# taz.de -- SPD-Ministerpräsidentin Malu Dreyer: Gut gelaunte Wir-Maschine | |
> Grüne und FDP würden in Rheinland-Pfalz gerne unter | |
> SPD-Ministerpräsidentin Malu Dreyer weiterregieren. Wie die es schafft, | |
> beide glücklich zu machen. | |
Bild: Das Plakat verkauft eine fröhliche und optimistische Malu Dreyer | |
MAINZ taz | „Malu“ ist schon eine halbe Stunde vor ihrem Termin | |
eingetroffen. Ihre Partei residiert im Proviant-Magazin. Hinter der | |
neoromanischen Fassade des imposanten Sandsteingebäudes haben SPD und FDP | |
ihre Wahlkampfzentralen eingerichtet, mit separaten Eingängen. Die | |
sozial-liberale Nachbarschaft, in Mainz gibt es sie noch. | |
Wie an fast jedem Tag wird die SPD-Spitzenkandidatin in ihrem „Wohnzimmer“ | |
einen Wahlkreiskandidaten vorstellen, in einer Talkrunde aus dem | |
improvisierten Fernsehstudio mit angemieteter Technik. Vorbesprechung am | |
Stehtisch im Flur. Häppchen zwischen Tür und Angel. Seit 6.40 Uhr ist sie | |
unterwegs, „Pausen fürs Essen sind da nicht eingeplant“, sagt sie lachend. | |
„Immer gut gelaunt, immer top-vorbereitet“ sei sie, versichert ihr | |
Wahlkampfmanager. | |
Der Straßenwahlkampf fällt coronabedingt weitgehend aus, Hausbesuche sind | |
problematisch. Digitalformate und Plakate müssen es richten. Die SPD in | |
Rheinland-Pfalz setzt ganz auf ihre Nummer eins. Von den Wesselmännern | |
grüßt „Malu“ überlebensgroß. „Wir mit ihr“ steht da. Es braucht kei… | |
Namen, und das „wir“ muss als Botschaft genügen: In der Krise steht diese | |
Ministerpräsidentin für den Zusammenhalt. | |
Der Vorsprung der CDU im Land ist nach einer aktuellen Umfrage weiter | |
geschrumpft, auf einen einzigen Prozentpunkt. Wenn jetzt Wahl wäre, würde | |
die SPD 30 Prozent erreichen. Bei einer Direktwahl würden 56 Prozent für | |
Dreyer und nur 28 [1][für den CDU-Herausforderer Christian Baldauf] | |
votieren. Da für die Sitzverteilung im Landtag nur die Stimmen der Parteien | |
gezählt werden, die die 5-Prozent-Hürde nehmen, könnte die Ampel ihre | |
Ein-Stimmen-Mehrheit sogar noch ausbauen. „Wir wollen mehr“, relativiert | |
„Malu“ die Zahlen: „Damit ich sicher weiter Ministerpräsidentin bleiben | |
kann, muss die SPD im nächsten Landtag wieder stärkste Partei werden.“ | |
## Von Anfang an stilprägend | |
Am Anfang löste dieses Ziel gelegentlich Heiterkeit aus. „‚30 Jahre | |
SPD‘-Abschiedstour“ nannte CDU-Spitzenmann Baldauf seine Sommerreise durchs | |
Land. Doch für den Einzug in die Staatskanzlei braucht er Bündnispartner. | |
Die sind nicht in Sicht. Acht Wochen vor der Wahl haben die Spitzen von FDP | |
und Grünen gemeinsam Bilanz gezogen. Der nach Berlin wechselnde | |
Wirtschaftsminister Volker Wissing und die Integrations- und | |
Umweltministerin Anne Spiegel lobten Stil und Ergebnisse der gemeinsamen | |
Regierungsarbeit in den höchsten Tönen. Acht Wochen vor dem Wahltag. In | |
Stuttgart oder Berlin undenkbar. | |
Die Regierungschefin war für diese Koalition von Anfang an stilprägend. | |
Nach dem Wahlabend habe man sich nicht gleich zu Verhandlungen getroffen, | |
sondern zum gegenseitigen Kennenlernen, erinnert sich Dreyer. Im Gästehaus | |
der Landesregierung saß man beieinander. Das Haus ist bekannt für gutes | |
Catering und erlesene Weine. „Es war philosophisch, wir haben abgesteckt, | |
