestens
höchst zweifelhaft sind. Diese Gruppen können Anknüpfungspunkte für
ausländische Korruptionsangebote sein. Das darf so nicht bleiben.
Erwarten Sie, dass noch mehr Fälle bekannt werden?
Ich bin mir sicher, dass es weitere Fälle gibt. Und bei vielen bekannten
gibt es sicher weitere Zusammenhänge. Wie viel noch ans Licht kommt, wird
davon abhängen, wie hartnäckig weiterrecherchiert wird.
26 Mar 2021
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## AUTOREN
Sabine am Orde
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