| # taz.de -- Forscher über Schnee im Wald: „Nur gut für die jungen Bäume“ | |
| > Haben die Niederschläge in diesem Winter gereicht, um die Dürreschäden in | |
| > den Wäldern zu lindern? Nein, sagt der Hydrobiologe Dietrich Borchardt. | |
| Bild: Schnee wippt im Licht auf vertrockneten Blättern. Für die alten Bäume … | |
| Herr Borchardt, starten die Wälder nach drei viel zu trockenen Frühjahren | |
| dieses Mal durch die Schneeschmelze wohlgetränkt in den Frühling? | |
| Dietrich Borchardt: Den Eindruck könnte man haben, er ist aber trügerisch. | |
| [1][Schnee und Regen der vergangenen drei Wochen] haben den Oberboden mit | |
| Wasser versorgt, also die oberen 20 bis 30 Zentimeter der Landschaft. Das | |
| ist gut für die jungen Bäume, die im vergangenen Jahr gepflanzt wurden. | |
| Doch bei den alten und sehr alten Bäumen, etwa den Eichen und Buchen, die | |
| in mehreren Metern Tiefe wurzeln, ist nur wenig angekommen. | |
| Und in Regionen mit Hochwasser, etwa entlang des Rheins? | |
| Hochwasser ist ja eher ein Indikator dafür, dass zu viel Wasser zu schnell | |
| abfließt. Abgesehen davon waren die Hochwasser in den allermeisten Flüssen | |
| bisher sehr moderat. Die Flusspegel liegen für diese Jahreszeit eher | |
| unterdurchschnittlich. | |
| Die Förster:innen können nicht aufatmen? | |
| Sie atmen auf, wenn sie an ihre Setzlinge denken, die sie im vergangenen | |
| Jahr gepflanzt haben. Die bestehenden Wälder sind immer noch gefährdet. Und | |
| in einigen Regionen [2][herrscht nach wie vor Dürre]. Nördlich einer Linie | |
| von West nach Ost, etwa von Bonn über Kassel bis Dresden, dort ist es viel | |
| zu trocken. Das betrifft vor allem das nördliche Niedersachsen, Sachsen und | |
| das südliche Brandenburg. | |
| Welche Niederschlagsmengen hätten Entspannung gebracht? | |
| Wir hätten im Winter mehrmonatige Niederschläge mit Landregen und viel mehr | |
| Schnee gebraucht. In diesem Jahr lagen in vielen Regionen im Schnitt 20 bis | |
| 30 Zentimeter Schnee. Wenn der schmilzt, kommt nicht mal die mittlere | |
| Niederschlagsmenge zusammen, die für unsere Mittelgebirge typisch ist. Da | |
| müssten im Januar rund 60 Liter Regen pro Quadratmeter fallen. Das | |
| entspricht etwa einem Meter Neuschnee. Den hatten wir kaum irgendwo. | |
| Haben wenigstens die Grundwasserspeicher etwas abbekommen? | |
| Das kann man noch nicht sagen. Die Neubildung von Grundwasser funktioniert | |
| viel langsamer, Wasser sickert den Speichern mit einer Geschwindigkeit von | |
| vielleicht einem Zentimeter pro Tag entgegen, in sandigen Böden etwas | |
| schneller. Bis der Schnee von heute im Grundwasser ankommt, dauert das | |
| Monate oder sogar Jahre. Ende 2020 lagen übrigens bei zwei Drittel der | |
| Grundwasser-Messstationen in Hessen die Wasserstände sehr deutlich unter | |
| dem langjährigem Mittel. [3][Die Defizite der vergangenen Jahre] lassen | |
| sich nicht so leicht ausgleichen. | |
| Wie können wir das Wasser zukünftig besser im Gelände halten? | |
| Bislang ist unser Umgang mit Wasser leider immer noch davon geprägt, es | |
| schnell aus der Landschaft herauszuleiten. Das Thema war eher, wie man | |
| Grünlandfeuchtgebiete oder Moore am effektivsten entwässert, um sie besser | |
| bewirtschaften zu können. Oder wie man Flüsse für die Schifffahrt umformt. | |
| Wir haben dafür gesorgt, dass Wasser flächendeckend effektiv und schnell | |
| abfließt. Das müssen wir jetzt korrigieren, das ist eine langfristige | |
| Aufgabe. | |
| Brauchen wir mehr künstliche Wasserspeicher? | |
| Die haben wir ja schon, etwa in Form von Talsperren. Die sehen wir überall | |
| dort, wo wir in der Vergangenheit sehr viel mehr Wasser für eine wachsende | |
| Bevölkerung und Industrie gebraucht haben, als vorhanden war. Sie können | |
| ein Baustein für einen besseren Wasserrückhalt sein neben Feuchtgebieten, | |
| renaturierten Flüssen mit ihren Auen, aber auch Zisternen in Städten, um | |
| Regenwasser zur Gartenbewässerung zu speichern. Wir brauchen viele | |
| dezentrale Ansätze. | |
| Für eine Wasserstrategie fragt das Umweltministerium nach Expert:innen | |
| nun die Bevölkerung nach Lösungen. Ist das sinnvoll? | |
| Das ist unbedingt notwendig. Der Umgang mit Wasser fängt beim Verbraucher | |
| an. Außerdem wird die Landschaft künftig feuchter werden müssen, mit vielen | |
| Vorteilen für den Arten- und Klimaschutz. Die Landwirte müssen dann ganz | |
| anders arbeiten, darum müssen sie in alle Planungen früh eingebunden | |
| werden. Ohne ihre Akzeptanz können wir nichts durchsetzen. | |
| 23 Feb 2021 | |
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| Heike Holdinghausen | |
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