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# taz.de -- Aserbaidschan-Affäre von CDU/CSU: Liebesgrüße aus Baku
> Aserbaidschan betreibt in Europa Imagepflege – offenbar mithilfe
> mutmaßlich bestechlicher Unionspolitiker. Zwei von ihnen stehen jetzt vor
> Gericht.
Bild: Axel Fischer, Angeklagter und Ex-CDU-Parlamentarier, im Gerichtssaal
München taz | Die Sache ist kompliziert. Bekannt sind die Vorwürfe gegen
die beiden ehemaligen Bundestagsabgeordneten Eduard Lintner und Axel
Fischer schon seit Jahren, doch erst seit Donnerstag wird die
[1][sogenannte Aserbaidschan-Affäre vor dem Oberlandesgericht München
verhandelt]. Der Grund, so hatte die Generalstaatsanwaltschaft schon im
Vorfeld mitgeteilt, sei das „konspirative Vorgehen der Angeschuldigten“
gewesen.
Dies habe zur Folge gehabt, dass sich die Ermittlungen sehr zeitaufwendig
gestaltet hätten. Auch im Ausland habe man Nachforschungen angestellt,
Rechtshilfeersuchen seien etwa an Belgien, Estland, Lettland,
Liechtenstein, die Schweiz, die Türkei und Zypern gestellt worden.
Konkret geht es um eine [2][Bestechungsaffäre, in die Lintner (CSU),
Fischer und deren inzwischen verstorbene Kollegin Karin Strenz (beide CDU)
verwickelt gewesen sein sollen]. So soll Lintner im Auftrag Aserbaidschans
Bestechungsgelder verteilt haben, Fischer und Strenz sollen diese
angenommen haben. Im Gegenzug, so der Vorwurf der Anklage, wurden die
beiden vor allem in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats (Pace)
für das Land tätig, das sein Image im Westen aufpolieren will. Neben
Lintner und Fischer sitzen in München auch Lintners Sohn und eine
Mitarbeiterin von Strenz wegen Beihilfe zu den Taten auf der Anklagebank.
Lintner war von 1976 bis 2009 im Bundestag, in den Neunzigern war er zudem
Staatssekretär im Innenministerium sowie Drogenbeauftragter der
Bundesregierung. Nach Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft erhielt
Lintner zwischen 2008 und 2016 über insgesamt 19 Briefkastenfirmen rund 4
Millionen Euro aserbaidschanischer Herkunft. Einen Teil davon soll er an
Politiker weitergeben haben, die im Gegenzug Entscheidungen im Sinne
Aserbaidschans zu beeinflussen sollten.
## Beziehungspflege auf aserbaidschanisch
Demnach bekamen auch Fischer und Strenz über die Lintner-Connection
aserbaidschanische Bestechungsgelder. Sie waren als Mitglieder der Pace
besonders interessant für Aserbaidschan: Die Pace erarbeitet Empfehlungen
für den Europarat und besteht aus Mitgliedern der Parlamente der
Mitgliedsstaaten.
Fischer soll als Gegenleistung für die Zahlungen in der Pace
pro-aserbaidschanische Redebeiträge geliefert haben. Außerdem habe er
Strenz als Kandidatin für den Monitoring-Ausschuss vorgeschlagen, damit
diese dort wiederum für die aserbaidschanische Sache werben könne.
Schließlich habe er auch einen vertraulichen Bericht weitergereicht.
Für seine Gefälligkeiten habe Fischer bis 2014 insgesamt 58.000 Euro,
zwischen 2014 und 2016 noch mal rund 26.000 Euro erhalten. Die
Beeinflussung der Tätigkeit von Mitgliedern der parlamentarischen
Versammlungen internationaler Organisationen wie der Pace ist in
Deutschland erst seit 2014 strafbar.
Seit langem bemüht sich Aserbaidschan um bessere Beziehungen zu Europa –
und nimmt dafür offenbar auch reichlich Geld in die Hand. Für die EU ist
das Land im Südkaukasus ein wichtiger Öllieferant geworden. Im November
[3][richtete Baku die Weltklimakonferenz COP29 aus]. Gleichzeitig herrscht
Präsident İlham Əliyev seit über 20 Jahren mit harter Hand in
Aserbaidschan. Nach dem Ende der Sowjetunion hatte dessen Vater dort
mittels eines Militärputsches die Macht übernommen und ein autoritäres
Regime installiert – geprägt von Personenkult und Korruption.
Politische Gegner werden verfolgt und eingesperrt. Gegen friedliche
Kundgebungen von Regimekritikern geht die Polizei mit zum Teil exzessiver
Gewalt vor. Nachdem Baku 2023 den [4][Konflikt mit Armenien um die
überwiegend von Armeniern bewohnte Region Berg-Karabach] für sich
entschied, wurden ihm von armenischer Seite „ethnische Säuberungen“
vorgeworfen. Im vergangenen Jahr ließ sich Əliyev in einer umstrittenen
Wahl im Amt bestätigen – mit 92 Prozent der Stimmen.
## Anwalt: Vorwürfe pauschal, nicht belegbar und falsch
Lintner und Fischer hatten bereits vor dem Verfahren ihre Unschuld
beteuert. Strenz war 2021 während einer privaten Reise im Alter von 53
Jahren plötzlich verstorben.
In einem Statement wies Fischers Anwalt die Vorwürfe gegen seinen Mandanten
am Donnerstag erneut vehement zurück. Diese seien pauschal, durch nichts
belegbar und falsch. Viele der Vorwürfe seien bereits im Laufe des
Ermittlungsverfahrens vollumfänglich entkräftet worden. Es habe nie
Weisungen an Fischer gegeben, im Auftrag Aserbaidschans tätig zu werden.
Die Generalstaatsanwaltschaft bezichtigte der Verteidiger zudem der
„Stimmungsmache“, indem sie ausführlich auf Tatvorwürfe aus den Jahren vor
2014 eingehe, die, selbst wenn sie zuträfen, nicht strafbar wären. Sie
bleibe außerdem die Antwort auf die Frage schuldig, wer genau was auf
welcher Grundlage verabredet haben soll. Es gebe keine Beweise für
Verabredungen, Bargeldübergaben oder Hinweise auf ein besonderes
pro-aserbaidschanisches Abstimmungsverhältnis Fischers.
Seinen Mandanten stellte er als menschliches Wrack infolge der
Berichterstattung über den Fall da. Seit dessen Wohnhaus im Jahr 2021 am
neunten Geburtstag seiner Tochter durchsucht worden sei, sei die Familie
traumatisiert. Er selbst sei in der Öffentlichkeit stigmatisiert, seine
berufliche Zukunft zerstört.
Das Gericht hat zunächst 39 Verhandlungstage für den Prozess angesetzt. Die
Sache ist kompliziert.
16 Jan 2025
## LINKS
[1] /CDU/CSU-Affaere-um-Aserbaidschan-Gelder/!5989721
[2] /Doku-ueber-Aserbaidschan-Affaere/!5778976
[3] /Weltklimakonferenz-in-Baku/!6050806
[4] /Konflikt-um-Bergkarabach/!6034336
## AUTOREN
Dominik Baur
## TAGS
Schwerpunkt Korruption
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Aserbaidschan
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