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# taz.de -- ARD-Spielfilm „Am Abgrund“: Lieber Geschenke als Menschenrechte
> Ein Politthriller beschäftigt sich mit korrupten deutschen
> Europapolitikern, die als Wahlbeobachter in Aserbaidschan waren. Souverän
> und packend erzählt.
Bild: Szene aus dem Politthriller „Am Abgrund“ mit Hans Jochen Wagner (link…
Kennt jemand [1][Frank Schwabe aus Recklinghausen]? Besser wär’s. Denn ohne
den SPD-MdB würde wohl immer noch andere Abgeordnete brav das Händchen
heben und für ein Whitewashing Aserbaidschans sorgen. Obwohl allseits
bekannt sein sollte, dass die ehemalige sowjetische Republik unter ihrem
Langzeitpräsidenten Ilham Alijew nicht einmal zur Grauzone taugt. Schwabe
ist Vorbild für den fiktiven SPD-Politiker Gerd Meineke, der in Daniel
Harrichs Film „Am Abgrund“ als [2][Wahlbeobachter nach Baku] reist, um in
eben diesen Abgrund zu blicken.
Die Handlung folgt dabei eng den höchst realen Erlebnissen von Schwabe, der
als Mitglied des Europarats als Wahlbeobachter in Aserbaidschan unterwegs
war und aus dem Staunen nicht mehr herauskam. Allerdings weniger über das,
was das Regime anstellt. Das ist so schlimm wie bekannt.
Wie der reale Schwabe ist auch der fiktive Meineke – mit souveränem
Pott-Arbeitnehmervertretercharme gespielt von Hans-Jochen Wagner – vielmehr
über das Verhalten seiner Parlamentskoleg*innen verstört. Denn die
ignorieren sowohl dreiste wie subtile Manipulation, nehmen gern den
goldenen Füller aufs Haus und gehen wie die Abgeordnete Kerstin Strauch am
Wahltag lieber Shoppen.
## Teppiche und Kaviar
Zu den längst Korrumpierten gehört auch Meinekes [3][CDU-Kollege] Herbert
Pfleiderer für den „Teppiche und Kaviar“, wie es im Film so schön heißt,
einfach als landestypische Kulturpflege dazugehören. Das ist dann mal eine
hübsche Paraderolle für den in Harrichs Filmen stets gesetzten Heiner
Lauterbach.
Und so ist es kein Wunder, dass in der parlamentarischen Versammlung des
Europarats nicht nur die Wahl für okay befunden wird, sondern auch der
Antrag durchfällt, wenigstens die Existenz politischer Gefangener
anzuprangern, was danach nicht nur die Delegation aus Baku feiert. Übrigens
gehört auch das leider zur Realität und [4][hat 2013 genauso
stattgefunden].
Ein bisschen fiktional wird’s dann schon noch. Meineke ist nebenbei in
höchst familiärer Mission unterwegs. Die Tochter seiner aus Aserbaidschan
stammenden Partnerin Alina (Jasmin Tabatabai) ist kritische Bloggerin und
sitzt gerade in dem Land, in dem es angeblich gar keine politischen
Gefangenen gibt, im Knast, weil sie Jennifer Lopez vor ihrem Auftritt eine
kritische Frage stellen wollte. (Auch den Auftritt hat es 2012 wirklich
gegeben). Leyla (Luna Jordan) ist aber nicht nur Bloggerin, sondern
heimlich mit Valentina (Alina Levshin) liiert, die als Assistentin des
Leiters der Europarat-Delegation Aserbaidschans ein Doppelleben führt.
## Europarat reagiert
Das Ganze erzählt Daniel Harrich (Recherche, Buch und Regie) souverän und
sogar noch ein bisschen packender als sonst bei seinen „investigativen
Spielfilmen“. Aber auch diesmal ist es das Gesamtkunstwerk mit
anschließender Doku, die „Am Abgrund“ auszeichnet.
So erschließt sich die erbärmliche Rolle, die die reichen Staaten des
Westens spielen. Denn es geht, womit sich dann auch der Titel dieses
ARD-Themenabends erschließt, um den „Kampf um Rohstoffe“. Vor allem die
seltenen, die wir aber unbedingt für den Umstieg in eine klimatisch
beherrschbare Welt brauchen. „Es geht um die Frage, wie weit wir bereit
sind zu gehen“, hat Daniel Harrich bei einer Aufführung des Films vor
Abgeordneten des Deutschen Bundestags bei der Berlinale gesagt.
Apropos Bundestag: Auch die fiktive MdB Kerstin Strauch gab es wirklich, es
handelt sich um die 2021 verstorbene CDU-Politikerin Katrin Strenz. Und die
Staatsanwaltschaft ermittelt nun gegen die Unionspolitiker Axel Fischer und
Eduard Lintner, die ebenfalls vom aserbaidschanischen Regime geschmiert
worden sein sollen. Fischer (CDU) war 2021 Bundestagsabgeordneter und saß
wie Strenz auch im Europarat. CSU-Mann Lintner war bis 2009 im Parlament
und lobbyiiert seitdem ganz offiziell für Aserbaidschan. Und der Europarat?
Hat auf Antrag von Schwabe & Co. Ende Januar die aserbaidschanische
Delegation für mindestens ein Jahr ausgeschlossen.
6 Mar 2024
## LINKS
[1] /Aserbaidschan-Verbindungen-der-Union/!5757324
[2] /Immunitaet-von-CDU-MdB-aufgehoben/!5756016
[3] /Doku-ueber-Aserbaidschan-Affaere/!5778976
[4] /COP-29-in-Aserbaidschan/!5993526
## AUTOREN
Steffen Grimberg
## TAGS
Aserbaidschan
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