ob die Grundlinien stimmen“, sagt Grünen-Frontfrau Spiegel. | |
## „Konstruktives Miteinander“ | |
Eine gemeinsame Vision, wie Rheinland-Pfalz gestaltet werden solle und wie | |
das erreicht werden könne, habe entwickelt werden müssen. Ihr sei bewusst | |
gewesen, dass FDP und Grüne einen weiten Weg aufeinander zu gehen mussten, | |
sagt Dreyer. | |
Nach den nackten Zahlen des Wahlergebnisses hätten den kleinen Parteien | |
nicht unbedingt je zwei Posten im Ministerrat zugestanden. „Aber es war gut | |
für ein konstruktives Miteinander.“ Nicht alle in der SPD waren davon | |
überzeugt. „Als Regierungschefin [2][habe ich sehr klare Vorstellungen“], | |
betont die Ministerpräsidentin, doch ihre Aufgabe an der Spitze dieser | |
Koalition sei eher eine moderierende gewesen. | |
## Inklusive Regentin | |
Dass sie auch anders kann, hat sie unter Beweis gestellt. [3][Mit ihrem | |
neuen Amt hatte sie 2013] auch Altlasten aus der Zeit ihres Vorgängers Kurt | |
Beck geerbt, vor allem das 500 Millionen Euro teure Desaster um den Umbau | |
des Nürburgrings in einen Freizeitpark. Im November 2014, nur fünfzehn | |
Monate vor der Landtagswahl, wechselte sie vier SPD-Ressortchefs aus. Es | |
sei die schwierigste Entscheidung ihrer Laufbahn gewesen, dabei seien auch | |
persönliche Freundschaften zu Bruch gegangen, bekannte sie später. Doch der | |
Wahlsieg 2016 war nur möglich, weil sie das Thema Nürburgring weitgehend | |
abgeräumt hatte. | |
Das Etikett „Landesmutter“ trägt sie mit Fassung. Ihr Vater war | |
Kreisvorsitzender der CDU, ihre ersten Aufgaben in der Landespolitik | |
übernahm sie als abgeordnete Juristin für die Landtagsfraktion der Grünen. | |
In Bad Kreuznach nominierte sie die SPD für das Amt der Bürgermeisterin, da | |
war sie noch parteilos. In der Pfalz geboren, nach beruflichen Stationen in | |
Mainz und an der Nahe wurde Trier ihre Heimat. Sie vertritt als erste | |
direkt gewählte SPD-Abgeordnete den zuvor schwarzen Wahlkreis, ihr Ehemann | |
war der erste sozialdemokratische OB der Bischofsstadt. Mehr Inklusion geht | |
nicht. | |
## SPD habe Erneuerung nie versäumt | |
An diesem Abend nimmt Martin Haller auf Dreyers Sofa Platz. Im Wahlkreis | |
Frankenthal muss sich der 37-Jährige gegen CDU-Frontmann Baldauf behaupten, | |
der den Wahlkreis schon viermal gewonnen hat. Doch bei den entscheidenden | |
Zweitstimmen lag zuletzt sogar in diesem Wahlkreis die SPD knapp vorn. Mit | |
22 zog Haller als Zweitbewerber überraschend in den Landtag ein. Vor fünf | |
Jahren, mit 32, rückte er zum Parlamentarischen Geschäftsführer der | |
Fraktion auf. Da habe er zwar das zweifelhafte Vergnügen, auch mit | |
AfD-Vertretern sprechen zu müssen, könne aber gleichwohl viel bewegen, sagt | |
er. | |
„Du bist wie ein Hirte ohne Hund; du musst deine Herde manchmal selber | |
zwicken“, zitiert er den ehemaligen Ministerpräsidenten Beck, der ebenfalls | |
„PG“ gewesen war. Lachend schildert Dreyer, wie „Martin“ die KollegInnen | |
vom Espresso aufscheucht, wenn Abstimmungen im Landtag anstehen. Für sie | |
ist seine Karriere Beleg dafür, „dass es die rheinland-pfälzische SPD nie | |
versäumt hat, sich zu erneuern. Auch junge Menschen werden gehört.“ | |
## Pandemie dominiert den Wahlkampf | |
Haller gibt den bodenständigen Kümmerer. Im Musikverein seiner | |
