# taz.de -- Autoindustrie und Corona: Alles außer Transformation | |
> Auch Baden-Württembergs Autobauer und ihre Zulieferer trifft die Krise | |
> hart. Viele sind auf den Umbau zur E-Mobilität noch gar nicht | |
> vorbereitet. | |
Bild: Warnstreik der Bosch-Mitarbeiter in Stuttgart-Feuerbach Anfang März | |
Die Nachrichten aus den Unternehmen der baden-württembergischen Autobranche | |
klingen nicht gut – für die Autobranche. Der Zulieferer Eberspächer | |
schließt sein Werk für Fahrzeugheizungen in Esslingen Ende 2021. | |
Filterhersteller Mann & Hummel will Teile der Produktion im Werk in | |
Ludwigsburg schließen. Mahle hat vor, 1.700 Stellen im Ländle abzubauen. | |
Das Unternehmen produziert Kolben, Pumpen und Filter – für | |
Verbrennermotoren. Doch die werden im beginnenden | |
Elektromobilitätszeitalter immer weniger gebraucht. | |
Jeder vierte Arbeitsplatz in der deutschen Autoindustrie befindet sich in | |
Baden-Württemberg, viele Beschäftigte verdienen mehr als die | |
Kolleg:innen in anderen Regionen. Hier sitzen Daimler und Porsche, auch | |
Audi hat einen großen Entwicklungs- und Produktionsstandort. Hinzu kommen | |
große Zulieferer wie Bosch, Continental, ZF, Mahle und Hunderte kleiner und | |
mittlere Unternehmen mit Zehntausenden Arbeitsplätzen. Ihre Aussichten sind | |
nicht gut. „Viele Unternehmen der Automobil- und Zuliefererindustrie im | |
Land standen angesichts der tiefgreifenden Transformation und des | |
konjunkturellen Abschwungs bereits vor der Coronakrise vor einer | |
existenzbedrohenden finanziellen Belastung“, sagt Wirtschaftsministerin | |
Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU). | |
Während der Pandemie haben nur wenige ein Auto gekauft. Probleme macht der | |
Branche der Umbau von fossilen, klimaschädlichen Antrieben hin zur | |
Elektromobilität. „Viele Unternehmen haben sich vor der Coronakrise nicht | |
ausreichend auf die Transformation vorbereitet“, sagt Raphael Menez, Leiter | |
des [1][Transformationsteams der IG Metall] in Baden-Württemberg. „Wir | |
machen uns große Sorgen um die Industriearbeit.“ Arbeitsplätze könnten | |
abgebaut oder wie bei Eberspächer nach Polen oder in andere Länder | |
verlagert werden. Für den Bau von E-Autos werden weniger Arbeitskräfte | |
gebraucht, weil sie aus weniger Teilen bestehen. Branchenexperten fürchten, | |
dass ein Drittel der Jobs wegfallen könnte. | |
Manche Zulieferer wie Mahle setzen darauf, gerade für die Hersteller von | |
Verbrennerautos zu produzieren. Die Überlegung: Ist das Unternehmen der | |
letzte Hersteller, der etwa Kolben oder Pumpen für Verbrennermotoren | |
herstellt, hat es eine große Marktmacht. Aber: Kommt der Wandel zur | |
E-Mobilität weitaus schneller als gedacht, geht das nicht auf. Und danach | |
sieht es aus. „Corona gibt der Transformation einen Schub“, sagt Menez. Die | |
Pandemie setzt die Unternehmen ähnlich unter Druck wie einst die | |
Finanzkrise. Aber anders als vom grünen (!) Ministerpräsidenten gewünscht, | |
gibt es diesmal keine Kaufprämien für Benziner mehr. Gefördert werden nur | |
noch E-Autos. | |
## Vertrag für 50 Standorte | |
Ein positives Beispiel ist in den Augen der IG Metall das Unternehmen ZF. | |
Das Unternehmen produziert nicht nur Bestandteile für konventionelle Autos, | |
sondern auch Gangschaltungen für E-Autos und Sicherheitstechnik wie | |
Airbags. Auch hier steht weltweit Personalabbau an. Aber das Unternehmen | |
hat mit der Gewerkschaft in einem Tarifvertrag für 50 Standorte in | |
Deutschland eine Jobsicherung vereinbart. „Uns ist wichtig, dass die | |
Beschäftigten im anstehenden Wandel Sicherheit haben“, sagt Menez. | |
Innerhalb der zwei Jahre sollen an jedem Standort Betriebsräte und | |
Management gemeinsam die Auswirkungen von Pandemie und Transformation sowie | |
Stärken und Schwächen analysieren. „Sie sollen Antworten auf die Frage | |
finden: Was müssen wir tun, damit wir im Jahr 2025 noch da sind?“, erklärt | |
Menez. Das kann etwa bedeuten, neue Produkte an den Standort zu holen oder | |
die Beschäftigten gezielt weiterzubilden. | |
Ginge es nach der [2][IG Metall], würde das Beispiel ZF zum Modell. Doch | |
die Arbeitgeber wollen das nicht. Sie sehen darin eine Ausweitung der | |
Mitbestimmungsrechte. „Dass Sozialpartner das Recht bekommen, auf Betriebe | |
zuzugehen und zu sagen: ‚Eure Strategie gefällt uns nicht‘, lehnen wir ab�… | |
sagt Volker Steinmaier, Sprecher des Arbeitgeberverbands Südwestmetall. „Es | |
gibt bereits zahlreiche tarifliche Regelungen, die Gestaltungsspielraum | |
bieten.“ Dabei geht es den Arbeitgebern nicht um Strategiediskussionen, | |
sondern um die Kürzung von Sonderzahlungen oder Zuschlägen. „Kostensenkung | |
ist das A und O“, sagt Steinmaier. | |
Dass Ministerpräsident Winfried Kretschmann ein Grüner ist, schadet der | |
Autobranche im Ländle keineswegs. Er ist ein bekennender Autofreund. Doch | |
das nützt offenbar auch nicht viel. Baden-Württemberg sei extrem gut | |
ausgestattet mit Kompetenznetzwerken, Lotsenprogrammen, Innovationsclustern | |
oder Anlaufstellen für E-Mobilität, sagt Gewerkschafter Menez. Aber: „Die | |
Hebelwirkung der Politik ist begrenzt.“ | |
12 Mar 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://www.igmetall.de/service/publikationen-und-studien/metallzeitung/met… | |
[2] http://www.zf.igm.de/ | |
## AUTOREN | |
Anja Krüger | |
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