Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Bedingungen in Flüchtlingsheimen: Ohne Schlüssel fürs eigene Zim…
> Hausordnungen in Asylheimen greifen unverhältnismäßig in Grundrechte ein.
> Das machen vier Freiburger Flüchtlinge jetzt mit einer Klage geltend.
Bild: Ein Flüchtlingsheim in Freiburg
Freiburg taz | Flüchtlinge wehren sich gegen schikanöse Hausordnungen in
[1][Asylunterkünften]. In einem Pilotprozess haben vier Männer eine
Normenkontrolle mit Eilantrag beim Verwaltungsgerichtshof Mannheim
eingereicht. „Wir werden kontrolliert, als seien wir Verbrecher oder
Kleinkinder“, sagte einer von ihnen
Drei der Männer kommen aus Ghana, ein vierter aus dem Senegal. Sie wohnen
in der Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) in Freiburg. Gemeinsam klagen
sie gegen die Hausordnung der LEA, die das landesweit zuständige
Regierungspräsidium Karlsruhe erlassen hat.
Es geht aber um eine grundsätzliche Klärung der Rechte von
[2][Flüchtlingen]. Die LEA-Hausordnung gilt wortgleich in allen
Aufnahmeeinrichtungen Baden-Württembergs. In anderen Bundesländern gibt es
ähnliche Regeln.
Wenn die Flüchtlinge das LEA-Gelände betreten, werden sie jedes Mal am
Eingang durchsucht. Die Hausordnung erlaubt anlasslose Kontrollen. Eine
Vielzahl von Gegenständen dürfen die Bewohner nicht mit auf das Gelände
bringen, etwa Taschenmesser oder verderbliche Lebensmittel, auch wenn sie
diese bald essen wollen. Elektronische Geräte sind verboten, sogar ein
Akku-Haarschneider. Eigene Möbel verbietet die Hausordnung, selbst ein
kleines Regal.
## Permanente Diebstahl-Gefahr
Die Security darf laut Hausordnung jederzeit für Routinekontrollen die
Zimmer betreten. Immerhin klopft sie vorher an. Gleichzeitig können die
Flüchtlinge ihr eigenes Zimmer nicht abschließen, sie bekommen keine
entsprechende Schlüssel-Chipkarte und müssen deshalb immer damit rechnen,
dass ihnen etwas gestohlen wird.
Auf dem Gelände gilt laut Hausordnung ein grundsätzliches Besuchsverbot,
auch für Verwandte oder Hilfsorganisationen. Genehmigungen sind aufwendig
und werden oft verweigert, schildern die Kläger. Grundsätzlich verboten
sind auch „missionarische und politische Tätigkeiten“. Schon die
Ankündigung eines gemeinsamen Freitagsgebets werde unterbunden, sagen die
Flüchtlinge.
Die Klage der vier Männer wurde intensiv vorbereitet. Hinter ihr stehen die
Freiburger Aktion Bleiberecht, der Landesflüchtlingsrat und die bundesweit
aktiven Organisationen Pro Asyl und Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF).
Die aktuelle Klage richtet sich gegen die Freiburger Hausordnung, weil
diese noch relativ neu ist; eine Normenkontrolle muss binnen eines Jahres
beantragt werden. Über die Rechte von Flüchtlingen in Asylheimen wird aber
schon seit Längerem diskutiert. Das Deutsche Institut für Menschenrechte
hat bereits 2018 ein kritisches Gutachten vorgelegt, die Aktion Bleiberecht
im vorigen Herbst ein zweites.
Die vier Kläger berufen sich auf ihre Grundrechte, vor allem die
Unverletzlichkeit der Wohnung, aber auch auf das Allgemeine
Persönlichkeitsrecht sowie Religions- und Meinungsfreiheit. In alle
Grundrechte kann zwar per Gesetz eingegriffen werden, doch die gesetzliche
Grundlage ist hier dünn. „Das Regierungspräsidium Karlsruhe erlässt die
Nutzungsordnung“, heißt es im Flüchtlingsaufnahmegesetz von
Baden-Württemberg. „Wenn so intensiv in die Lebensgestaltung von Menschen
eingegriffen wird, muss dies konkret im Gesetz geregelt werden und nicht
erst in der Hausordnung“, erklärt GFF-Expertin Sarah Lincoln.
Außerdem hält Lincoln die Regelungen für unverhältnismäßig. „Eingriffe …
die Wohnung sind laut Grundgesetz nur bei einer ‚dringenden Gefahr‘
zulässig, nicht für Routine-Kontrollen und präventive Verbote.“ Dass auch
ein Zimmer in der LEA als „Wohnung“ geschützt ist, hält Lincoln für
„eindeutig“.
16 Mar 2021
## LINKS
[1] /Coronafaelle-in-Gemeinschaftsunterkuenften/!5673754
[2] /Coronafaelle-in-Gemeinschaftsunterkuenften/!5673754
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Grundrechte
Unterbringung von Geflüchteten
Geflüchtete
Gerichtsentscheid
Schwerpunkt Rassismus
Schwerpunkt Flucht
Schwerpunkt Landtagswahl in Baden-Württemberg
Schwerpunkt AfD
Polizei
## ARTIKEL ZUM THEMA
Rechte Anschläge: Mehr Angriffe auf Flüchtlingsheime
Seit Jahresbeginn registrierten die Behörden 80 Taten gegen
Flüchlingsunterkünfte und deren Bewohner*innen. Fast alle haben einen
rechtsextremen Hintergrund.
Migrationsforscherin über EU-Türkei-Deal: „Es fehlt Solidarität“
Fünf Jahre nach dem EU-Türkei-Abkommne zieht Karoline Popp eine kritische
Bilanz: Weniger Tote im Mittelmeer, aber katastrophale Zustände in Lagern.
Stadt des Bundesverfassungsgerichts: Zweites deutsches Machtzentrum
Regional spielt Stuttgart die erste Geige. Dafür ist die brave Beamtenstadt
Karlsruhe bundespolitisch höchst relevant – als Ort der Rechtsjustiz.
Urteil zu Verfassungsschutz und AfD: Begriffe als Pranger
Das Verwaltungsgericht Köln untersagt dem Verfassungsschutz, die AfD als
rechtsextremen „Verdachtsfall“ einzustufen. Die Begründung überzeugt nich…
Kinder und Polizei: Sechsjähriger unter Tatverdacht
Eine Mutter will verhindern, dass schon Kinder mit der Polizei und dem
Strafrecht in Berührung kommen. Die Justiz beruft sich aber aufs
„Kindeswohl“.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.