Heimatgemeinde bläst er die Trompete. Er hat der Chefin ein Video | |
mitgebracht. Mit weitem Abstand und in mehreren Einstellungen haben er und | |
seine VereinskollegInnen gemeinsam das Trinklied „Auf ihr Brieder in die | |
Palz“ eingespielt. Für die beiden im Studio ist das Anlass, die Bedeutung | |
des Ehrenamtes hervorzuheben. „Die Freiwilligen der Rettungsdienste, die | |
jetzt unterwegs sind, nehmen viel mit nach Hause“, sagt Haller. Seine | |
Gastgeberin freut sich über „die Stärkung, die der öffentliche | |
Gesundheitsdienst in der Krise erfährt. Das sind echte Überzeugungstäter, | |
die schuften Tag und Nacht“, sagt die ehemalige Gesundheitsministerin. | |
Die [4][Pandemie dominiert auch den Wahlkampf]. „12 Stunden Corona, der | |
Rest danach Partei“, so beschreibt Dreyer ihr tägliches Zeitbudget. Der | |
Bundesgesundheitsminister hat gerade eine neue Testoffensive angekündigt, | |
kostenlos, flächendeckend. Er muss zurückrudern, weil er weder eine | |
Strategie noch die Finanzierung gesichert hat. Doch Dreyer vermeidet | |
Schuldzuweisungen. | |
## „Sozialdemokratisches Aufstiegsversprechen“ | |
Sie erneuert lieber das „sozialdemokratische Aufstiegsversprechen“. Am Ende | |
des Jahres werde jede Schule im Land über WLAN verfügen. Endgeräte für alle | |
LehrerInnen, „kein Kind ohne Laptop im Rucksack!“ – das Land werde jedes | |
Kind mit dem Rüstzeug für die digitale Arbeitswelt versorgen, verspricht | |
Dreyer. Sie bekennt sich zum Klimaschutz. 2040 soll Rheinland-Pfalz | |
CO2-neutral sein. | |
Es sei ermutigend, wenn ein großes Unternehmen wie die BASF nur noch | |
klimaneutral wachsen wolle. Dreyer spricht von innovativen | |
mittelständischen Unternehmen im Land. Dass mit Biontech ein Unternehmen | |
den ersten Corona-Impfstoff entwickelt hat, das aus der medizinischen | |
Grundlagenforschung der Mainzer Universität hervorging, ist für sie kein | |
Zufall, „Die Krise hat alle hart getroffen“, sagt sie und fügt hinzu: „W… | |
können aus ihr gestärkt hervorgehen.“ | |
Die Pandemie hat Parteitage auf Distanz erzwungen. Im Studio halten sie | |
Abstand, können sich aber frei bewegen. Alle Beteiligten sind auf Corona | |
getestet. Die Treffen in ihrem „Wohnzimmer“ schätzt sie als gute | |
Gelegenheit, die vielen neuen SPD-Direktkandidaten kennenzulernen, sagt | |
Dreyer. „Man schaut in das schwarze Loch, mir fehlt die Rückmeldung aus dem | |
Publikum“, räumt sie gleichwohl ein. Mit den digitalen Formaten erreicht | |
sie jedenfalls mehr Menschen als mit einer Tour durchs Land. | |
„Ich freue mich, wenn ich wieder zum Friseur kann.“ Gelöst wirkt Dreyer in | |
der Nachbesprechung. In Mainz reden die Spitzenleute der drei | |
Regierungsparteien nicht schlecht übereinander, auch nicht, wenn die | |
Mikrofone ausgeschaltet sind. Dreyer hat die Ampel auch als Zukunftsmodell | |
für Berlin empfohlen. In Rheinland-Pfalz dürfte es nach der Wahl eine | |
Neuauflage geben. „Wir waren schon eine gute Truppe“, sagt sie der taz noch | |
„unter eins, zum Schreiben“, und fügt hinzu: „Da weiß man, was man | |
aneinander hat.“ | |
6 Mar 2021 | |
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## AUTOREN | |
Christoph Schmidt-Lunau | |
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